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Februar 2020
„Los Narcos“ seien schuld, sagen die Einheimischen. Forscherinnen und Forscher haben ebenfalls nachweisen können, dass der illegale Kokainhandel in erheblichem Maße zum Verlust des Regenwaldes beiträgt.
Bild: Brasil2 / istockphoto.com
Der Anblick schockierte sie. Wo früher ein üppiger Regenwald die Landschaft bedeckte, erblickte die Geologin Kendra McSweeney nun riesige Lichtungen. Vor einigen Jahren lebte sie für eine Weile in der Region La Mosquitia im zentralamerikanischen Honduras. Als sie Einheimische nach den Gründen für die fortgeschrittene Entwaldung fragte, hörte sie immer nur: „Los narcos.“ Drogenschmuggler seien verantwortlich. Wie kann das ein? Das geschmuggelte Kokain wird weiter im Süden angebaut. Warum sollten Bäume für den Drogenhandel gefällt werden?
McSweeney ist der Sache nachgegangen und hat zusammen mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Daten über die Entwicklung des Waldes in den sechs zentralamerikanischen Ländern Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama ausgewertet. Dabei benutzte das Team vorhandene Daten über die globale Entwicklung von Waldflächen aus den Jahren 2000 bis 2014.
Darüber hinaus sammelte das Team akribisch Informationen über den internationalen Drogenschmuggel. Das Forschungsteam hat es sich zur Aufgabe gemacht, beide Datenquellen miteinander zu verknüpfen, um den Verlust von Waldflächen in bestimmten Regionen mit den örtlichen Aktivitäten der Drogenkartelle abzugleichen.
Den Hintergrund liefert der von den USA angeführte „War on Drugs“. So habe die Bekämpfung des Drogenhandels nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen zu einer Verschiebung der Schmuggelrouten geführt und den Drogenhandel in abgelegene Regionen gedrängt, in denen die jeweiligen Regierungen wenig Kontrolle ausüben.
Bis in die 1990er Jahre hätten kolumbianische Kokainschmuggler karibische Inseln wie Jamaika oder die Dominikanische Republik als Transitländer bevorzugt. Von dort sei das Kokain in die USA oder nach Europa weitertransportiert. Steigender staatlicher Druck habe den Drogenhandel zunächst in Richtung Mexiko verschoben. Das Kokain sei zumeist in Booten direkt von Südamerika nach Mexiko verschifft worden, wobei zentralamerikanische Länder wie Honduras in der Regel nur für kurze Tankstopps angefahren worden seien. Seit dem Jahr 2000 und insbesondere nach 2006, als der „War on Drugs“ auch in Mexiko verschärft wurde, habe sich der Kokainschmuggel jedoch überwiegend auf die Länder Zentralamerikas verlagert.
Dafür sprechen Zahlen zu Beschlagnahmungen. Mitte der 1980er Jahre fanden über 75 Prozent der Beschlagnahmungen von Kokain in der Karibik statt und nur wenige in Zentralamerika. Im Jahr 2010 war die Situation genau umgekehrt. 80 Prozent des Kokains wurden in Zentralamerika und weniger als 10 Prozent in der Karibik beschlagnahmt. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) verlaufen inzwischen 86 Prozent des globalen Kokainhandels durch Zentralamerika.
Dies hat auch massive Auswirkungen auf die Geldströme, die seitdem Richtung Zentralamerika fließen. Der geschätzte Profit aus den Drogengeschäften beläuft sich auf etwa 6 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das ist eine Menge Geld, das gewaschen werden muss, um es wieder legal in den Verkehr bringen zu können. Bei der Geldwäsche kommt nun der Regenwald ins Spiel.
Nach Recherchen von McSweeney und ihrem Team lassen „Los Narcos“ großflächig Bäume in abgelegenen Regionen fällen, um das neu gewonnene Gelände in Agrarland umzuwandeln, beispielweise für die Viehzucht oder für Palmölplantagen. Diese Betriebe würden schließlich dazu benutzt, um illegales Geld in legales zu verwandeln. Bislang sei es aber nicht möglich gewesen, den „normalen“ Waldverlust, der durch Holzentnahme und Rodungen für den Ackerbau verursacht wird, von „anormalen“ zu unterscheiden, also nachzuweisen, dass die organisierte Drogenkriminalität im großen Stile Bäume fällt.
