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Dezember 2022
Wie bin ich denn hierhergekommen? Fehlt die Erinnerung nach einer durchzechten Nacht, spricht man von einem Blackout oder Filmriss. Was passiert eigentlich bei einem Blackout? Gibt es eine bestimmte Trinkmenge, ab der ein Blackout eintritt?
Bild: DWerner / photocase.de
Das Hotelzimmer ist völlig verwüstet. Ein Huhn läuft gackernd über den Flur und im Bad sitzt ein Tiger. Nach dem Aufwachen fehlt den ziemlich verkatert wirkenden Männern im US-Spielfilm „Hangover“ jede Erinnerung an die gestrige Nacht. Offenkundig hatten sie einen Blackout. Von Alkohol und bestimmten Drogen wie GHB, Ketamin oder Rohypnol ist bekannt, dass sie einen Blackout erzeugen können. Aber was passiert eigentlich bei einem Blackout?
Glücklicherweise endet nicht jeder Blackout derart katastrophal wie in „Hangover“. Zutreffend ist, dass Betroffene mit einem Blackout zwar Erinnerungslücken haben. Während der Episode, für die später die Erinnerung fehlt, können Betroffene sich den Umständen entsprechend aber noch unterhalten und bewegen. Das Gehirn wird bei einem Blackout also nicht vollständig, sondern nur teilweise außer Gefecht gesetzt. Betroffen ist das so genannte episodische Gedächtnis. Darin sind die Erinnerungen an persönliche Erlebnisse gespeichert.
Lange Zeit ging man in der Wissenschaft davon aus, dass Alkohol alle neuronalen Aktivitäten im Gehirn ausbremst. Demnach wäre ein Blackout nur eine extreme Folge der dämpfenden Alkoholwirkung. Doch mittlerweile ist aufgrund der modernen Hirnforschung mehr über das Phänomen Blackout bekannt.
Damit wir uns an etwas erinnern können, müssen drei Schritte im Gehirn erfolgreich abgeschlossen sein. Zunächst wird neue Information vom Gehirn registriert und interpretiert. Im zweiten Schritt erfolgt die dauerhafte Speicherung im Langzeitgedächtnis. Wenn wir uns an etwas erinnern wollen, muss die betreffende Information im dritten Schritt aus dem Gedächtnis wieder abgerufen werden. Je nachdem, bei welchem Schritt das Gehirn gestört wurde, kann der Blackout unterschiedlich weitreichend sein.
Bei einem sogenannten „En bloc“-Blackout kommt es zu einem totalen Gedächtnisverlust für eine bestimmte Episode. Bei dieser Form von Blackout wurden bereits die frühen Phasen der Gedächtnisbildung, also die Einspeicherung, gestört. Bei einem fragmentierten Gedächtnisverlust können sich Personen später noch an Details erinnern, wenn man ihnen Hinweise gibt oder sie sich an den Ort des Geschehens zurückbegeben. Die Erinnerung ist im Prinzip vorhanden, kann aber nur schwer abgerufen werden. Welche Form von Blackout vorliegt, ist nicht immer eindeutig zu benennen.
Und was passiert im Gehirn? Die Hirnforschung konnte aufzeigen, dass die Gedächtnisbildung in erster Linie in einer Gehirnstruktur erfolgt, die als Hippocampus bezeichnet wird. Studien belegen, dass hohe Mengen Alkohol Fehlfunktionen im Hippocampus verursachen. Die Folge ist, dass keine Informationen gespeichert werden.
Forschende der Universität Washington haben im Tiermodell zeigen können, dass Alkohol im Hippocampus bestimmte Rezeptoren blockt, andere wiederum aktiviert. Im Ergebnis wird die so genannte Langzeitpotenzierung gestört. Die Langzeitpotenzierung ist ein Prozess, bei dem die Verbindung zwischen Nervenzellen gestärkt und so die Bildung des Langzeitgedächtnisses ermöglicht wird.
Der Hippocampus arbeitet zudem nicht völlig unabhängig von anderen Gehirnregionen. Eine Region, die als Septum bezeichnet wird, sendet rhythmische Signale an den Hippocampus. Studien legen nahe, dass Alkohol die Signalübertragung beeinträchtigt. Als Folge kann der Hippocampus seinen Job nicht erfüllen.
