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Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf Cannabis

Oktober 2015

Kiffen wirkt nicht immer gleich. Je nach Stimmung kann die Wirkung unterschiedlich ausfallen. Und manche Personen reagieren generell anders auf Cannabis als andere. Aktuelle Studien zeigen, dass auch das Geschlecht eine Rolle spielt, wenn es um Cannabis geht.

Junger Mann raucht Joint, im Hintergrund schaut eine Frau zu

Bild: © istock.com / rez-art

Kiffen ist überwiegend Männersache. Ob im Jugendalter oder als Erwachsene, in allen Altersbereichen gibt es mehr Männer als Frauen, die kiffen. 9 Prozent aller männlichen Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren haben schon mal gekifft, aber nur 6 Prozent der Mädchen. Unter den Erwachsenen ist der Unterschied noch deutlicher. Doppelt so viele Männer wie Frauen haben in den letzten 12 Monaten zumindest einmal an einem Joint gezogen. Beim Thema Abhängigkeit beträgt das Verhältnis zwischen Männern und Frauen sogar 4:1. Es sind also 4-mal mehr Männer als Frauen abhängig von Cannabis.

Die Männerdominanz setzt sich auch in der Forschung fort. In Studien zum Thema Cannabis werden überwiegend Männer untersucht. Die Folge ist, dass die Ergebnisse nur bedingt für Frauen gelten. „Der Einfluss des Geschlechts wird immer noch routinemäßig ignoriert oder außen vor gelassen, auch wenn beide Geschlechter in einer Studie berücksichtigt werden“, bemängeln die italienischen Forscherinnen Tiziana Rubino und Daniela Parolaro. In ihrem Fachartikel kommt das Forschungsteam jedoch zu dem Schluss, dass Männer und Frauen durchaus unterschiedlich auf Cannabis reagieren.

Angst und Cannabis

Nach Recherchen der Forscherinnen gibt es Hinweise, dass täglicher Cannabiskonsum bei Frauen mit einer 5-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Angststörung in Zusammenhang steht. Bei Männern, die täglich kiffen, gelte dies nicht. Generell würden Frauen häufiger unter psychischen Erkrankungen leiden, die eher nach innen gerichtet sind, erläutern Rubino und Parolaro. Dazu zählen neben Angststörungen auch Depressionen. Männer würden hingegen häufiger an Störungen leiden, die nach außen gerichtet sind, wie beispielsweise gesteigerte Aggressivität oder Impulsivität.

Ein von Konsumierenden oftmals unterschätztes Risiko ist die Entwicklung einer Cannabisabhängigkeit. Das Risiko ist vor allem dann hoch, wenn Kiffen dazu benutzt wird, um unangenehme Gefühle oder schwierige Alltagssituationen besser „bewältigen“ zu können. Studien zeigen beispielsweise, dass Kiffer mit einer Angststörung häufiger dem Verlangen nach Cannabis nachgeben. Da kiffende Frauen häufiger von einer Angststörung betroffen sind, könnte diese ein Motor dafür sein, dass die Abhängigkeitsentwicklung bei ihnen schneller voranschreitet.

Teleskop-Effekt bei Frauen

Tatsächlich gibt es in der Forschung Hinweise auf einen so genannten Teleskop-Effekt bei Frauen. Ebenso wie beim Blick durch ein Teleskop weit entfernte Dinge näher herangeholt werden, würde sich die Abhängigkeit bei Konsumierenden schneller entwickeln, wenn sie weiblich sind. Doch warum ist das so?

Da die Forschung zu den geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Cannabiskonsums noch jung ist, gibt es hierzu nur erste Hinweise. Einer stammt aus einer Studie aus dem Jahre 2014, an der 35 Männer und 35 Frauen beteiligt waren. Beide Gruppen waren im Schnitt 27 Jahre alt und kifften für gewöhnlich täglich mehrere Joints. Die Forscherinnen Ziva Cooper und Margaret Haney wollten mit ihrer Studie herauszufinden, ob Cannabis bei Männern und Frauen unterschiedlichen wirkt.

Kiffen nach Protokoll

Dazu mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer streng nach Protokoll kiffen, damit für alle die gleichen Bedingungen gelten: 5 Sekunden inhalieren, 10 Sekunden halten, ausatmen und 40 Sekunden warten bis zum nächsten Zug. Diese Prozedur wurde bis zu 7-mal wiederholt. Zu rauchen gab es entweder aktiven Cannabis mit einem THC-Gehalt zwischen 3 und 5 Prozent oder einen Placebo-Joint mit inaktivem Cannabis, der kein THC enthielt. Weder die Versuchspersonen noch die Leitenden der Untersuchung wussten, wer was bekommt.

Auf Ebene der körperlichen Effekte zeigten sich zunächst keine Unterschiede: Nach dem Rauchen von aktivem Cannabis nahm der Herzschlag sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu. Bei der subjektiven Einschätzung der Wirkung zeigten sich hingegen Differenzen. Frauen gaben unter der Wirkung von THC-haltigem Cannabis häufiger als Männer an, dass sie die Wirkung mögen und sie die Rauscherfahrung gerne wiederholen würden. Bei der Bewertung von inaktivem Cannabis gab es hingegen keine Geschlechtsunterschiede.

Frauen reagieren sensibler auf Cannabis

Die Ergebnisse der Studie legen somit den Schluss nahe, dass Frauen sensibler auf die Wirkung von Cannabis reagieren und empfänglicher sind für weiteren Konsum. Nach Meinung der Forscherinnen sei dies eine mögliche Erklärung dafür, warum Frauen nach dem ersten Joint schneller eine Cannabisabhängigkeit entwickeln als Männer.

Unterstützt wird diese Vermutung durch Tierversuche mit Ratten, wie die italienischen Forscherinnen Rubino und Parolaro in ihrer Übersichtsarbeit berichten. THC wird im Körper unter anderem zu 11-OH-THC umgewandelt. Diese Substanz ist ebenfalls psychoaktiv. Weibliche Ratten produzieren beim Abbau von THC mehr 11-OH-THC als ihre männlichen Artgenossen. Zudem sei eine verstärkte Aktivität an den Cannabisrezeptoren im Gehirn zu beobachten. Wenn sich diese Befunde auch bei Menschen bestätigen, könnten diese Beobachtungen die neurophysiologischen Grundlagen für den Teleskop-Effekt sein, schreiben die Forscherinnen.

Fazit

Unter den Cannabiskonsumierenden sind Männer zwar in der Mehrheit, Studien deuten aber darauf hin, dass Frauen schneller eine Abhängigkeit entwickeln, nachdem sie in den Konsum von Cannabis eingestiegen sind. Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass Frauen sensibler auf Cannabis reagieren. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass dieser Umstand möglicherweise auf Unterschiede beim Abbau von THC zurückgeht sowie auf Differenzen im Endocannabinoid-System.

Quellen:

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2014). Der Cannabiskonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland 2012. Köln: BZgA.
  • Cooper, Z. D. & Haney, M. (2014). Investigation of sex-dependent effects of cannabis in daily cannabis smokers. Drug and Alcohol Dependence, 136, 85-91.
  • Pabst, A., Kraus, L., Gomes de Matos, E. & Piontek, D. (2013). Substanzkonsum und substanzbedingte Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59(6), 321-331.
  • Rubino, T. & Parolaro, D. (2015). Sex-dependent vulnerability to Cannabis abuse in adolescence. Frontiers in Psychiatry, 6, Article 56.

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