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Magische Pilze

Oktober 2010

 

Es lässt sich nicht leugnen, der Herbst ist da. Sicheres Indiz sind die allerorten aus dem Boden sprießenden Pilze. Einige von ihnen werden als wohlschmeckende Speisepilze geschätzt. Doch nicht alle Fungiliebhaber haben es auf Maronen und Co. abgesehen. Manche fahnden nach speziellen Pilzen, die zwar nicht mit kulinarischen Genüssen, wohl aber mit psychischen Grenzerfahrungen aufwarten können. Doch die als „magic mushrooms“ (engl. magische Pilze oder „Zauberpilze“) bekannten Biodrogen sind nicht harmlos. Halluzinogene Pilze können schwere psychische Ausnahmezustände verursachen und unter Umständen sogar tödlich wirken.

Fliegenpilz mit charakteristischen roten Hut und weißen Tupfen

Fliegenpilz (Amanita muscaria)Bild: Wikipedia

Fliegenpilz und Pantherpilz

Schon kleine Kinder können ihn meist sicher erkennen, den Fliegenpilz. Sein charakteristischer roter Hut mit weißen Tupfen sticht meist grell hervor, so als wolle er verkünden: „Halt, iss mich nicht, ich bin giftig!“ Und damit hätte er nicht ganz unrecht, denn der Fliegenpilz kann schwere Vergiftungserscheinungen verursachen. Der Fliegenpilz enthält ebenso wie der Pantherpilz die psychoaktiven Wirkstoffe Muscimol und Ibotensäure. Die Wirkung der Pilze wird auch als Fliegenpilz-Pantherpilz-Syndrom bezeichnet. Die Pilze werden aufgrund ihrer halluzinogenen Wirkung allerdings auch gezielt zu Rauschzwecken konsumiert. In Sibirien sollen Fliegenpilze noch bis heute Teil schamanistischer Rituale sein.

Werden Fliegen- und Pantherpilze als Zauberpilze konsumiert verursachen sie zunächst eine alkoholähnliche Wirkung, mit halluzinogenen Effekten. Konsumierende fühlen sich schläfrig bis dämmerig. Die Raumwahrnehmung und das Zeitgefühl sind gestört. Konsumierende haben das Gefühl, als bleibe die Zeit stehen. Sie erleben einen Rausch, der vor allem durch Halluzinationen und eine veränderte Sinneswahrnehmung geprägt ist. Dazu gehören farbige Scheinbilder und eine erhöhte Empfindlichkeit für Geräusche und Laute. Zudem können Euphorie und ein Gefühl der Schwerelosigkeit auftreten. Wie bei allen Halluzinogenen können aber auch Angst- und Panikgefühle entstehen, die tiefgreifend die Psyche beeinflussen. Der Rausch mündet meist in einen tiefen Schlaf, der um die acht Stunden andauert.

Gefährliche Vergiftungserscheinungen durch halluzinogene Pilze

Zauberpilze wie Fliegen- und Pantherpilze haben jedoch nicht nur halluzinogene Wirkungen, sondern verursachen auch gefährliche Vergiftungserscheinungen. Übelkeit, Schwindel, Erbrechen und Durchfälle sind noch die harmloseren Symptome. Bei einer größeren Menge kommt es zu Muskelzuckungen, Verwirrtheit, Bauchschmerzen und Erregungszuständen. Dies kann in Bewusstlosigkeit oder Koma münden. Schwere tödlich endende Vergiftungen sind zwar selten, aber möglich. Meist werden sie durch den Pantherpilz verursacht. Es wird davon ausgegangen, dass nicht Muscimol und Ibotensäure allein, sondern andere in den Pilzen enthaltene Toxine mitverantwortlich hierfür sind.

Psilocybin-haltige Pilze

Die hierzulande weitaus häufiger zu Rauschzwecken konsumierten halluzinogenen Pilze sind jene, in denen der halluzinogene Wirkstoff Psilocybin enthalten ist. In über 100 psychoaktiven Pilzen ist er zu finden. Der häufigste Vertreter in Deutschland ist der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata). Psilocybin-haltige Pilze wurden vermutlich schon vor Tausenden von Jahren zu religiösen oder kultischen Zwecken konsumiert. Aber erst 1957 gelang es dem Entdecker von LSD, Albert Hoffmann, die wirksame Substanz Psilocybin zu isolieren. Im Körper wird es zu Psilocin umgewandelt wird, das Ähnlichkeit mit dem körpereigenen Botenstoff Serotonin aufweist. Die eigentliche halluzinogene Wirkung geht somit von Psilocin aus. Die Wirksamkeit von Psilocybin wurde seit der Entdeckung in verschiedenen wissenschaftlichen Studien untersucht.

