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Kokain - der schnelle Kick mit Folgen

Juni 2022

Nach dem Hoch kommt bekanntlich das Tief. Bei Kokain kommt es besonders schnell, denn die Wirkung ist von vergleichsweise kurzer Dauer. Oft wird „nachgelegt“. Manche Konsumierende beschreiben ihren Konsum zwar als kontrolliert. Sie gehen jedoch erhebliche gesundheitliche Risiken ein, Abhängigkeit inklusive.

Bild: Ziviani / istockphoto.com

67 Euro kostet das Gramm. Das ist nicht etwa der aktuelle Goldpreis. Der liegt nur bei etwa 57 Euro. Nein, so viel kostet auf der Straße gehandeltes Kokain im Schnitt. Im Vergleich dazu ist ein Gramm Marihuana schon für rund 11 Euro zu haben. Kokain umgibt wohl nicht zuletzt wegen seines Preises den Hauch der Exklusivität.

Doch so exklusiv scheint der Kreis der Konsumierenden nicht zu sein. Analysen von Kokainrückständen im Abwasser deuten auf einen zunehmenden Konsum in Europa hin. Auch die Anzahl an Personen, die eine Suchtbehandlung wegen ihres Kokainkonsums aufsuchen, weist eine ansteigende Tendenz auf. Warum ist Kokain so attraktiv für Konsumierende und welche Risiken gehen sie ein?

Kokain steigert den Dopamin-Spiegel um bis zu 1.000 Prozent

Meist wird die kristalline Droge fein zerhackt als „Line“ durch die Nase geschnupft. Schon nach wenigen Minuten setzt die Wirkung ein. Müdigkeit ist wie weggeblasen, die Laune steigt. Kokain hat einen stimulierenden, also aufputschenden Effekt.

Die aufputschende Wirkung des Kokains beruht im Wesentlichen auf der Aktivierung von Nervenzellen, an denen die NeurotransmitterDopamin, Serotonin und Noradrenalin ihren Dienst verrichten. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die zwischen den Nervenzellen wandern und elektrische Signale von einer Nervenzelle zur anderen weiterleiten. Nach getaner Arbeit werden Neurotransmitter von der ursprünglichen Nervenzelle wieder aufgenommen.

Und genau hier setzt die Wirkung von Kokain an. Die Droge verhindert die Wiederaufnahme der Neurotransmitter. Die Folge ist eine massive Stimulation des zentralen Nervensystems. Konsumierende erleben Euphorie und fühlen sich selbstbewusster. Soziale und sexuelle Hemmungen verlieren an Bedeutung.

Die Kehrseite der Medaille: Kokain macht Lust auf mehr. Der Dopamin-Spiegel kann um 1.000 Prozent steigen und lässt unser Belohnungssystem im Gehirn auf Hochtouren arbeiten. Doch die Wirkung ist nur von kurzer Dauer. Nach etwa 30 Minuten ist der Spaß vorbei. Nach dem Hoch folgt ein Tief, das bei Konsumierenden den starken Wunsch auslösen kann, den Rausch durch „Nachlegen“ – also erneutem Konsum – zu verlängern.

Kokain macht schnell süchtig

Durch die schnelle Abfolge von Euphorie und depressiven Gefühlen ist die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung bei Kokain vergleichsweise hoch. Einschätzungen von Expertinnen und Experten zufolge steht Kokain auf einer Rangliste der am stärksten süchtig machenden Drogen auf Platz zwei, direkt hinter Heroin.

In einer 2021 in Deutschland durchgeführten Online-Befragung haben zwar die Hälfte der Befragten ihren Konsum als „kontrolliert“ bezeichnet, jede fünfte Person gab aber zu, exzessiv oder zwanghaft zu konsumieren. Bei dem Einen oder der Anderen ist der als kontrolliert empfundene Konsum vielleicht auch nur eine Vorstufe hin zur Abhängigkeit.

Besonders gefährdet für eine Abhängigkeit sind Personen, die nicht zufrieden sind mit sich oder die gerne stärker und selbstbewusster sein wollen. Generell besteht die Gefahr der Abhängigkeit vor allem dann, wenn die Droge bestimmte Funktionen erfüllt, also dazu benutzt wird, um beispielsweise eine schlechte Stimmung zu vermeiden oder andere subjektiv empfundene Defizite auszugleichen.

Ein funktionalisierter Konsum liegt auch dann vor, wenn Kokain für Alltägliches genutzt wird. Das kann bei der Arbeit sein, um mehr Leistung zu bringen oder um weniger Langeweile bei Alltagsroutinen zu empfinden. Auch der Kokainkonsum zur Reduktion des Gewichts oder um das Lustempfinden beim Sex zu steigern, birgt die Gefahr, sich an den Kick zu gewöhnen. Erfahrungen aus der Suchhilfe legen nahe, dass besonders die Kombination von Kokain und Glücksspiel riskant ist. Betroffene riskieren, sich im Rausch hoch zu verschulden.

Risiko eines Rückfalls bei Abhängigkeit von Kokain

Woran erkenne ich, dass ich süchtig bin nach Kokain? Eine Abhängigkeit wird vor allem dann sichtbar, wenn die Substanz abgesetzt wird und Entzugssymptome sich bemerkbar machen. Betroffene fühlen sich müde, lustlos und depressiv. Vor allem erleben sie ein starkes Verlangen nach der Droge, das als Craving bezeichnet wird.

