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April 2008
Von Zigaretten ist bekannt, dass über 4.800 verschiedene Substanzen beim Rauchen inhaliert werden. Doch welche Substanzen werden eigentlichen beim Verbrennen von Cannabis eingeatmet - abgesehen vom THC? Ein kanadisches Forschungsteam ist dieser Frage auf den Grund gegangen und hat den Qualm, der beim Verbrennen von Cannabis entsteht, mit Hilfe von standardisierten Tests untersucht. Der Vergleich mit Zigarettenrauch zeigt auf, dass beim Verbrennen von Cannabis und Tabak im Wesentlichen die gleichen Schadstoffe entstehen. Der Unterschied liegt in der Menge einzelner Substanzen. Cannabisrauch enthält bis zu 20-mal mehr Ammoniak sowie 5-mal mehr Blausäure als der Rauch von Tabak. Diese Substanzen schädigen die Flimmerhärchen in den Atemwegen, so dass die Selbstreinigung der Bronchien beeinträchtigt wird. Dadurch erhöht sich auch die Verweildauer anderer krebserzeugender Substanzen in der Lunge. Im Rauch von Tabak wurden hingegen höhere Mengen an polyzyklischen Kohlenwasserstoffen, Formaldehyd und Nitrosaminen gefunden - allesamt Substanzen, die als krebserregend gelten.
Welche Folgen die Schadstoffaufnahme für die Lunge haben kann, zeigt eine Studie aus der Schweiz. Den Ärztinnen und Ärzten des Inselspitals in Bern ist aufgefallen, dass in den letzten Jahren häufiger junge Patientinnen und Patienten wegen eines Lungenkollaps und Lungenemphysems operiert werden mussten. Bei diesen Personen wurde eine fortgeschrittene Zerstörung des Lungengewebes festgestellt. Dabei bildet die Lunge zuerst große Blasen. Wenn die Blasen platzen kollabiert die Lunge, weil sie wegen der ausgetretenen Luft nicht mehr genug Platz zum Atmen hat.
Das so genannte bullöse Lungenemphysem komme in dieser ausgeprägten Form bei jungen Menschen, die Zigaretten rauchen, normalerweise nicht vor. Unter der Leitung von Professor Ralph Schmid untersuchte ein Forschungsteam des Inselspitals das Phänomen der schweren Lungenschäden daher im Rahmen einer zweieinhalbjährigen Studie. Darin kommt das Team zu dem Schluss, dass es einen Zusammenhang mit langjährigem intensiven Cannabiskonsum gibt. Denn bei einer Kontrollgruppe mit Personen gleichen Alters, von denen die meisten regelmäßig Zigaretten rauchen, traten keine Lungenemphyseme auf.
Eine australische Forschungsgruppe kommt in einer vergleichbaren Studie zu ähnlichen Ergebnissen. Ihren Berechnungen zufolge würde das bullöse Lungenemphysem bei Cannabiskonsumierenden rund 20 Jahre früher auftreten als bei Personen, die nur Tabak rauchen.
Welche der inhalierten Substanzen im Cannabisrauch die ausgeprägten Lungenschäden verursacht, ist noch nicht geklärt. In der Schweizer Studie wurden allerdings Cannabisfasern nachgewiesen, die aus den ungefilterten Joints direkt in die Lunge gelangen und dort als Entzündungsherde wirken. Prof. Schmid: „Die Dosis macht das Gift: Wer jahrelang regelmäßig, insbesondere täglich, Cannabis konsumiert, muss mit schweren Lungenschädigungen und Atembehinderungen rechnen.“
Wie stark Cannabis den Lungen zusetzt, dass hat eine neuseeländische Forschungsgruppe um Richard Beasley untersucht. Hier mussten sich Cannabiskonsumierende speziellen Lungenfunktionstests unterziehen und wurden mit hochauflösender Computertomografie durchleuchtet. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Kiffen den Lungen unmittelbar stark zusetzt - und zwar umso schlimmer, je mehr Joints die Testpersonen geraucht hatten. Sie kommen zu dem Schluss, dass ein Joint der Lunge in etwa so stark schade, wie zweieinhalb bis fünf Zigaretten.
Angesichts der Befunde stellt sich die Frage, ob auch das Lungenkrebsrisiko erhöht ist. Zu dieser Frage finden sich widersprüchliche Forschungsergebnisse. So hat der bereits erwähnte neuseeländische Forscher Richard Beasley in einer zweiten Studie errechnet, dass sich das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, bei Cannabiskonsum um 8 Prozent pro Konsumjahr gegenüber Personen, die nicht rauchen, erhöht. Wichtige Einflussfaktoren wie Zigarettenkonsum seien darin berücksichtigt worden. Wenn nur Zigaretten geraucht werden, erhöhe sich das Risiko hingegen nur um 7 Prozent pro Konsumjahr. Ein Kritikpunkt an der Studie ist allerdings die vergleichsweise kleine Stichprobe von 79 Lungenkrebspatientinnen und -patienten.
In einer deutlich größeren Stichprobe von 611 Patientinnen und Patienten, die an Lungenkrebs erkrankt sind, kam hingegen ein US-Amerikanisches Forschungsteam um Donald Tashkin zu einem gegenteiligen Ergebnis. Selbst bei jenen Personen, die mehr als 20.000 Joints in ihrem Leben geraucht hatten, konnte kein erhöhtes Lungenkrebsrisiko festgestellt werden.
Eine endgültige Aussage zum Zusammenhang von Lungenkrebs und Cannabiskonsum steht somit noch aus. Womöglich ist dies aber auch nur eine akademische Frage. Denn wenn der Joint mit Tabak vermischt wird oder Cannabiskonsumierende zusätzlich Zigaretten rauchen, besteht ohnehin ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko.
Da Cannabis illegal ist und insofern auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird, besteht zusätzlich das Risiko, dass giftige Streckmittel hinzugefügt werden. Berichten zufolge werde Marihuana unter anderem mit Zucker oder Quarzsand gestreckt. Extrem gefährlich sind erstmals in Leipzig bekannt gewordene Fälle, in denen Marihuana mit Bleispänen gestreckt wurde. Das so gestreckte Marihuana kann zu einer akuten Bleivergiftung führen. Folgende Anzeichen zeigen sich bei einer akuten Bleivergiftungen: Blasse Hautfarbe, Magen-Darm-Beschwerden, schwere Bauchkrämpfe ("Bleikolik"), langsamer Puls, hoher Blutdruck. Da sich Blei in allen Geweben anlagert und nicht wasserlöslich ist, wird es ohne spezielle Medikamente sehr schlecht wieder ausgeschieden. Eine chronische Vergiftung ist die Folge. Betroffenen wird geraten, sich bei Verdacht ärztlich untersuchen zu lassen. In allen Fällen wird die ärztliche Schweigepflicht gewahrt.
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