Mystische Erfahrungen im Labor

So wurde beispielsweise im Rahmen einer so genannten Doppelblind-Studie untersucht, ob der Konsum von Psilocybin mystische Erfahrungen erzeugen kann. Unter Laborbedingungen bekamen mehrere Gruppen von Testpersonen, die zuvor noch nie Halluzinogene konsumiert hatten, entweder Psilocybin oder Methylphenidat, ein Amphetamin, jeweils in Kapselform zum Schlucken. Weder den Testpersonen noch den Leitenden der Untersuchung war bekannt, wer welche Substanz bekommt, um den Einfluss der Erwartungshaltung an die Wirkung weitestgehend auszuschließen. Und siehe da: 22 von 36 Personen berichteten nach der Einnahme von Psilocybin von einer „vollkommenen“ mystischen Erfahrung, die mittels spezieller Fragebögen erfasst wurde. Anzumerken ist jedoch, dass alle Testpersonen bereits vorher eine religiöse oder spirituelle Neigung angegeben haben und der Aufruf zur Teilnahme auch eine gewisse Erwartungshaltung in diese Richtung erzeugt haben könnte. So ist doch bemerkenswert, dass immerhin 4 Testpersonen auch nach der Einnahme von Methylphenidat ähnliche Eindrücke gehabt haben.

Wenn aus „Hallus“ Horror wird

Bei einigen der Testpersonen traten allerdings auch unangenehme Effekte auf. Mehr als 20 Prozent berichteten, dass ihre Psilocybin-Session stark von negativen Gefühlen wie Angst geprägt war. Dass es nicht zu heftigeren Reaktionen kam, lag vermutlich an den hierfür ausgebildeten Untersuchungsleitern, die instruiert waren, beruhigend auf die Testpersonen einzuwirken, sollten diese ängstlich oder mit Panik reagieren. Eine derart behütete Konsumsituation finden allerdings nicht alle Konsumierenden von Psilocybin-haltigen Pilzen vor. Aus den anfänglich noch witzigen „Hallus“, den optischen Verzerrungen, kann sich auch ein ausgewachsener Horrortrip entwickeln, wenn die Angst überhandnimmt. Akute psychotische Episoden können die Folge sein, die zwar meist nach Abklingen der Wirkung verschwinden. In Einzelfällen können die Probleme aber andauern oder wiederkehren.

Flashback

Wie hoch die Gefahr von so genannten Flashbacks ist, lässt sich nicht genau abschätzen, da es hierzu keine systematischen Untersuchungen gibt. Es finden sich aber Fallstudien, in denen das Phänomen beschrieben wird. In einer Studie beispielsweise wird der Fall eines 18-jährigen Mannes geschildert, der bereits regelmäßig an Wochenenden Cannabis konsumierte. Nachdem er einmalig 40 Psilocybin-Pilze gegessen hatte, erlebte er in den folgenden acht Monaten teils heftige und beängstigende Flashbacks. Die Symptome beinhalteten die typischen Effekte von Halluzinogenen. Nachdem er seinen Cannabiskonsum eingestellt hatte, nahmen die Flashbacks zunächst ab, traten dann aber sechs Monate später wieder auf. Erst nach einer medikamentösen Behandlung mit Neuroleptika und Antidrepressiva über einen Zeitraum von sechs weiteren Monaten nahmen die Symptome endgültig ab.

Dosierungsprobleme

Studien haben zwar zeigen können, dass Psilocybin keine ernsthaften körperlichen Komplikationen bewirkt, die psychischen können aber gravierend sein und haben auch schon zu tödlichen Unfällen aufgrund von leichtsinnigem Verhalten geführt. Die Intensität der Wirkung der Zauberpilze hängt in erster Linie davon ab, wie hoch die eingenommene Dosis ist. Doch der Wirkstoffanteil in den Psilocybin-haltigen Pilzen ist ungewiss und kann zudem stark schwanken. Der Trip schwankt dann zwischen leichten „Optiken“ und völliger „Verpeilung“. Zudem ist nicht auszuschließen, dass manche Personen empfindlicher auf Psilocybin reagieren als andere.

 


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