Besonders häufiges Rauschtrinken kann schließlich auch zu Schäden am Hippocampus führen. Insbesondere wenn sich Jugendliche häufig betrinken, kann ihr Gehirn Schaden nehmen. Einer Studie zufolge muss davon ausgegangen werden, dass schon einmaliges starkes Rauschtrinken Schäden im Gehirn verursacht. Eine Struktur namens Corpus callosum ist davon betroffen.
Durch den erhöhten Alkoholkonsum ist aber nicht nur das Gehirn in Gefahr. Betroffene Personen haben auch ein erhöhtes Unfallrisiko. In einer US-amerikanischen Studie haben Marlon Mundt und sein Team zwei Jahre lang das Trinkverhalten von über 900 Studierenden erfasst.
Zu Beginn der Studie wurde erhoben, wie oft sich die Studierenden betrinken und wie häufig sie schon einen Blackout hatten. Zwei Jahre später zeigte sich, dass Studierende mit häufigen Blackouts ein fast 3-fach erhöhtes Risiko für Verletzungen hatten, die eine direkte Folge des Alkoholkonsums waren.
Auf die Frage, ab welcher Menge Alkohol ein Blackout für gewöhnlich auftritt, kann die Forschung bislang noch keine eindeutige Antwort geben. Ein Forschungsteam hat in einer Studie versucht, eine Schwelle zu ermitteln, ab der mit höherer Wahrscheinlichkeit mit negativen Konsequenzen zu rechnen ist. Unter negativen Konsequenzen versteht das Forschungsteam neben Unfällen und gewaltsamen Auseinandersetzungen unter anderem auch Blackouts. Demnach müssen Frauen ab etwa 7 Gläsern und Männer ab 8 Gläsern Alkohol mit negativen Konsequenzen rechnen. Bei Jugendlichen kann die Schwelle niedriger liegen.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass ein Blackout auch unterhalb der genannten Grenze vorkommt. Generell steigt das Risiko für einen Blackout, je mehr Alkohol getrunken wird. Die Gefahr eines Blackouts ist besonders dann hoch, wenn in kurzer Zeit hohe Mengen Alkohol getrunken werden – vor allem, wenn es sich um Hochprozentiges handelt.
Es gibt auch Menschen, die trotz Rauschtrinken noch nie einen Blackout hatten. Dies spricht dafür, dass zudem genetische Unterschiede eine Rolle spielen. So konnte in einer Studie experimentell nachgewiesen werden, dass Personen, die in der Vergangenheit Blackouts hatten, selbst bei moderatem Alkoholkonsum stärker unter Erinnerungslücken leiden als Personen, die selten oder nie Blackouts haben.
Früher ging man davon aus, dass Blackouts nur bei Alkoholabhängigkeit vorkommen, doch mittlerweile ist bekannt, dass Blackouts durchaus verbreitet sind und meist ein Zeichen für exzessiven Konsum sind. Generell können häufige Blackouts aber ein Zeichen für problematischen Alkoholkonsum sein. In einer Studie aus der Schweiz hatten Männer, die vor dem Alter von 20 Jahren bereits einen Blackout hatten, 5 Jahre später ein erhöhtes Risiko für eine Alkoholabhängigkeit.
Gesunde Menschen stellen nach einem Blackout ihr Trinkverhalten um bzw. vermeiden es, wieder einen Blackout durch exzessives Trinken zu provozieren. Denn meist ist es Personen, die einen Blackout haben, im Nachhinein peinlich. So haben in einer Studie Betroffene angegeben, dass der gestrige Abend, in der Rückschau betrachtet, es „nicht wert gewesen“ war.
Es ist nicht möglich sicher vorherzusagen, ob jemand einen Blackout nach Alkohol bekommt. Es gibt keine bestimmte Trinkmenge, bis zu der man vor einem Blackout sicher ist. Generell steigt das Risiko für eine Blackout, je mehr man trinkt. Ein Filmriss droht vor allem bei starkem Rauschtrinken und wenn Hochprozentiges in kurzen Abständen runtergekippt wird. Und wer schon einmal einen Blackout hatte, ist möglicherweise generell gefährdet, einen Blackout durch Alkohol zu bekommen.
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