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August 2024
Für wenige Minuten steigt die Stimmung. Das Treibmittel Distickstoffmonoxid, besser bekannt als Lachgas, wird auch zu Rauschzwecken inhaliert. Doch langfristig kann der Konsum schwere Nervenschäden verursachen. Taubheitsgefühle oder Missempfindungen sind erste Warnhinweise.
Bild: Nowyn / photocase.de
„Das Gas macht komplett zum Zombie“, warnt der Deutschrapper Haftbefehl. Pro Tag habe er bis zu 50 Kapseln Lachgas konsumiert. Bis er auf der Bühne nur noch unzusammenhängende Sätze hervorbrachte. Immer wieder hatte er das Gleichgewicht verloren und musste das Konzert schließlich abbrechen. Eine Überdosis Lachgas sei schuld gewesen. Möglicherweise ist er aber auch durch seinen langfristigen Konsum von Lachgas geschädigt. Was ist Lachgas eigentlich, wie gefährlich ist es und was passiert im Körper?
Lachgas ist ein farbloses Gas mit süßlichem Geruch. Die chemische Bezeichnung lautet Distickstoffmonoxid, kurz N2O. Der erste dokumentierte Einsatz in der Medizin geht auf den Zahnarzt Horace Wells zurück. Wells hat Lachgas im Jahr 1844 erstmals als Narkosemittel verwendet.
Bis heute wird die schmerzstillende und betäubende Wirkung von Lachgas in der Medizin eingesetzt. Darüber hinaus wird Lachgas zu industriellen Zwecken genutzt und als Treibgas in Spraydosen oder als Aufschäummittel in Sahnespenderkapseln gefüllt.
Lachgas hat in verschiedenen geschichtlichen Perioden als Rauschmittel eine Rolle gespielt. Schon im 18. Jahrhundert soll der flüchtige Stoff auf Partys der britischen Oberschicht für Amüsement gesorgt haben. Eine weitere Periode startete in den 1960er Jahren. Das von Zahnärzten verwendete Lachgas habe sich in die Drogenszene ausgebreitet. Allerdings seien es noch vergleichsweise wenige Personen gewesen, die Lachgas konsumierten, weil es nur in relativ großen Zylindern erhältlich war.
Inzwischen ist der Konsum einfacher geworden. Lachgas wird in kleinen Sahnespenderkapseln oder in etwas größeren, aber noch handlichen Zylindern abgefüllt. Das Mittel kann legal im Spätkauf um die Ecke oder online erworben werden. Üblicherweise wird das Gas in Luftballons gefüllt, um es daraus einzuatmen. Es gibt allerdings auch riskantere Formen des Konsums.
Um die Intensität der Inhalation und damit die Wirkung zu steigern, ziehen sich manche Personen eine mit Lachgas gefüllt Plastiktüte über den Kopf. Oder sie atmen das Lachgas in den Ballon aus und daraus wieder ein. Durch den akuten Sauerstoffmangel droht allerdings Bewusstlosigkeit und Erstickungsgefahr.
Gefährlich ist es auch, Lachgas direkt aus der Kartusche zu konsumieren. Die Temperatur des rasch sich ausdehnenden Gases sinkt auf bis zu minus 55 Grad Celsius ab. Dabei können nicht nur die Lippen an der Gaskartusche festfrieren. Durch den hohen Druck kann auch das Lungengewebe Risse bekommen und Luft aus der Lunge in den Brustkorb entweichen. In der Medizin wird dann von einem Pneumothorax gesprochen. Dabei nimmt das Volumen der Lunge ab. Im schlimmsten Falle kann die Lunge ganz zusammenfallen.
Es gibt auch Fälle von Erfrierungen an den Fingern. Tückisch ist, dass Konsumierende die Erfrierung wegen der schmerzstillenden Wirkung von Lachgas womöglich nicht sofort bemerken.
Wie genau Lachgas wirkt, ist noch nicht vollständig erforscht. Das Gas scheint mehrere Bereiche und Rezeptoren im Gehirn zu beeinflussen. Ein Teil des Rauscheffekts kann auch eine Folge des Sauerstoffmangels sein. Medizinisches Lachgas wird in der Regel in einem bestimmten Mischungsverhältnis mit Sauerstoff verabreicht. Beim Konsum zu Rauschzwecken wird Lachgas aber meist unverdünnt eingeatmet.
Wird Lachgas inhaliert, tritt nach wenigen Sekunden ein Rausch ein. Konsumierende fühlen sich entspannt, leichte Euphorie macht sich breit. Die Wahrnehmung und das Gefühl für Raum und Zeit verändern sich. Die Effekte werden als traumähnlich oder psychedelisch beschrieben. Die veränderte Wahrnehmung kann auch Halluzinationen nach sich ziehen. Der Rauschzustand hält allerdings nur wenige Minuten an. Das veranlasst Konsumierende meist dazu, den Konsum mehrmals pro Session zu wiederholen.
Häufige Nebeneffekte sind leichte Kopfschmerzen und Schwindel. Typischerweise sind Konsumierende kurzzeitig desorientiert und haben Koordinationsstörungen, wodurch das Risiko für Stürze steigt. Manchen wird schlecht oder müssen sich übergeben. Wird die Person bewusstlos, kann sie sich nicht nur im Sturz verletzten, auch besteht das Risiko, am Erbrochenen zu ersticken.
