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Juni 2020
Ecstasy kann schöne Gefühle auslösen – und lebensbedrohliche Leberschäden verursachen. Das Risiko scheint für manche Menschen besonders hoch zu sein.
Bild: Milena Shehovtsova / istockphoto.com
August 1991, eine 27-jährige Frau lässt sich im Krankenhaus untersuchen. Sie fühle sich nicht wohl und zeigt eine ausgeprägte Gelbsucht. Bei einer Gelbsucht färben sich die Haut und die Augen gelb. Häufiger Grund für Gelbsucht ist eine Hepatitis, das ist eine Entzündung der Leber, meist ausgelöst durch bestimmte Viren. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte konnten jedoch weder Hepatitisviren noch eine andere Ursache finden, mit der sich die Symptome der jungen Frau erklären ließen. Glücklicherweise besserte sich ihr Zustand zunächst ohne weitere Behandlung.
Was die Ärztinnen und Ärzte zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten: Die junge Frau hatte zuvor Ecstasy konsumiert. Erst als sie ein zweites Mal mit ähnlichen Symptomen im Krankenhaus vorstellig wurde, berichtet sie von ihrem Ecstasykonsum. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Einnahme von Ecstasy und der Gelbsucht ließ darauf schließen, dass die Frau empfindlich auf die Droge reagiert. Damit gehört sie zu den ersten Fällen, bei denen Ecstasy in Verbindung gebracht wurde mit Leberschäden.
Inzwischen gibt es eine Reihe von ähnlich gelagerten Fallberichten. Nicht immer ging es so glimpflich aus wie im Fall der 27-Jährigen, die wieder gesund wurde, nachdem sie ihren Ecstasykonsum eingestellt hatte. Manche der Konsumierenden erlitten ein akutes Leberversagen, das in einigen Fällen zum Tod geführt hat. Doch wie kommt es zu den Leberschäden und wieso reagieren manche Menschen empfindlicher auf Ecstasy?
Darauf gibt es nach gegenwärtigem Forschungsstand keine einfache Antwort. Vermutlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Auffällig ist, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang gibt zwischen der Konsumintensität und nachfolgenden Leberschäden. Es gibt Fälle, in denen schon eine Pille ein akutes Leberversagen mit tödlichem Ausgang zur Folge hatte. In der Fachliteratur werden aber auch Fälle erwähnt, in denen Personen eine extrem hohe Dosis von bis zu 50 Pillen bei einer Konsumgelegenheit geschluckt haben, ohne daran zu versterben.
Nach gegenwärtigem Wissen ist davon auszugehen, dass der Abbau von Ecstasy entscheidend ist. Der findet hauptsächlich in der Leber statt und erfolgt in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird der Wirkstoff MDMA aufgespalten. Dabei spielt das Enzym CYP2D6 eine wichtige Rolle. Enzyme sind Substanzen, die chemische Reaktionen in unserem Körper vorantreiben. Die beim Abbau entstehenden Stoffwechselprodukte sind jedoch häufig noch giftiger als MDMA selbst, teils um mehr als das 100-fache. Um die giftigen Abbauprodukte unschädlich zu machen, werden diese in einem zweiten Schritt weiter verstoffwechselt.
Studien zufolge spielen genetische Unterschiede beim Abbau von MDMA eine Rolle. Als gut untersucht gilt das Enzym CYP2D6, das in der ersten Phase des MDMA-Abbaus aktiv ist. Die Aktivität des Enzyms kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausfallen. Bei manchen Menschen ist CYP2D6 nur sehr schwach aktiv, bei anderen besonders stark. Beide Personengruppen sind dadurch stärker gefährdet für Leberschäden.
Bei Personen mit schwach ausgeprägter Enzymtätigkeit wird MDMA nur sehr langsam abgebaut, so dass MDMA länger auf die Leberzellen einwirkt und diese dadurch stärker schädigen kann. Ist die Enzymtätigkeit in der ersten Stufe des MDMA-Abbaus hingegen besonders stark ausgeprägt, steigt der Level an giftigen Zwischenprodukten, weil der weitere Abbau in Stufe zwei nicht hinterherkommt.