McSweeney und ihrem Team ist es nach eigenen Angaben erstmals gelungen, den durch andere Faktoren verursachten Waldverlust von den Rodungen, die der illegale Drogenhandel zu verantworten hat, zu unterscheiden. Anhand von Satellitendaten und einer aufwändigen Recherche von Drogenströmen konnte das Team errechnen, dass zwischen 15 und 30 Prozent des jährlichen Rückgangs an Waldbeständen in Honduras, Guatemala und Nicaragua auf das Konto der organisierten Kriminalität zurückzuführen ist. In den anderen untersuchten Ländern sei der Einfluss der Drogenkartelle auf den Waldverlust von geringerer Bedeutung.
„Wir sehen Gebiete mit geheimen Landebahnen, in denen in einem Jahr hundert Hektar abgeholzt wurden“, sagt Steven Sesnie, Erstautor der Studie. Dies sei eindeutig nicht das Werk von Kleinbauern, die Bäume eigenhändig mit der Axt fällen, um von dem neu geschaffenen Ackerland ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Das illegale Treiben der Drogenhändler bedroht auch die Lebensgrundlage vieler Menschen, die in den betroffenen Regionen von und mit der Natur leben. Zudem befinden sich viele der Gebiete in offiziellen Schutzzonen. Ein Forschungsteam um Jennifer Devine von der Texas State University hat errechnet, dass die illegale Schattenwirtschaft in Zentralamerika jährlich natürliche und kulturelle Ressourcen im Wert von mehr als 200 Millionen US-Dollar vernichtet.
Hinzu kommen die Umweltschäden, die in den Coca-Anbauländern verursacht werden. So konnte eine Forschungsgruppe um Pablo Negret anhand von Satellitendaten aus den Jahren 2000 bis 2015 nachweisen, dass der bewaffnete Konflikt zwischen kolumbianischen Regierungstruppen und Rebellen zur Abholzung des tropischen Regenwaldes beigetragen hat.
Der Anbau von Coca-Pflanzen, aus denen das Kokain gewonnen wird, war lange Zeit die größte Einnahmequelle illegal bewaffneter Gruppen. Zwar vereinbarte die kolumbianische Regierung 2016 einen Friedensvertrag mit der größten Rebellengruppe, den FARC, nach Einschätzung der Forschungsgruppe hat der Waldverlust in der Nähe von Coca-Plantagen aber noch zugenommen.
Der fortschreitende Waldverlust sei darauf zurückzuführen, dass der Einfluss und die Kontrolle der Regierung insbesondere in den abgelegenen Regionen Kolumbiens weiter abgenommen habe. In manchen Regionen würden nun andere illegale Gruppierungen und ehemalige FARC-Kämpfer versuchen, die Kontrolle zu ergreifen, was den Coca-Anbau und die Entwaldung weiter vorantreiben würden.
Der illegale Kokainhandel fördert Studien zufolge die Zerstörung des Regenwaldes. Bis zu 30 Prozent des Waldverlustes in Honduras, Guatemala und Nicaragua würden auf das Konto der organisierten Kriminalität gehen. Der von den USA angeführte „War on Drugs“ habe zu einer Verschiebung der Schmuggelrouten geführt, die lange Zeit über die Karibik und Mexiko verliefen und nun durch die Länder Zentralamerikas führen. Dadurch fließen auch die immensen Geldströme im Kokainhandel durch die Hände regionaler Drogenhändler. Die Kokainkartelle betreiben Geldwäsche, indem sie große Waldflächen roden und diese beispielsweise als Flächen für die Viehzucht oder für Palmölplantagen ausweisen.
Forscherinnen und Forscher warnen, dass der internationale Kokainschmuggel die weltweiten Bemühungen zum Schutz des Klimas untergräbt, die Artenvielfalt in den tropischen Regenwäldern bedroht und vielen Menschen in den betroffenen Regionen die Lebensgrundlage nimmt.
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