Topthema
April 2015
Auf die Sorte kommt es an. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des King‘s College in London. Hochpotenter Cannabis erhöhe demnach das Psychoserisiko, Haschisch hingegen nicht.
Bild: © underworld / Fotolia.com
Macht Kiffen verrückt? Diese Frage wurde in zahlreichen Studien behandelt und ist bislang noch nicht abschließend geklärt. In einigen Studien wird Cannabiskonsum mit einem erhöhten Psychoserisiko in Verbindung gebracht. Eine Veröffentlichung aus dem Jahre 2007 wird in diesem Zusammenhang häufig zitiert. In einer Meta-Analyse haben der britische Forscher Stanley Zammit und sein Forschungsteam errechnet, dass der Konsum von Cannabis das Risiko für Psychose um 41 Prozent erhöht.
Allerdings gibt es auch Studien, in denen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychose angezweifelt wird. Auf der Grundlage von über 600.000 Patientendaten konnte ein Forschungsteam um Martin Frisher beispielsweise keine Hinweis auf eine erhöhte Rate von Schizophrenie in der Bevölkerung finden. Dies sei aber zu erwarten gewesen, zumal die Verbreitung des Cannabiskonsums zugenommen habe. In einer Studie aus Kanada fanden sich ebenfalls keine Hinweise darauf, dass Personen, bei denen bereits ein erhöhtes Psychoserisiko nachgewiesen wurde, häufiger psychotisch werden, wenn sie Cannabis konsumieren.
Eine kürzlich im Fachmagazin The Lancet veröffentlichte Studie hat nun einen neuen Aspekt in die Diskussion um das Psychosrisiko des Cannabiskonsums eingebracht. Demnach mache es einen Unterschied, welche Sorte Cannabis konsumiert wird. Marta Di Forti und ihr Team vom King’s College London konnten nachweisen, dass nur hochpotenter Cannabis mit einem erhöhten Psychoserisiko in Zusammenhang steht, „normales“ Haschisch hingegen nicht. Damit bestätigt das Team eine Studie aus dem Jahre 2009, in der es Hinweise darauf gefunden hat, dass ein hoher Anteil an Cannabiskonsumierenden, die an einer Psychose erkranken, eine Vorliebe für hochpotenten Cannabis haben.
Hochpotenter Cannabis zeichnet sich nicht nur durch einen hohen Anteil an THC, dem Cannabiswirkstoff, aus. Der speziell gezüchtete Hanf ist zudem arm an Cannabidiol. Das ist eine Substanz, die zwar selbst keine psychoaktive Wirkung hat, den THC-Rausch aber abmildern kann und vermutlich einen anti-psychotischen Effekt hat.
Mit ihrer neuen Studie konnte Marta Di Forti ihre früheren Ergebnisse an einer großen Stichprobe bestätigen. 410 Patientinnen und Patienten, die an einer Psychose erkrankt sind, waren an der Studie beteiligt. 370 Personen, bei denen eine Psychose ausgeschlossen werden konnte, wurden als Kontrollgruppe einbezogen. Alle Teilnehmenden wurden dazu befragt, ob sie Cannabis konsumieren und wie oft sie welche Sorte verwenden.
Durch den Vergleich von an Psychose erkrankten und gesunden Personen konnte das Forschungsteam ermitteln, ob sich die Personen hinsichtlich des Konsums von Cannabis unterscheiden. Diese Methode wird als Fall-Kontroll-Studie bezeichnet und dient dazu, mögliche Ursachen für eine Erkrankung zu erkennen. Allerdings kann damit kein Beweis dafür erbracht werden, dass der Zusammenhang tatsächlich ursächlicher Natur ist.
Das Forschungsteam kam zu dem Schluss, dass Konsumierende mit einer Vorliebe für starken Cannabis eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit für Psychose haben, als Personen, die noch nie gekifft haben. Bei täglichem Konsum von hochpotentem Marihuana stieg das Psychoserisiko sogar um das 5-fache. Weniger potente Cannabis-Sorten wie Haschisch standen hingegen nicht mit einem erhöhten Psychoserisiko in Zusammenhang. Selbst täglicher Konsum von Haschisch war kein Psychoserisiko.