Häufig kommt beim Ecstasykonsum noch ein weiterer Faktor hinzu, der zur Leberschädigung beiträgt. Das Fachwort lautet Hyperthermie. Es bezeichnet eine erhöhte Körpertemperatur, die mitunter lebensbedrohlich sein kann. Die Leber kann mit leicht erhöhter Körpertemperatur noch umgehen. Studien haben jedoch aufzeigen können, dass Leberzellen empfindlicher auf steigende Körpertemperaturen reagieren und früher absterben, wenn sie unter dem Einfluss von MDMA stehen.
Das Risiko einer Hyperthermie ist insbesondere dann erhöht, wenn Ecstasykonsumierende sich körperlich anstrengen, beispielsweise durch Tanzen. Auch der Aufenthalt in engen Räumen mit vielen anderen Menschen oder bei einer hohen Umgebungstemperatur erhöhen das Risiko für eine gefährliche Hyperthermie. Das alles sind Bedingungen wie sie beim Partyfeiern nicht untypisch sein dürften.
MDMA trägt allerdings auch direkt zur Hyperthermie bei, insbesondere durch eine verstärkte Ausschüttung des Hormons Noradrenalin. Noradrenalin bewirkt eine Engstellung der Blutbahnen, mit der Folge, dass die Abfuhr der Körperwärme vermindert ist. MDMA fördert auch die Ausschüttung von Serotonin. Der Botenstoff Serotonin ist maßgeblich für die schönen Gefühle beim Ecstasykonsum verantwortlich, und ist darüber hinaus an der Regulation der Körpertemperatur beteiligt. Im Extremfall kann ein Serotonin-Syndrom ausgelöst werden, das lebensbedrohlich sein kann.
Einen weiteren Risikofaktor bildet der Mischkonsum. Beispielsweise wird häufig zusätzlich Alkohol getrunken, wenn Ecstasy zum Feiern konsumiert wird. Studien zufolge senkt MDMA jedoch die Aktivität eines Enzyms, dass beim Alkoholabbau beteiligt ist. Alkohol wird wie MDMA in zwei Schritten in der Leber unschädlich gemacht. Im ersten Schritt entsteht Acetaldehyd, ein besonders giftiges Abbauprodukt. Ein Enzym namens ALDH wandelt Acetaldehyd schließlich in ungefährlichere Substanzen um. Unter dem Einfluss von MDMA nimmt die Aktivität des Enzyms ALDH jedoch ab, mit der Folge, dass Acetaldehyd länger und in höherer Konzentration die Leber schädigen kann.
Neben Alkohol werden nicht selten noch andere illegale Drogen konsumiert wie Kokain oder Amphetamine. Zudem finden sich Verunreinigungen in Ecstasypillen, die in Zusammenspiel mit MDMA schädlich für die Leber sein können.
Nicht nur illegale Drogen, auch Medikamente wie beispielsweise Paracetamol können das Risiko für Leberschäden erhöhen. Der Wirkstoff ist bekannt dafür, bei Überdosierung oder zu langer Einnahme, die Leber anzugreifen. In Kombination mit MDMA kann dieser Effekt noch verstärkt werden.
Der Ecstasy-Wirkstoff MDMA wird überwiegend in der Leber vom Körper abgebaut. Bei manchen Menschen können schon vergleichsweise geringe Dosen Ecstasy Leberschäden verursachen, bis hin zum akuten Leberversagen. Wahrscheinlich spielen Unterschiede beim Abbau des Wirkstoffs MDMA eine Rolle. Beim Abbau greifen teils noch giftigere Zwischenprodukte die Leberzellen an. Die individuelle Empfindlichkeit ist vermutlich genetisch bedingt.
Weitere Faktoren wie eine gefährlich erhöhte Körpertemperatur sowie der Mischkonsum mit Alkohol und anderen Drogen oder mit Medikamenten wie Paracetamol können ebenfalls dazu beitragen, dass die Leber empfindlicher auf die Wirkung von Ecstasy reagiert.
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