Topthema
Juli 2004
Unbestritten ist, dass ein akuter Cannabisrausch einen nicht gerade förderlichen Einfluss auf das Kurzzeitgedächtnis hat. Man vergisst, was man vor fünf Minuten gesagt hat oder weiß mitten im Satz nicht mehr, was man sagen wollte. Das Gehirn ist im Ausnahmenzustand. Mit dem Nachlassen der Wirkung jedoch, nehmen die grauen Zellen in der Regel wie gewohnt ihre Arbeit wieder auf.
Bei Konsumenten, die regelmäßig konsumieren, können sich Konzentrationsprobleme allerdings zu einer dauerhaften Begleiterscheinung entwickeln. Ein Forum-Teilnehmer auf www.cannabis-archiv.de schildert das so: „Im letzten Sommer habe ich ein bis eineinhalb Wochen ein wenig mehr gekifft als normal (2-3 Tüten/Tag), weil ich mit dem Zigaretten-Rauchen aufgehört habe. Nun bin ich seitdem ständig müde und leide ab und an unter einer Konzentrationsschwäche. Ich habe mich extra schon von einem Neurologen untersuchen lassen, aber nachdem er keine Beeinträchtigungen festgestellt hat und ich ihm das häufige Kiffen gebeichtet habe, hat er meine Probs natürlich sofort darauf geschoben. Nun habe ich schon seit geraumer Zeit den Verdacht, dass es am Kiffen lag und habe es jetzt schon seit 7 - 8 Monaten komplett eingestellt, doch die Probleme bestehen weiterhin.“
Ob dauerhaftes Kiffen auch langfristig und unumkehrbar zu Gehirnschäden führt, ist in der Forschung umstritten. Frühere Untersuchungen deuteten darauf hin, dass chronische Cannabiskonsumenten geringere Leistungen in Intelligenztests erbringen, doch viele dieser Studien weisen methodische Mängel auf, die keine eindeutigen Rückschlüsse auf den Effekt des Cannabiskonsums zulassen. Eine 2003 veröffentlichte Metaanalyse macht dies deutlich: Von den 1.014 identifizierten Studien, in denen neurokognitive Funktionen bei Cannabiskonsumenten untersucht wurden, konnten lediglich 15 methodische Kriterien erfüllen, die zuverlässige Ergebnisse gewährleisten. In ihrer Metaanalyse kommen die Autoren erstaunlicherweise zu dem Ergebnis, dass chronischer Cannabiskonsum keine gravierenden Hirnschäden nach sich zieht. „Überraschenderweise haben wir kaum Hinweise für gesundheitsschädliche Effekte (bezogen auf Hirnleistungen) gefunden. Einzige Ausnahme ist ein äußerst kleiner Effekt beim Lernen neuer Informationen“, sagte Prof. Igor Grant, Leiter der Studie.
Kann nun generell Entwarnung gegeben werden? Eine ebenfalls 2003 veröffentlichte Studie zeigt auf, dass man differenzieren muss, da möglicherweise das Alter der Konsumenten eine Rolle spielt. In der Studie wurde Ratten, die sich noch in der Pubertät befinden, 25 Tage lang eine hohe Dosis eines Cannabinoids (WIN 55,212-2) verabreicht. Es zeigte sich, dass die regelmäßige Verabreichung des Cannabinoids eine deutliche und langfristige Beeinträchtigung in Verhaltenstests ergab, in denen das Kurzzeitgedächtnis, Motivation und Aufmerksamkeit untersucht wurden. Artgenossen, die erst im Erwachsenenalter Cannabis verabreicht bekommen hatten, wiesen keine Beeinträchtigungen auf. Schlussfolgerung: In der Pubertät kann Kiffen doch dauerhafte Hirnschäden verursachen.
Was denkst du? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht, wie der oben zitierte Konsument oder wird das alles zu sehr dramatisiert?
Grant, I., Gonzalez, R., Carey, C. L., Natarajan, L.. & Wolfson, T. (2003). Non-acute (residual) neurocognitive effects of cannabis use: A meta-analytic study. Journal of the International Neuropsychological Society, 9, 679-689. PDF.
Schneider, M. & Koch, M. (2003). Chronic Pubertal, but not Adult Chronic Cannabinoid Treatment Impairs Sensorimotor Gating, Recognition Memory, and the Performance in a Progressive Ratio Task in Adult Rats. Neuropsychopharmacology, 28, 1760-1769.
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