Topthema

Sommer, Sonne, Suff

Juli 2011

Endlich Urlaub. Manche Menschen stürzen sich nun mit Hingabe in die Erkundung fremder Länder und Kulturen, vermutlich die größere Zahl an Menschen geben sich aber eher dem Müßigang am Strand hin. Viele junge Menschen suchen dann gezielt Badeorte mit einem großen Angebot an Clubs und Bars auf. Folgt man den Meldungen über Badeorte wie El Arenal auf „Malle“ so scheint der Alkohol dort allgegenwärtig zu sein. Oder ist das etwa nur eine einseitig übertriebene Berichterstattung sensationslüsterner Medien? Ein internationales Forschungsteam hat sich das Verhalten junger Deutscher und Briten, die am Mittelmeer Urlaub machen, mal genauer angeschaut. Den Ergebnissen zufolge ist an dem Klischees aber wohl doch was dran.

Leere Bierflasche liegt im Sand, halb mit Sand gefüllt

Bild: gheo / iStockphoto.com

Urlaub und Alkohol, für manche Menschen gehört das zusammen wie der Senf zur Bratwurst. Vor allem junge Reisende scheinen dem ausgiebigen Genuss alkoholischer Getränke am Badeort nicht abgeneigt zu sein. Doch wie wild treiben es die jungen Menschen wirklich im Urlaub?

Ein Netzwerk aus europäischen Forscherinnen und Forschern, die sich unter der Dachorganisation IREFREA zusammengetan haben, erforscht bereits seit mehreren Jahren das Verhalten von Urlaubsreisenden. Denn das Risikoverhalten von Touristinnen und Touristen lässt offenbar zu wünschen übrig. In einer Studie wurde kalkuliert, dass in Europa über alle Altersbereiche hinweg jährlich etwa 280.000 Notfallbehandlungen im Krankenhaus auf das Konto ausländischer Touristinnen und Touristen gehen. Wie oft Alkohol im Spiel war, ist nicht bekannt. Eine Auswertung der Verkehrsunfälle auf der Urlaubsinsel Kreta aus dem Jahr 1995 hat jedoch gezeigt, dass während der Hochsaison Alkohol die Hauptunfallursache bei Touristinnen und Touristen war.

Befragung im Abflugterminal

Bislang gab es aber noch zu wenig Information über das tatsächliche Verhalten junger Reisender in den Badeorten am Mittelmeer. In einer aktuellen Studie hat sich das Forschungsteam von IREFREA daher aufgemacht, um junge Touristinnen und Touristen auf Mallorca, Kreta und Zypern sowie in Italien und Portugal zu ihren Urlaubserfahrungen zu befragen. Genau genommen hat sich das Team um Studienleiterin Karen Hughes in den Abflughallen der großen Flughäfen auf die Lauer gelegt, um dort deutsche und britische Passagiere im Alter zwischen 16 und 35 Jahren für die Studie zu gewinnen. Die Beschränkung auf Deutsche und Briten begründet das Forschungsteam damit, dass diese die weitaus größte Anzahl unter den Reisenden in Europa ausmachen.

Bei den Fragen ging es um Alkohol, Drogen, Gewalterfahrungen und Unfälle während des Urlaubsaufenthalts. Weil davon auszugehen war, dass nicht jeder sich hierzu freimütig einer fremden Person gegenüber äußern will, hat das Forschungsteam Fragebögen zum Selbstausfüllen verteilt. Die Fragebögen konnten die jungen Reisenden anschließend in einen Umschlag legen und zukleben, so dass ihre Anonymität gewahrt blieb. Offenbar war die Befragung während der Wartezeit eine willkommene Abwechslung, denn es haben sich sagenhafte 93 Prozent der Personen, die angaben, noch genügend Zeit vor dem Abflug zu haben, an der Befragung beteiligt. Insgesamt wurden 6.502 junge Briten und Deutsche befragt.

Klischee vom „Ballermann“ scheint zuzutreffen

Den Ergebnissen nach, sind die Deutschen und Briten tatsächlich ordentliche Schluckspechte. 71 Prozent aller Befragten haben sich zumindest einmal im Urlaub betrunken. Bei genauer Betrachtung zeigen sich aber durchaus große Unterschiede sowohl zwischen den Urlaubsorten als auch zwischen den Nationalitäten. Während von den Briten nur 8 Prozent auf Mallorca nüchtern geblieben sind, waren es immerhin 20 Prozent der Deutschen. Dafür betrinken sich die Deutschen, wenn sie trinken, häufiger als Briten. 49 Prozent der Deutschen hat sich an mehr als der Hälfte aller Urlaubstage auf Mallorca betrunken, unter den Briten waren es „nur“ 45 Prozent. Das Klischee von den dauerbesoffenen „Touris“ am „Ballermann“ scheint wohl doch nicht ganz so weit her geholt zu sein.

Urlauberinnen und Urlauber in Italien sind da offenbar genügsamer. Nur etwa jeder zweite Reisende aus Großbritannien hat sich dort im Urlaub mal betrunken. Unter den Deutschen war es sogar nur jeder vierte. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass übermäßiger Alkoholkonsum generell häufig im Urlaub anzutreffen ist.

