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Oktober 2012
Bio ist in, aber nicht immer gesund, zumal wenn es sich um Pilze mit psychoaktiven Inhaltsstoffen handelt. Manche Pilzliebhaber haben es allerdings eben auf jene Exemplare abgesehen, die mit psychischen Grenzerfahrungen aufwarten können. Doch die als „Magic mushrooms“ bekannten Biodrogen sind nicht harmlos. Halluzinogene Pilze können schwere psychische Ausnahmezustände mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen auslösen.
Bild: spacejunkie / photocase.com
Der Herbst steht vor der Tür und damit auch die Pilzsaison. Neben den Liebhabern von Speisepilzen werden vermutlich auch so manche Pilzsucher durch Wald und Wiesen huschen, denen es nicht um den Geschmack, sondern um die Wirkung geht. Sie sind auf der Suche nach heimischen Giftpilzen wie beispielsweise dem Fliegenpilz oder dem Spitzkegeligen Kahlkopf, die nach dem Verzehr Rauschzustände verursachen.
Schon kleine Kinder können ihn meist sicher erkennen, den Fliegenpilz. Sein charakteristischer roter Hut mit weißen Tupfen sticht meist grell hervor, so als wolle er verkünden: „Halt, iss mich nicht, ich bin giftig!“ Und damit hätte er nicht ganz unrecht, denn der Fliegenpilz kann schwere Vergiftungserscheinungen verursachen. Der Fliegenpilz enthält ebenso wie der Pantherpilz die psychoaktiven Wirkstoffe Muscimol und Ibotensäure. Die Wirkung der Pilze wird als Fliegenpilz-Pantherpilz-Syndrom bezeichnet. Die Pilze werden aufgrund ihrer halluzinogenen Wirkung auch gezielt zu Rauschzwecken konsumiert. In Sibirien sollen Fliegenpilze noch bis heute Teil schamanistischer Rituale sein.
Werden Fliegen- und Pantherpilze konsumiert, verursachen sie zunächst eine alkoholähnliche Wirkung mit halluzinogenen Effekten. Konsumierende fühlen sich schläfrig bis dämmerig. Die Raumwahrnehmung und das Zeitgefühl sind gestört. Konsumierende haben das Gefühl, als bleibe die Zeit stehen. Sie erleben einen Rausch, der vor allem durch Halluzinationen und eine veränderte Sinneswahrnehmung geprägt ist. Dazu gehören farbige Scheinbilder und eine erhöhte Empfindlichkeit für Geräusche und Laute. Zudem können Euphorie und ein Gefühl der Schwerelosigkeit auftreten. Wie bei allen Halluzinogenen können aber auch Angst- und Panikgefühle entstehen, die tiefgreifend die Psyche beeinflussen. Der Rausch mündet meist in einen tiefen Schlaf, der um die acht Stunden andauert.
Fliegen- und Pantherpilze haben jedoch nicht nur halluzinogene Wirkungen, sondern verursachen auch gefährliche Vergiftungserscheinungen. Übelkeit, Schwindel, Erbrechen und Durchfälle sind noch die harmloseren Symptome. Bei einer größeren Menge kommt es zu Muskelzuckungen, Verwirrtheit und Erregungszuständen. Dies kann in Bewusstlosigkeit oder Koma münden. Schwere tödlich endende Vergiftungen sind zwar selten, aber möglich. Meist werden sie durch den Pantherpilz verursacht. Es wird davon ausgegangen, dass nicht Muscimol und Ibotensäure allein, sondern andere in den Pilzen enthaltene Toxine mitverantwortlich hierfür sind.
Die hierzulande weitaus häufiger zu Rauschzwecken konsumierten Pilze sind jene, in denen der halluzinogene Wirkstoff Psilocybin enthalten ist. In über 100 psychoaktiven Pilzen ist er zu finden. Der häufigste Vertreter in Deutschland ist der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata). 1957 gelang es dem Entdecker von LSD, Albert Hoffmann, die wirksame Substanz Psilocybin zu isolieren. Im Körper wird es zu Psilocin umgewandelt, das Ähnlichkeit mit dem körpereigenen Botenstoff Serotonin aufweist. Die eigentliche halluzinogene Wirkung geht somit von Psilocin aus. Die Wirksamkeit von Psilocybin wurde seit der Entdeckung in verschiedenen wissenschaftlichen Studien untersucht.
