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April 2023
Worauf sollte man achten, wenn man die Risiken beim Cannabiskonsum reduzieren will? Ein internationales Forschungsteam hat Empfehlungen für einen weniger schädlichen Umgang mit Cannabis entwickelt.
Bild: Nicklp / photocase.de
Es gibt keinen sicheren Konsum. Das schon mal vorweg. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Benedikt Fischer hat Empfehlungen für weniger schädliches Kiffen entworfen. Noch vor der ersten Empfehlung weist das Team darauf hin, dass es kein sicheres Konsumlevel gibt. Der sicherste Weg, Risiken zu vermeiden, sei die Abstinenz.
Doch die Realität ist eine andere. In Nordamerika und vielen Ländern Europas konsumiert bis zu einem Viertel der jungen Menschen Cannabis. Weltweit ist Cannabis die am meisten konsumierte illegale Droge. „Es gab immer Drogen und wird immer Drogen geben, denn Menschen haben das Bedürfnis, sie zu konsumieren“, antwortet Fischer in einem SPIEGEL-Interview auf die Frage, ob es sinnvoll sei, eine drogenfreie Welt anzustreben.
In ihrem aktuellen Fachartikel betonen Fischer und sein Team, dass die meisten Menschen keine größeren Probleme entwickeln, wenn sie Cannabis konsumieren. Viele kiffen nur gelegentlich oder stellen den Konsum nach einer Weile selbständig wieder ein. Ein Teil der Konsumierenden betreibt jedoch einen intensiven Konsum. Sie kiffen über einen längeren Zeitraum täglich oder sogar mehrmals am Tag.
Starker Cannabiskonsum ist aber mit verschiedenen gesundheitlichen und sozialen Risiken verbunden. Um den konsumierenden Personen konkrete Hinweise zur Schadensminimierung an die Hand zu geben, hat das Forschungsteam um Benedikt Fischer Leitlinien entworfen, die sie als „Lower-Risk Cannabis Use Guidelines“ bezeichnen.
2011 hat das Forschungsteam erstmals Leitlinien veröffentlicht und 2017 aktualisiert. 2022 erfolgte ein weiteres Update auf der Basis des aktuellen Forschungsstands. Das Dokument umfasst inzwischen 12 Empfehlungen. Als übergeordneten Hinweis stellt das Forschungsteam den eingangs erwähnten Hinweis vorweg, dass nur die Abstinenz sicher sei. Die weiteren Empfehlungen lauten:
Neben den konkreten Empfehlungen mahnt das Forschungsteam generell zur Vorsicht bei intensivem Konsum über einen längeren Zeitraum. Dann könne sich eine Cannabisabhängigkeit entwickeln. Eine Abhängigkeit ist durch verschiedene Symptome gekennzeichnet wie Entzugserscheinungen oder Craving. Letzteres ist das starke Verlangen nach weiterem Konsum. Ob cannabisbezogene Probleme vorliegen, lässt sich beispielsweise mit dem Selbsttest Cannabis Check überprüfen.
Fischer und sein Team empfehlen Konsumierenden, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie nicht in der Lage sind, ihren Konsum selbständig substanziell zu senken. Kostenlose Hilfe bieten Beratungsstellen vor Ort oder das Online-Beratungsprogramm Quit the Shit.
Als letzten allgemeinen Hinweis geben Fischer und sein Team zu bedenken, dass Cannabiskonsumierende darauf achten sollten, anderen Menschen keinen Schaden zuzufügen. Dies könne beispielsweise der Fall sein, wenn andere Personen passiv Cannabisrauch einatmen. Kinder sind beim Passivkonsum besonders gefährdet. Auch beim Fahren unter dem Einfluss von Cannabis können andere Personen zu Schaden kommen.
Die von Fischer und seinem Team entwickelten Leitlinien sind inzwischen offizieller Bestandteil der Suchtprävention in Kanada. Seit 2018 können Erwachsene in Kanada Cannabis zu Freizeitzwecken legal kaufen. Mit den Leitlinien will die Regierung Menschen, die Cannabis konsumieren, eine Orientierung geben, damit sie ihren Cannabiskonsum im besten Falle in Richtung Risikominimierung verändern.
Stellt sich die Frage, ob die Leitlinien bereits „Wirkung“ in der Bevölkerung gezeigt haben. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Benedikt Fischer hat sich der Frage angenommen und Befragungen aus den Jahren 2017, 2018 und 2019 ausgewertet, in denen der Cannabiskonsum in der Bevölkerung erfasst wurde.
Den Ergebnissen zufolge würde sich die Mehrheit der Cannabiskonsumierenden in Kanada an die meisten Empfehlungen halten. Eine Ausnahme bildet der Hinweis, Cannabis auf andere Weise zu konsumieren, als es zu rauchen. Zwar scheint der Anteil der Menschen, die Cannabis über einen Verdampfer inhalieren oder essen, leicht zuzunehmen. Weiterhin raucht aber eine Mehrheit der Konsumierenden Cannabis, beispielsweise im Joint oder in der Bong.
Die Befragungen würden nach Einschätzung des Forschungsteams deutlich machen, dass ein bedeutsamer Anteil der Cannabiskonsumierenden eine oder mehrere Risikofaktoren erfüllt, sprich: Sie kiffen zu viel. Damit sind aber eine Reihe von akuten und chronischen Gesundheitsrisiken verbunden. Die Leitlinien liefern zwar keine Anleitung zur Reduktion, sie könnten aber dazu beitragen, ein Bewusstsein für die Risiken des Konsums zu schaffen, schreiben Fischer und sein Team. Es müsse daher noch mehr dafür getan werden, die Leitlinien vor allem in der Gruppe der intensiv Konsumierenden bekannter zu machen.
Der Konsum von Cannabis birgt gesundheitliche Risiken. Menschen, die Cannabis gebrauchen, haben es aber in der Hand, ihr persönliches Risiko zu verringern. Das ist die Kernbotschaft der „Lower-Risk Cannabis Use Guidelines“, den Leitlinien für die Reduzierung der Risiken beim Cannabiskonsum. Auf der Basis des aktuellen Forschungsstand hat das Forschungsteam konkrete Empfehlungen formuliert. Diese zielen insbesondere darauf ab, intensiven Konsum zu vermeiden.
Kanada hat den Konsum zu Freizeitzwecken seit 2018 legalisiert und die Empfehlungen offiziell eingeführt. Befragungen zeigen jedoch auf, dass insbesondere die Gruppe der intensiv Konsumierenden noch besser erreicht werden könnte. Die Leitlinien sollen dabei helfen, ein Bewusstsein für die Risiken des Cannabiskonsums zu schaffen und gegebenenfalls professionelle Hilfe für die Reduktion des Cannabiskonsums zu nutzen.
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