Topthema
Juni 2010
Wer unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen am Straßenverkehr teilnimmt sei es im Auto, auf dem Motorrad oder auf dem Fahrrad, erhöht nicht nur die Gefahr eines Unfalls, sondern riskiert auch, den Führerschein zu verlieren. Um den „Lappen“ wiederzuerlangen, ist in bestimmten Fällen ein spezielles Gutachten notwendig, die so genannte medizinisch-psychologische Untersuchung, kurz MPU. In welchen Fällen muss man eigentlich zum „Idiotentest“, wie die MPU im Volksmund auch genannt wird? Was passiert da? Und kann man sich darauf vorbereiten?
Bild: suze / photocase.com
Eine wichtige Regel des risikoarmen Alkoholtrinkens nennt sich Punktnüchternheit. Demnach gilt es, beim Autofahren oder bei anderen unfallträchtigen Aktivitäten sowie wichtigen Terminen stets nüchtern zu sein. Rechtlich betrachtet ist Alkohol am Steuer allerdings nicht gänzlich tabu. Erst ab 0,5 Promille Alkohol im Blut handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die jedoch ein großes Loch in den Geldbeutel reißt. 500 Euro sind beim ersten Verstoß zu berappen. Einen Monat Fahrverbot und 4 Punkte in Flensburg gibt es obendrein.
Doch wer weiß schon so genau, wie sich 0,5 Promille anfühlen, wie viel Bier man trinken darf, um noch als fahrtüchtig zu gelten. Zudem kann der Blutalkoholgehalt bei gleicher Menge je nach Konstitution, Mageninhalt und anderen Faktoren unterschiedlich ausfallen. So kann ein großes Glas Bier unter Umständen schon zum Reißen der 0,5-Promille-Grenze führen. Besser wäre es daher in jedem Falle, gar kein Alkohol zu trinken, wenn man noch vorhat, sich hinters Steuer zu setzen. Denn auch unter dieser Grenze kann die Fahrerlaubnis entzogen werden. So wird bei auffälliger Fahrweise wie z. B. Schlangenlinienfahren oder wenn es zu einem Unfall kommt, schon ab 0,3 Promille von der so genannten relativen Fahruntüchtigkeit gesprochen.
Ab 1,1 Promille ist die so genannte „absolute Fahruntüchtigkeit“ erreicht. Die Wahrscheinlichkeit für einen Unfall ist bei diesem Alkoholpegel zehnmal so hoch wie unter nüchternen Bedingungen. In jedem Fall erfolgt eine strafrechtliche Verfolgung, unabhängig davon, ob ein Fahrfehler oder gar ein Unfall vorliegt. Es droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, und der Führerschein kann für einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu fünf Jahren entzogen werden. In Flensburg werden zudem sieben Punkte registriert.
Wer zum ersten Mal mit Alkohol am Steuer erwischt wird, kann nach Ablauf der Fahrverbotsfrist in der Regel wieder weiter fahren. Handelt es sich allerdings um eine wiederholte oder besonders schwerwiegende Auffälligkeit, wird zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis meist eine so genannte medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet. Ganz sicher wird zur MPU verdonnert, wer sich mit 1,6 Promille oder mehr erwischen lässt. Bei einem derart hohen Blutalkoholgehalt geht der Gesetzgeber davon aus, dass mit großer Wahrscheinlichkeit chronischer Alkoholmissbrauch vorliegt. Um den Führerschein wieder zu bekommen müssen Betroffene nachweisen, dass sie dem Alkohol für längere Zeit abschwören können und dies mit negativen Urin- oder Haaranalysen belegen.
Übrigens betrifft die 1,6-Promille-Grenze auch Fahrradfahrer: Wer sich im Vollrausch mit dem Drahtesel in den Straßenverkehr begibt und erwischt wird, dem kann ebenfalls der Führerschein entzogen werden. Denn es gilt die Vermutung, dass die Person ihren Alkoholkonsum bei diesem Alkoholpegel generell nicht mehr im Griff hat.
