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Dezember 2017
Welchen Alkohol trinken die Deutschen am liebsten? Wer trinkt wie viel? Und wie viel ist eigentlich zu viel? Der erstmals herausgegebene Alkoholatlas liefert jede Menge Zahlen und Fakten zum Thema Alkohol. Ein Nachschlagewerk mit einer klaren Botschaft: Die Deutschen schauen zu oft zu tief ins Glas.
Bild: madochab / photocase.com
11 Liter reiner Alkohol pro Jahr. Das ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch der über 15-jährigen Bevölkerung in Deutschland. Doch die Trinkmengen sind ungleich verteilt. Männer trinken etwa doppelt so viel Alkohol wie Frauen. Männer trinken am häufigsten Bier, Frauen meist Wein oder Sekt.
Alkohol wird in Deutschland zu vielen gesellschaftlichen Anlässen oder einfach nur so getrunken. Sei es vor dem Fernseher, beim geselligen Treffen in der Kneipe oder auf der Party. Wir trinken, um uns zu entspannen, um Spaß zu haben oder um unseren Alltag ein wenig aufzupeppen. „Alkohol ist ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens - mit zum Teil schwerwiegenden Folgen“, erklärt Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums, im Vorwort zum ersten Alkoholatlas.
Der Alkoholatlas fasst verschiedene Fachpublikation zusammen und liefert ein anschauliches Zahlenwerk, das deutlich macht: In Deutschland wird eine ganze Menge Alkohol getrunken. Übermäßiger Alkoholkonsum verursacht jedoch eine ganze Reihe von Problemen. Das sind teils schwerwiegende gesundheitliche Folgen bei Konsumierenden wie auch immense gesamtgesellschaftliche Kosten.
Was viele Menschen gerne ausblenden: Alkohol ist und bleibt Gift für unsere Zellen. Geringe Menge Alkohol kann unser Körper zwar verarbeiten ohne groß Schaden zu nehmen. Doch viele Menschen überschreiten die Grenzen des risikoarmen Konsums. In Deutschland gelten bis zu zwei Gläser Alkohol pro Tag für den Mann als risikoarmer Konsum, für Frauen liegt diese Grenze bei einem Glas. An mindestens zwei Tagen in der Woche sollten Männer und Frauen ganz auf Alkohol verzichten.
Etwa jeder fünfte Mann und jede siebte Frau trinkt jedoch regelmäßig mehr als empfohlen. Der Alkoholatlas zeigt auf, dass der soziale Status hierbei eine Rolle zu spielen scheint. Interessanterweise trinken nicht etwa Arbeitslose oder schlecht Gebildete am meisten. Vielmehr nimmt der Alkoholkonsum mit dem sozialen Status zu. Menschen mit einem hohen sozialen Status trinken am meisten. Generell gilt jedoch für alle Menschen, die regelmäßig zu viel trinken, dass sie ihre Gesundheit gefährden.
So gingen im Jahr 2012 rund 530.000 Krankenhausaufenthalte unter den 15- bis 64-Jährigen auf eine alkoholbedingte Erkrankung zurück. Die meisten Krankenhausbehandlungen entfielen auf psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol. Darunter fallen beispielsweise akute Alkoholvergiftungen oder die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit.
Überhöhter Alkoholkonsum zieht auch körperliche Schäden nach sich. 15 Prozent der alkoholbedingten Krankenhausaufenthalte von Männern erfolgen wegen einer Erkrankung des Verdauungssystems. Häufig betroffen sind der Magen und die Leber. Hinzu kommen Krebserkrankungen, Nervenschäden und Herz-Kreislauferkrankungen. Alkohol kann prinzipiell alle Organe schädigen, da es über die Blutbahn im gesamten Körper verteilt wird.
Schlimme Auswirkungen kann Alkohol haben, wenn Frauen während der Schwangerschaft zu Alkohol greifen. Alkohol gelangt über die Nabelschnur in den Organismus des Ungeborenen. Die schädigende Wirkung des Alkohols hält beim ungeborenen Kind länger an als bei der Mutter, weil der noch nicht vollständig entwickelte Organismus des Kindes den Alkohol langsamer abbaut. Deshalb ist der Blutalkoholspiegel beim Ungeborenen sogar eine Zeit lang höher als bei der Mutter.
Je nach Entwicklungsphase kann der Alkohol unterschiedliche Organsysteme des Fetus schädigen. Bei der schwersten Form der Schädigung, dem fetalen Alkoholsyndrom, leiden betroffene Kinder ihr Leben lang unter körperlichen und geistigen Störungen. Diese Fälle sind aber nur die berühmte Spitze des Eisbergs. Es gibt einen fließenden Übergang zu Schädigungen, die unter dem Begriff Alkoholeffekte zusammengefasst werden. Für Schwangere und Frauen, die schwanger werden wollen, lautet die Empfehlung daher, ganz auf Alkohol zu verzichten.
