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September 2005
Es war im Jahr 1996 als Dr. Rainer Thomasius als einer der ersten Forscher die Spur aufnahm und nach möglichen Folgeschäden des Konsums von Ecstasy beim Menschen fahndete. Am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg wurde eine Stichprobe von 107 Ecstasy-Konsumierenden untersucht, die auf Techno-Veranstaltungen für die Studie gewonnen wurden. Als Kontrollgruppe wurden weitere 52 Personen aus denselben Kontexten hinzugezogen, die entweder gar keine Drogen nahmen oder zumindest kein Ecstasy konsumierten. Gerüstet mit einem Arsenal an Untersuchungsmethoden - von psychologischen Tests über Blut-, Urin- und Haaranalysen bis hin zur Positronen-Emissions-Tomografie (PET), wurden die Freiwilligen auf „Herz und Nieren“ untersucht.
Die Messwerte der Analysen füllen ein Buch mit über 300 Seiten. Unter anderem kam bei den Untersuchungen heraus, dass 37 Prozent der Ecstasy-Konsumierenden ein so genanntes amnestisches Syndrom aufweisen. Dabei ist das Kurzzeit-Gedächtnis so stark gestört, dass von einer Beeinträchtigung der Alltagsbewältigung gesprochen werden kann. Bei Extremkonsumierenden, die bereits mehr als 500 Pillen geschluckt hatten, litten sogar 60 Prozent an Problemen mit dem Kurzzeitgedächtnis.
Trotz einiger methodischer Einschränkungen der Studie kamen die Forscher daher zu dem Schluss: Ecstasy schädigt das Gehirn. Aber tut es das auch dauerhaft und unwiederbringlich? Dieser Frage ging die Forschergruppe um Dr. Thomasius anschließend im Rahmen einer Längsschnittstudie nach. Dabei zeigte sich, dass Ecstasykonsumierende - auch ehemalige - drei Jahre nach der Erstuntersuchung noch immer unter Gedächtnisproblemen litten. „Eine Reversibilität (Umkehrbarkeit) der Gedächtnisprobleme ist wenig wahrscheinlich“, urteilt Thomasius, „denn auch zwei Jahre und drei Jahre nach Beendigung des Ecstasykonsums findet keine Erholung der Gedächtnisprobleme bei unserer Stichprobe statt.“
Ein weiteres Ergebnis der Thomasius-Studie: Je mehr Ecstasy-Pillen die Probanden der Studie insgesamt in ihrem Leben konsumiert hatten, desto stärker waren die Beschwerden ausgeprägt. Doch wie viel Ecstasy ist zuviel? Reicht schon eine Pille, um das Gehirn zu schädigen?
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der John-Hopkins-Universität in Baltimore kamen aufgrund von Tierexperimenten zu der Erkenntnis, dass bereits durch kleine Mengen Ecstasy die Verbindungen zwischen den Nervenzellen zerstört werden. Dies gelte besonders für Hirnzellen, die durch den Botenstoff Serotonin gesteuert werden. Sogar 18 Monate nach dem letztmaligen Konsum könne dies nachgewiesen werden. „Eine Sicherheitszone, innerhalb derer der Konsum der Droge ungefährlich ist, existiert meiner Meinung nach nicht“, so einer der Forscher.
In den folgenden Jahren belegten zahlreiche weitere Studien die negativen Auswirkungen von Ecstasy auf das Gedächtnis und die Alltagsbewältigung. In einer amerikanischen Studie zeigte sich beispielsweise, dass Ecstasykonsumierende bei alltäglichen Dingen wie Einkaufslisten merken schlechter abschneiden als Nicht-Konsumierende. Beim Erreichen des Geschäfts hatten sie ein Viertel mehr Dinge vergessen als die Probanden der Kontrollgruppe.
Die Forscher der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Aachen fanden in einer weiteren Studie heraus, dass Ecstasy-Konsumierende Probleme haben, Dinge gleichzeitig zu tun. Die Autoren der Studie vermuten sogar, dass der Konsum von Ecstasy zum früheren geistigen Altern führen könne.
Inzwischen ist bekannt, dass es durch den Ecstasy-Konsum vermehrt zu einer Serotoninausschüttung im Gehirn kommt. Serotonin ist ein chemischer Botenstoff im Gehirn und beeinflusst eine Reihe an Prozessen wie den Schlaf, das Empfinden von Hunger und Durst und die emotionale Stimmung. Außerdem hat der Serotoninstoffwechsel Auswirkungen auf das Lernen und das Gedächtnis. Aufgrund der genannten Forschungsergebnisse ist anzunehmen, dass der Serotoninstoffwechsel langfristig gestört wird.
Eine Bestätigung für diese Annahme fanden kanadische Forscher bei der Autopsie des Gehirns eines 26-jährigen Ecstasyabhängigen. Verglichen mit Gehirnen von Personen, die nie Ecstasy genommen hatten, war der Serotoningehalt im Gehirn des jungen Mannes um 50 bis 80 Prozent vermindert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ecstasy den Serotoninstoffwechsel im Gehirn schädigt, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar dauerhaft. „Vor allem aber schädigen die Pillen das Hirn und zwar langfristig“, so Dr. Kay Petersen, Psychologe am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf.
1. www.ecstasy-forum.de
2. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
3. www.aerztezeitung.de
4. www.aerztezeitung.de [2]
5. www.aerztezeitung.de [3]
6. www.welt.de
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