In den Medien finden sich Berichte von Personen, die sich schwer verletzt haben oder an den Folgen gestorben sind. So berichtet „Der Spiegel“ von einem 16-Jährigen, der unter dem Einfluss von Lachgas auf S-Bahngleise gestürzt ist, von der Bahn überrollt wurden und sich schwer am Bein verletzte. In einem weiteren Fall konsumierte eine 24-Jährige mehrere Flaschen Lachgas am Tag, verletzte sich das Bein mit dem Gas, konnte zwei Wochen nicht laufen und verstarb an einer Lungenembolie.
Einer Befragung zufolge gibt es TikTok-Challenges, in denen es darum geht, unter dem Einfluss von Lachgas Auto zu fahren. Durch die genannten Koordinationsstörungen besteht dann ein sehr hohes Unfallrisiko. Für Deutschland gibt es keine Zahlen zum Lachgaskonsum im Straßenverkehr. Aus den Niederlanden ist aber bekannt, dass sich seit 2019 über 1.800 Verkehrsunfälle ereignet haben, in denen Lachgas eine Rolle gespielt haben soll.
Die meisten Effekte verschwinden nach wenigen Minuten. Häufiger Konsum kann jedoch gravierende Nervenschäden verursachen. Der Grund ist ein Mangel an Vitamin B12. Denn Lachgas verändert die Molekülstruktur des Vitamins. Es wird dadurch inaktiviert und kann seine lebenswichtigen Aufgaben im Körper nicht mehr erfüllen.
Vitamin B12 ist unter anderem an der Bildung der Myelin-Scheide beteiligt. Die Myelin-Scheide isoliert die Nervenfasern und sorgt dafür, dass Nervenimpulse effizient weitergeleitet werden. Außerdem wird Vitamin B12 benötigt, um die Bausteine der DNA herzustellen.
Ein Mangel an Vitamin B12 kann sich unterschiedlich äußern. Häufig kommt es zu einer Schädigung des Rückenmarks und der peripheren Nerven. Das kann sich anfänglich durch Missempfindungen bemerkbar machen wie Kribbeln in Händen oder Füßen oder das Gefühl, als würden kleine Nadeln in die Haut piksen. Bei fortschreitender Schädigung kommt es zu Taubheitsgefühlen und Muskelschwäche in den Beinen bis hin zu Gangstörungen. In manchen Fällen werden Betroffene inkontinent, nässen sich also unkontrolliert ein.
Auch weniger eindeutige Symptome wie geistige oder psychische Probleme können auftreten. So können auch Paranoia, Wahnvorstellungen und Halluzinationen ebenfalls Ausdruck eines Vitamin B12-Mangels sein.
Bei den meisten Betroffenen lassen die Beschwerden durch eine Behandlung zwar wieder nach oder können zumindest gelindert werden. Die Erholung kann aber Monate in Anspruch nehmen. Studien legen nahe, dass bei mehr als einem Drittel der Personen, die wegen ihres Lachgaskonsums im Krankenhaus behandelt werden, Folgeschäden noch mehreren Monate anhalten. Manche Betroffene sind sogar dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen.
Das Risiko für Folgeschäden steigt zwar mit zunehmendem Konsum an, doch das sollte nicht zu der Annahme verleiten, dass es unbedenklich sei, ab und an eine Kapsel Lachgas zu inhalieren. Auch bei Personen, die nur gelegentlich über das Jahr verteilt Lachgas konsumieren, wurden Nervenschäden beobachtet. Gefährdet sind vor allem Menschen, die ohnehin wenig Vitamin B12 aufnehmen. Das trifft zum Beispiel auf Personen zu, die sich vegan ernähren, sofern sie keine Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Allerdings können auch zusätzlich eingenommene Vitamin-B12-Präparate nicht sicher vor den neurotoxischen Folgen von Lachgas schützen.
Wichtig zu wissen ist, dass der Vitamin B12-Spiegel bei einem solchen Mangel weiterhin im Normalbereich liegen kann. Denn genau genommen fehlt das Vitamin B12 nicht, sondern ist nur inaktiv. Verlassen sollte man sich eher auf Laborwerte, die auf einen sogenannten „funktionalen“ Mangel hinweisen, wie ein erhöhter Homocystein-Spiegel oder Methylmalonsäure-Spiegel.
Der Konsum von Lachgas löst einen nur wenige Minuten anhaltenden Rausch aus. Konsumierende fühlen sich leicht euphorisch. Lachgas verursacht auch kurzfristige Koordinationsstörungen. Bei Überdosierungen drohen Bewusstlosigkeit und damit einhergehend, sich bei Stürzen zu verletzen oder an Erbrochenem zu ersticken.
Die gravierendste Folge sind Nervenschäden. Betroffen sind zumeist das Rückenmark und die peripheren Nerven. Missempfindungen wie Kribbeln in den Händen oder Füßen bis hin zu Taubheitsgefühlen und Gangstörungen können die Folge sein. Grund ist die Inaktivierung von Vitamin B12 durch Lachgas. Das Risiko steigt zwar mit der Häufigkeit des Konsums, auch bei gelegentlichem Konsum wurden allerdings schon Nervenschäden beobachtet. Schon leichte Taubheitsgefühle oder Missempfindungen sind erste Warnhinweise.
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