So wurde beispielsweise im Rahmen einer so genannten Doppelblind-Studie untersucht, ob der Konsum von Psilocybin mystische Erfahrungen erzeugen kann. Unter Laborbedingungen bekamen mehrere Gruppen von Testpersonen, die zuvor noch nie Halluzinogene konsumiert hatten, entweder Psilocybin oder Methylphenidat, ein Amphetamin, jeweils in Kapselform zum Schlucken. Weder den Testpersonen noch den Leitenden der Untersuchung war bekannt, wer welche Substanz bekommt, um den Einfluss der Erwartungshaltung an die Wirkung weitestgehend auszuschließen. Und siehe da: 22 von 36 Personen berichteten nach der Einnahme von Psilocybin von einer „vollkommenen“ mystischen Erfahrung, die mittels spezieller Fragebögen erfasst wurde. Anzumerken ist jedoch, dass alle Testpersonen bereits vorher eine religiöse oder spirituelle Neigung angegeben haben und der Aufruf zur Teilnahme auch eine gewisse Erwartungshaltung in diese Richtung erzeugt haben könnte. So ist doch bemerkenswert, dass immerhin 4 Testpersonen auch nach der Einnahme von Methylphenidat ähnliche Eindrücke gehabt haben.
Bei einigen der Testpersonen traten allerdings auch unangenehme Effekte auf. Mehr als 20 Prozent berichteten, dass ihre Psilocybin-Session stark von negativen Gefühlen wie Angst geprägt war. Dass es nicht zu heftigeren Reaktionen kam, lag vermutlich an den hierfür ausgebildeten Untersuchungsleitern, die instruiert waren, beruhigend auf die Testpersonen einzuwirken, sollten diese ängstlich oder mit Panik reagieren.
Eine derart behütete Konsumsituation wird es im „echten“ Leben aber vermutlich nur selten geben. Dadurch ergeben sich nur schwer zu kalkulierende Risiken, zumal die Wirkung von halluzinogenen Pilzen von vielen Faktoren abhängig ist. Neben der Dosis [9] haben auch die individuelle Verfassung und der Kontext des Konsums Einfluss auf die Wirkung. Der Trip schwankt dann zwischen leichten „Optiken“ und völliger „Verpeilung“. Manche Menschen reagieren allerdings generell sehr empfindlich auf Halluzinogene und entwickeln starke Ängste im Drogenrausch.
Die Stimmung kann auch während eines „Trips“ plötzlich kippen. Aus den anfänglich noch witzigen „Hallus“, den optischen Verzerrungen, kann sich ein ausgewachsener Horrortrip entwickeln, wenn die Angst überhandnimmt. Akute psychotische Episoden können die Folge sein, die zwar meist nach Abklingen der Wirkung verschwinden. In Einzelfällen können die Probleme aber andauern oder wiederkehren.
Studien haben zwar zeigen können, dass Psilocybin keine ernsthaften körperlichen Komplikationen bewirkt, die psychischen Folgen können aber gravierend sein und haben auch schon zu tödlichen Unfällen aufgrund von leichtsinnigem Verhalten geführt.
Wie hoch die Gefahr von so genannten Flashbacks ist, lässt sich nicht genau abschätzen, da es hierzu keine systematischen Untersuchungen gibt. Es finden sich aber Fallstudien, in denen das Phänomen beschrieben wird. In einer Studie beispielsweise wird der Fall eines 18-jährigen Mannes geschildert, der bereits regelmäßig an Wochenenden Cannabis konsumierte. Nachdem er einmalig 40 Psilocybin-Pilze gegessen hatte, erlebte er in den folgenden acht Monaten teils heftige und beängstigende Flashbacks. Die Symptome beinhalteten die typischen Effekte von Halluzinogenen. Nachdem er seinen Cannabiskonsum eingestellt hatte, nahmen die Flashbacks zunächst ab, traten dann aber sechs Monate später wieder auf. Erst nach einer medikamentösen Behandlung mit Neuroleptika und Antidepressiva über einen Zeitraum von sechs weiteren Monaten nahmen die Symptome endgültig ab.
Der Konsum von Biodrogen ist mit unkalkulierbaren Risiken verbunden. So kann die Wirkstoffkonzentration stark schwanken und je nach individueller Verfassung und dem Kontext, in dem konsumiert wird, kann die Wirkung unterschiedlich ausfallen. Zu bedenken ist auch, dass die Wirkung gegessen mitunter verzögert eintritt. Wer „nachwirft“, weil die gewünschte Wirkung nicht eintritt, riskiert schnell Überdosierungen. Angst und Panikgefühle können die Folge sein. Bei Fliegen- und Pantherpilzen drohen auch ernsthafte körperliche Komplikationen. Tödliche Vergiftungen mit diesen Pilzen sind zwar selten, aber möglich.
Quellen:
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