Illegale Drogen werden zwar seltener im Urlaub konsumiert, viele von den jungen Leuten, die zuhause kiffen oder anderen Drogen konsumieren, tun es auch im Urlaub. Hier ist ausnahmsweise mal nicht Mallorca die Hochburg, sondern Portugal. Von den Deutschen haben dort 12 Prozent im Urlaub gekifft. Die Briten nehmen hingegen anderen Drogen wie Ecstasy, Kokain oder Amphetamine - und dies bevorzugt auf Zypern: 13 Prozent der Briten haben auf der griechisch-türkischen Insel andere illegale Drogen als Cannabis zu sich genommen.

Gewalt und Unfälle unter Alkoholkonsum

Der Alkohol- und Drogenkonsum blieb allerdings nicht immer ohne Folgen. 4 Prozent aller jungen Urlauberinnen und Urlauber waren in Gewalttätigkeiten verstrickt. Dies war unter dem Einfluss von Alkohol viermal häufiger der Fall als unter nüchternen Bedingungen. Briten auf Mallorca waren mit einer 5-mal höheren Wahrscheinlichkeit in gewaltsame Auseinandersetzungen involviert als Deutsche in Portugal. Auf Mallorca hatten die Deutschen ebenfalls vergleichsweise häufig Erfahrung mit Gewalt gemacht: sie hatten eine 4-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit für Gewalterfahrungen als ihre Landsleute, die Urlaub in Portugal gemacht hatten. Genau genommen muss man hier von Männern sprechen, da diese signifikant häufiger mit Gewalt zu tun hatten als Frauen.

Auch zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang von Gewalt mit Alkohol und Drogen. Je häufiger die vorwiegend jungen Männer betrunken waren, desto wahrscheinlicher waren Gewalterfahrungen im Urlaub. Bei über 90 Prozent aller Gewalterfahrungen war Alkohol mit im Spiel, was den starken Zusammenhang zwischen Alkohol und Gewalt eindrucksvoll dokumentiert.

Damit nicht genug. Bekannt ist, dass Alkohol die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt und zu einer erhöhten Unfallgefahr beiträgt. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich die Konsequenzen auszumalen, wenn beinahe jeden Abend viel Alkohol getrunken wird. So haben sich 6 Prozent aller jungen Urlauberinnen und Urlauber im Urlaub bei einem Unfall verletzt. Das höchste Risiko haben hier Deutsche auf Kreta.

In der Studie wurden zwar nur Deutsche und Briten zu ihrem Verhalten am Urlaubsort hin befragt, wie eine frühere Studie der IREFREA-Gruppe zeigt, hebt sich ihr Verhalten aber tatsächlich von dem anderer Länder ab. Junge Menschen aus Spanien und Griechenland betrinken sich deutlich seltener - auch wenn sie im Urlaub sind. Das Klischee vom gemäßigten mediterranen Lebensstil scheint also durchaus zuzutreffen.

Fazit

Fern der Heimat neigen viele junge Urlauberinnen und Urlauber offenbar zum übermäßigen Alkoholkonsum und laufen damit in erhöhtem Maße Gefahr, in gewaltsame Streitereien verwickelt zu werden oder sich durch Unfälle zu verletzen. Hughes und ihr Team vermuten, dass dieses Verhalten von der Tourismusindustrie mit angestachelt wird, weil sie sich hiervon ökonomische Vorteile erhoffen. Allerdings kann auch davon ausgegangen werden, dass sich Reisende bei ihrer Urlaubsplanung gezielt jene Orte aussuchen, in denen das Nachtleben besonders ausgeprägt ist. So gaben 46 Prozent der Deutschen und 56 Prozent der Briten in der Befragung an, sich ihren Urlaubsort vorwiegend wegen der Clubs und Diskotheken vor Ort ausgesucht zu haben. Nur das Wetter war als Auswahlkriterium noch wichtiger.

Quellen:

  • Calafat, A., Blay, N., Hughes, K., Bellis, M., Juan, M., Duch, M. & Kokkevi, A. (2010). Nightlife young risk behaviours in Mediterranean versus other European cities: are stereotypes true? The European Journal of Public Health, doi: 10.1093/eurpub/ckq141. Artikel
  • Hughes, K., Bellis, M., Calafat, A., Blay, N., Kokkevi, A., Boyindiji, G., Rosario, M. & Bajcàrova, L. (2011). Substance Use, Violence, and Unintentional Injury in Young Holidaymakers Visiting Mediterranean Destinations. Journal of Travel Medicine, 18 (2), 80-89. Zusammenfassung
  • Kuratorium für Schutz und Sicherheit (2001). Scope and patterns of tourist accidents in the European Union. Bericht
  • Petridou, E., Askitopoulou, H., Vourvahakis, D., Skalkidis, Y. & Trichopoulos, D. (1997). Epidemiology of road traffic accidents during pleasure travelling: the evidence from the island of Crete. Accident Analysis & Prevention, 29 (5), 687-693. Zusammenfassung

Kommentare

Kommentare

Um Kommentare schreiben zu können, musst du dich anmelden oder registrieren.