Diese Empfehlung gilt auch für Jugendliche. Denn sie befinden sich in einem Entwicklungsstadium, in dem Alkohol größeren Schaden anrichten kann als bei Erwachsenen. Vor allem ihre Gehirnentwicklung kann durch Alkohol nachhaltig beeinträchtigt werden.
Denn in der Pubertät finden strukturelle Umbauprozesse im Gehirn statt. Das betrifft auch den Bereich des präfrontalen Cortex. Diese Hirnregion ist unter anderem für die langfristige Planung und die Hemmung impulsiver Reaktionen zuständig. Im präfrontalen Cortex waltet gewissermaßen die innere Stimme der Vernunft, die zur Mäßigung aufruft.
Übermäßiger Alkoholkonsum kann den neuronalen Entwicklungsprozess jedoch nachhaltig schädigen. So weisen Studien darauf hin, dass das Hirnvolumen unter anderem im Bereich des Frontalhirns abnimmt, was Funktionsstörungen des Gehirns zu Folge haben kann. Der Alkoholatlas listet Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit auf, darunter Gedächtnisprobleme, Störungen der räumlichen Wahrnehmung, des Abstraktions-, Problemlösungs- und Planungsvermögen sowie der Verhaltenskontrolle.
Hinzu kommt: Je früher Jugendliche Alkohol trinken, desto größer ist ihr Risiko, eine Abhängigkeit zu entwickeln. „Wer vor dem 15. Lebensjahr mit dem Trinken beginnt, hat eine rund viermal so hohe Wahrscheinlichkeit, abhängig zu werden, als diejenigen, die erst ab 20 Jahren mit dem Trinken beginnen“, heißt es im Alkoholatlas. Zwar ist der Alkoholkonsum unter Jugendlichen in den letzten zehn Jahren gesunken, immerhin noch etwa jeder dritte Junge und jedes dritte Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren hat in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken.
„Das Problembewusstsein ist beim Thema Alkoholkonsum nach wie vor zu niedrig“, warnt die Drogenbeauftragte Marlene Mortler. 2015 wurden fast 15.000 Kinder und Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. Bei über 100.000 Männern und 36.000 Frauen wurde 2015 eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert. Und jedes Jahr sterben mehr als 20.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums.
Menschen, die zu viel Alkohol trinken, schädigen nicht nur sich selbst. Alkohol spielt häufig auch bei aggressiven Handlungen und Gewalt eine Rolle. 2015 standen 12 Prozent aller männlichen und 5 Prozent aller weiblichen Tatverdächtigen bei ihrem Vergehen unter Alkoholeinfluss. Bei einem Drittel aller Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge waren die Tatverdächtigen alkoholisiert.
Alkohol schränkt zudem die Reaktionsfähigkeit ein. Im Straßenverkehr kann die Alkoholwirkung fatale Folgen haben. 2015 war bei rund 34.500 Unfällen Alkohol im Spiel. Bei über 13.000 dieser Unfälle wurden Personen verletzt oder getötet. Laut Alkoholatlas ereignet sich alle 15 Minuten ein Alkoholunfall auf deutschen Straßen.
Werden alle alkoholbedingten Kosten, die durch Unfälle, Straftaten, Krankheit und beeinträchtigter Arbeitsleistung resultieren zusammengerechnet, so verursacht schädlicher Alkoholkonsum jedes Jahr Kosten in Höhe von rund 39 Milliarden Euro. Im Gegenzug verdient der deutsche Staat nur rund 3 Milliarden Euro durch Steuern auf alkoholische Getränke.
Alkohol kann für Erwachsene ein Genussmittel sein, wenn sie verantwortungsvoll damit umgehen. Bestimmte Personengruppen wie Jugendliche oder Schwangere sollten jedoch ganz auf Alkohol verzichten. Der neu herausgegebene Alkoholatlas liefert eine Menge Zahlen und Erklärungen zum Thema Alkohol, die allerdings deutlich machen: Viele Menschen in Deutschland trinken regelmäßig zu viel.
Dies hat nicht nur gesundheitliche Folgen für den Einzelnen. Alkohol ist vergleichsweise häufig bei Straftaten mit Körperverletzung beteiligt und spielt bei vielen Verkehrsunfällen eine bedeutende Rolle. Infolge von Alkohol entstehen der Gesellschaft so jährliche Kosten in Höhe von rund 39 Milliarden Euro. Dem stehen jedoch nur rund 3 Milliarden Euro durch Steuereinnahmen gegenüber.
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