In Tierexperimenten konnte nachgewiesen werden, dass sich das Gehirn nachhaltig an den Konsum anpasst. In einer Studie mit Rhesusaffen waren diese Hirnveränderungen noch einen Monat nach dem Absetzen der Droge nachweisbar. Ratten, die in einer Studie kokainabhängig gemacht und für 60 Tage auf Entzug gesetzt wurden, zeigten sofort wieder ein exzessives Konsumverhalten, wenn ihnen erneut Zugang zu Kokain gewährt wurde. Regelmäßiger Kokainkonsum scheint offenkundig eine Art „Suchtgedächtnis“ zu bilden. Dies erklärt, warum es Kokainabhängigen so schwerfällt, auf die Droge zu verzichten und sie häufig rückfällig werden.

Erste Anlaufstelle für Kokainabhängige ist die Suchtberatung. Anders als bei der Therapie einer Opiatabhängigkeit gibt es keine Medikamente für den Entzug von Kokain. Kokainabhängige müssen lernen, mit dem Suchtdruck umzugehen. Sie müssen ihre Selbstkontrolle stärken, um dem Craving zu widerstehen und dauerhaft standhaft zu bleiben. Dabei helfen Psychotherapie und Selbsthilfegruppen.

Hohes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall durch Kokain

Meist vergehen jedoch einige Jahre zwischen dem Einstieg in den Konsum und dem Aufsuchen von Hilfe für den Ausstieg. Jahre, in denen Konsumierende hohe gesundheitliche Risiken eingehen. Denn Kokain bringt den Körper an seine Grenzen. Das Herz pumpt im Akkord, der Blutdruck steigt. Kokain führt dem Organismus keine Energie zu, sondern zwingt den Körper, seine Reserven auszubeuten.

Als Folge steigt das Herzinfarktrisiko. Einer Studie aus den USA zufolge gehen rund eine Viertel aller nicht tödlich verlaufenen Herzinfarkte im Alter zwischen 18 und 45 Jahren auf das Konto von Kokain. Zudem steigt das Risiko eines Schlaganfalls, bei dem es zu Blutungen im Gehirn kommt. Unmittelbar nach dem Konsum von Kokain ist das Schlaganfallrisiko um mehr als das 5-fache erhöht.

Mischkonsum mit Alkohol besonders gefährlich

Häufig wird zusätzlich zum Konsum von Kokain noch Alkohol getrunken. Konsumierende zielen darauf ab, die Rauscherfahrung zu intensivieren. Der Mischkonsum ist jedoch mit erhöhten Risiken verbunden. Durch Abbauprozesse entsteht im Körper eine neue Substanz, die als Cocaethylen bezeichnet wird. Diese Substanz hat eine ähnliche Wirkung wie Kokain, wird aber langsamer vom Körper abgebaut. Die Giftigkeit von Cocaethylen wird noch höher eingeschätzt als die von Kokain. Das Risiko, an einer akuten Überdosis Kokain und Alkohol zu sterben, wird 18- bis 25-fach höher eingeschätzt als wenn Kokain allein konsumiert wird.

Gefährliche Verschnittstoffe in Kokain

Auch wer nur Kokain konsumiert, betreibt Mischkonsum. Denn bis das weiße Pulver beim Kleindealer den Besitzer wechselt, ist es in der Regel mehrfach verschnitten worden. Straßenkokain hat einen Reinheitsgehalt von etwa 53 bis 68 Prozent. Teils kommen vergleichsweise harmlose Verdünnungsmittel wie Zucker oder Stärke zum Einsatz. Allerdings werden oft auch pharmakologisch wirksame Streckmittel hinzugefügt, um die Wirkung der verdünnten Droge zu steigern oder um die Wirkung von Kokain nachzuahmen.

Das in den letzten Jahren am häufigsten gefundene Streckmittel ist Levamisol. Levamisol wird eigentlich in der Tiermedizin gegen Parasiten eingesetzt. Wird Levamisol über einen längeren Zeitraum eingenommen, kann es zu schweren Nebenwirkungen wie der Agranulozytose kommen. Dabei handelt es sich um eine lebensgefährliche Bluterkrankung, bei der die Granulozyten zerstört werden. Granulozyten sind eine Unterart der Leukozyten und für das Immunsystem des Körpers wichtig. Werden sie zerstört, können sich in der Folge bakterielle oder virale Infektionen rapide ausbreiten und so zum Tod führen.

Zunahme von Todesfällen

In den meisten Ländern Europas wurde in den letzten Jahren ein Anstieg der Todesfälle durch Kokain beobachtet. 2020 sind in Deutschland 107 Menschen durch eine Überdosis Kokain oder durch Mischkonsum mit Kokain gestorben. Ein Jahr zuvor waren es 97 Todesfälle.

Allerdings ist es nicht immer leicht, Kokain als Ursache zu ermitteln. Konsumierende sterben nicht nur an einer Überdosis, sondern auch an den körperlichen Folgen des dauerhaften Konsums. Herzinfarkte und Schlaganfälle gelten als die häufigste Ursache für kokainbedingte Todesfälle. Dabei ist nicht auszuschließen, dass viele der durch Kokain verursachten Todesfälle nicht als solche erkannt werden.

Fazit

Kokain macht hellwach und hebt die Stimmung. Das Belohnungssystem im Gehirn wird massiv aktiviert. Allerdings ist die Wirkung nur von vergleichsweise kurzer Dauer. Kokain wird als schnell süchtig machende Droge eingeschätzt. Besonders gefährdet für eine Abhängigkeit sind Menschen, die unzufrieden sind mit sich selbst oder selbstbewusster sein wollen. Häufiger Konsum ist mit einem hohen Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall verbunden. Insbesondere der Mischkonsum mit Alkohol erhöht das Risiko für eine tödliche Überdosis.

 

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