„Die Ergebnisse zeigen auf, dass das Psychoserisiko bei Cannabiskonsumenten sowohl von der Häufigkeit des Konsums als auch von der Stärke des Cannabis abhängig ist. Der Konsum von Haschisch stand nicht mit einem erhöhten Psychoserisiko in Zusammenhang“, erläutert Di Forti.
Zwar seien die Ergebnisse kein Beleg dafür, dass Cannabis eine Ursache für Psychose ist, das Team hat aber Berechnungen für den Fall angestellt, dass hochpotenter Cannabis tatsächlich Psychosen verursacht. Dann wären allein in der Region um Süd-London bis zu 24 Prozent aller Fälle, in denen Personen erstmals an einer Psychose erkranken, auf den Konsum von hochpotentem Cannabis zurückzuführen. Denn die auch als „Skunk“ bezeichnete Cannabis-Sorte sei besonders verbreitet in dieser Region. Unterstützt wird diese Vermutung durch eine Studie, der zufolge sich die Anzahl der erstmals an Schizophrenie erkrankten Personen in Süd-London seit 1965 verdoppelt habe.
In einer zweiten Veröffentlichung hat das Team um Marta Di Forti noch einen weiteren kritischen Aspekt beleuchtet: Bei den Patientinnen und Patienten mit einer Vorliebe für hochpotenten Cannabis brach die Psychose früher aus, als bei Personen, die vorwiegend Haschisch konsumierten. Bei täglich Konsumierenden betrug der Unterschied 4 Jahre. Im Vergleich zu abstinenten Personen, erkranken die täglichen „Skunk“-Kiffer im Schnitt sogar 6 Jahre früher an einer Psychose.
Der Altersunterschied sei vor allem deshalb relevant, weil die Schizophrenie in der Regel erstmals bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auftritt. Die meisten von ihnen befinden sich noch in der schulischen oder beruflichen Ausbildung. Je jünger die Person ist, wenn die Psychose zum Vorschein kommt, umso stärker werden sich die negativen Auswirkungen der Erkrankung auf den persönlichen Werdegang auswirken und soziale Folgeprobleme nach sich ziehen.
Das Forschungsteam gibt jedoch zu bedenken, dass der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang auch in die andere Richtung möglich ist. So könnten Personen, die erste Symptome bei sich wahrnehmen, die Neigung entwickeln, besonders starken Cannabis zu konsumieren. Eine Studie aus den Niederlanden konnte nachweisen, dass ein derartiger Verlauf vorkommt.
Marta Di Forti hat in einer früheren Studie ebenfalls eine alternative Erklärung geliefert. Demnach ist das Risiko, an einer Psychose zu erkranken, dann besonders hoch, wenn die Person Trägerin einer bestimmten Genvariante ist. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein Forschungsteam um Robert Power. Es konnte nachweisen, dass bestimmte Gene, die bei der Entstehung der Schizophrenie beteiligt sind, auch mit einer besonderen Neigung für Cannabiskonsum in Zusammenhang stehen. Das genetisch bedingte Risiko stehe sogar in einer Dosis-Wirkungs-Beziehung zum Kiffen: Je stärker die Gene in Richtung Schizophrenie weisen, desto mehr kiffen die Betroffenen.
Auch wenn keine klare Aussage zur Verursachung möglich ist, so seien die Ergebnisse dennoch eine Warnung an alle Cannabiskonsumierenden, schlussfolgern Marta Di Forti und ihr Forschungsteam. Der Verzicht auf hochpotente Sorten könnte ein einfaches Mittel sein, um das persönliche Psychoserisiko deutlich zu senken oder den Ausbruch einer bislang verborgenen Schizophrenie zumindest auf mehrere Jahre hinauszuzögern.
Quellen:
Kommentare
Um Kommentare schreiben zu können, musst du dich anmelden oder registrieren.