Bei illegalen Drogen gibt es nur geringe bis gar keine Toleranzen. Laut Straßenverkehrsgesetz Paragraph 24a reicht im Prinzip jeglicher Nachweis von „berauschenden Mitteln“ im Blut um den Führerschein zu verlieren. Bei Cannabis beispielsweise kann somit theoretisch auch der Joint vom Vortag noch zum Führerscheinverlust führen, weil mit den heutigen Analysemethoden noch geringste Mengen THC nachweisbar sind. Zwar wurde 2004 ein wegweisendes Urteil vom Bundesverfassungsgericht hierzu gefällt, demzufolge angesichts der modernen Messverfahren nicht mehr jeglicher Nachweis automatisch zum Entzug der Fahrerlaubnis führen darf. Bislang hat das Urteil aber noch keinen Niederschlag im Straßenverkehrsgesetz gefunden. Daher muss davon ausgegangen werden, dass die zuständige Behörde den Führerschein zunächst einmal einzieht und man um sein Recht kämpfen muss.
Dies kann auch der Fall sein, wenn man selbst gar nicht aktiv am Joint gezogen, sondern lediglich passiv Cannabisrauch inhaliert hat. So geschehen in einem Fall, bei dem einem Mann der Führerschein entzogen wurde, nachdem er sich offenbar zu lange in der Chill-Out-Area einer Technoveranstaltung aufgehalten hat. Eine Beschwerde des Fahrers vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg blieb erfolglos. Begründung: Es sei allgemein anerkannt, dass der Genuss von Cannabis die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Die erhebliche inhalative Aufnahme von Cannabis im Chill-Out-Bereich sei dem Antragsteller durchaus bewusst gewesen. Setze sich ein Fahrer trotz dieses Wissens ans Steuer, sei er wie ein aktiver Rauschgift-Konsument zu behandeln.
Wer nun denkt, dass er oder sie sicherer fährt, wenn man sich im bekifften Zustand pflichtbewusst auf den Beifahrersitz platziert, sollte wissen, dass es unter bestimmten Umständen sogar zum Führerscheinverlust kommen kann ohne am Steuer zu sitzen. So ist der gleichzeitige Konsum von Alkohol einem 23-Jährigen zum Verhängnis geworden, ohne selbst gefahren zu sein (siehe Meldung vom 18.4.2006). Das Verwaltungsgericht Stuttgart begründete ihr Urteil damit, dass zusätzlicher Alkoholkonsum generell daran zweifeln lasse, ob die Person den Konsum im Griff hat und diesen vom Führen eines Fahrzeugs trennen könne.
Ist der Führerschein weg und wurde eine MPU zur Wiedererlangung angeordnet, sollten sich Betroffene erst mal gut informieren. Denn die Statistik belegt, dass die MPU oft negativ ausfällt. 2008 sind von den erstmalig wegen Alkohol auffällig gewordener Personen 36 Prozent durchgerasselt. Von den Personen, die aufgrund von Betäubungsmitteln oder Medikamenten zur MPU mussten, sind 32 Prozent als ungeeignet begutachtet worden. Wiederholungstäter haben noch geringere Chancen. 45 Prozent der Personen, die 2008 zum wiederholten Male wegen Alkohol auffällig geworden sind, haben die MPU nicht bestanden. Die Kosten einer MPU müssen Betroffene übrigens in jedem Falle selbst zahlen.
Eine gute Vorbereitung kann die Chancen auf ein positives Gutachten jedoch steigern. Dabei kommt es nicht auf ein „Auswendiglernen“ von „richtigen“ Antworten an, sondern auf eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten. Neben verschiedenen Tests bildet vor allem das Gespräch mit einem Verkehrspsychologen bzw. einer Verkehrspsychologin den Schwerpunkt der Untersuchung. Der Psychologe bzw. die Psychologin beurteilt, ob sein Gegenüber sein Fehlverhalten einsieht, sich mit den Ursachen auseinandergesetzt hat und aktiv die richtigen Konsequenzen zieht. Entscheidend ist, dass Betroffene dauerhaft ihr Verhalten ändern und dies glaubhaft vermitteln können. Mehr Details zur MPU verrät Axel Uhle, Fachpsychologe für Verkehrspsychologie, im Interview.
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