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November 2013
Zigarettenrauchen schadet der Lunge. Daran gibt es keinen Zweifel. Denn beim Rauchen von Tabak werden giftige und zum Teil krebserregende Substanzen eingeatmet. Doch wie sieht es mit Cannabis aus? Ist der beim Kiffen eingeatmete Rauch genauso giftig wie der von Tabak?
Bild: Kay Fochtmann / photocase.com
Bis zu 900 Grad heiß ist die Glutzone bei einer Zigarette. Bei diesen hohen Temperaturen bilden sich zahlreiche neue chemische Verbindungen. Viele giftige Stoffe entstehen erst beim Verbrennen. Beim Rauchen von Cannabis dürfte es ähnlich heiß zugehen. Daher stellt sich die Frage, ob hierbei auch giftige Stoffe entstehen.
Ein kanadisches Forschungsteam um Studienleiter David Moir hat diese Frage untersucht und den Teergehalt von Tabak- und Cannabisrauch unter identischen Bedingungen analysiert. Dabei zeigte sich, dass abgesehen von den psychoaktiven Substanzen größtenteils die gleichen Stoffe freigesetzt werden. Einige giftige Substanzen sind im Cannabisrauch sogar in höherer Konzentration gefunden worden.
Cannabisrauch enthält bis zu 20-mal mehr Ammoniak sowie 5-mal mehr Blausäure als der Rauch von Tabak. Diese Substanzen schädigen die Flimmerhärchen in den Atemwegen, so dass die Selbstreinigung der Bronchien beeinträchtigt wird. Dadurch erhöht sich auch die Verweildauer anderer krebserzeugender Substanzen in der Lunge. Ist Cannabis womöglich sogar schädlicher für die Lunge als Tabak?
Hinweise hierauf liefert eine weitere Studie aus Kanada. Unter der Leitung von Rebecca Maertens hat ein Forschungsteam die Verbrennungsrückstände von Cannabis und Tabak auf ihre Giftigkeit hin verglichen. Das Kondensat von Cannabis sei den Ergebnissen zufolge sogar giftiger als das von Tabak. Das Team hat dies an Zellkulturen nachweisen können.
Generell würde ein Joint in etwa so viel Teer enthalten wie 2,5 bis 5 Zigaretten, heißt es in einer Studie von Richard Beasley und seinem Team. Die Forscherinnen und Forscher konnten aufzeigen, dass Cannabiskonsumierende ebenso wie Tabakraucher/-innen unter Lungenfunktionsstörungen wie pfeifendem Atem, Husten und Schleimabsonderungen leiden. Angesichts dessen wäre es naheliegend anzunehmen, dass Kiffen mindestens ebenso die Lunge schädigt wie Tabak. Die Studienlage hierzu ist allerdings nicht immer eindeutig.
Ein Forschungsteam um Mark Pletcher hat in einer Längsschnittstudie die Lungenfunktion von über 5.000 Männer und Frauen untersucht. Neben Zigarettenraucher/-innen waren auch Cannabiskonsumierende beteiligt. Das Forschungsteam maß sowohl das Lungenvolumen als auch die Geschwindigkeit, mit der die Luft ausgeblasen werden kann.
Erwartungsgemäß zeigte sich für das Zigarettenrauchen, dass die Lunge nach einigen Jahren deutlich an Kapazität verliert. Den Raucherinnen und Raucher ging im wortwörtlichen Sinne die Puste aus. Bei den Kiffern der Studie waren die Ergebnisse jedoch nicht eindeutig.
Zum Erstaunen des Forschungsteams nahm die Lungenkapazität bei moderatem Kiffen sogar in den ersten Jahren leicht zu. Die Zunahme betrug aber nur wenige Milliliter und dürfte daher kaum zu spüren sein. Erst nach 10 Joint-Jahren war eine Verschlechterung der Lungenkapazität im Vergleich zum Ausgangswert festzustellen. Ein Joint-Jahr steht für einen Joint pro Tag über ein Jahr. Bei einem Joint pro Woche wären 49 Jahre ein Joint-Jahr.
Die leichte Verbesserung der Lungenkapazität sei vermutlich darauf zurückzuführen, dass Kiffer das starke Ein- und Ausatmen trainieren, wenn sie Cannabis rauchen, erläutert Stefan Kertesz, Mitautor der Studie in einem Video auf Youtube. Auf lange Sicht und bei starkem Konsum könne die Lungenkapazität jedoch abnehmen. Auch sei zu bedenken, dass die Studie nur zwei Funktionsparameter untersucht hat. Es gäbe noch andere Lungenerkrankungen, die besonders bei langjährigem Kiffen drohen.
Eine der häufigsten Lungenerkrankungen unter Raucherinnen und Rauchern ist die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, abgekürzt COPD. Sie umfasst die chronische Bronchitis, bei der es zur Entzündung und Einengung der Atemwege kommt sowie das Lungenemphysem, das durch die Zerstörung von Lungengewebe gekennzeichnet ist.
Zwar sind die Auswirkungen des Tabakrauchens sehr gut erforscht, über den kombinierten Konsum von Cannabis und Tabak sowie die Folgen von Cannabis alleine ist jedoch vergleichsweise wenig bekannt. Eine kanadische Forschungsgruppe um Wan C. Tan ist daher der Frage nachgegangen, welchen Zusammenhang es zwischen COPD sowie dem kombinierten Konsum beider Substanzen gibt.
Dazu hat die Forschungsgruppe eine Zufallsstichprobe von 878 Personen aus Vancouver, Kanada, im Alter von 40 Jahren und älter zu ihren Rauchgewohnheiten und ihrer Krankengeschichte befragt und Atemtests durchgeführt. 53 Prozent der untersuchten Personen rauchten aktuell oder in der Vergangenheit, 46 Prozent hatten schon mal Cannabis geraucht. Zum Zeitpunkt der Studie rauchten noch 14 Prozent Tabak und/oder Cannabis.
Unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde bei 19 Prozent COPD diagnostiziert. Erwartungsgemäß ist Tabakrauchen mit einem erhöhten Risiko für COPD verbunden. Im Vergleich zu nichtrauchenden Personen haben die Raucherinnen und Raucher der Studie eine 2,7-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit an COPD zu erkranken. Das zentrale Ergebnis jedoch lautet: Das Risiko für COPD ist höher, wenn sowohl Tabak als auch Cannabis geraucht wird. Gegenüber Nichtraucherinnen und Nichtrauchern liegt das Risiko dann bei dem 2,9-fachen.
Hingegen konnte kein erhöhtes COPD-Risiko für Personen ermittelt werden, die nur Cannabis rauchen. Dies führen die Forscherinnen und Forscher allerdings auf methodische Probleme zurück, da die Stichprobe derjenigen, die nur Cannabis rauchen mit 54 Personen zu klein sei, um statistisch signifikante Effekte zu ermitteln.
Da mit dem Cannabisrauch auch krebserregende Stoffe inhaliert werden, dürfte auch das Risiko für Lungenkrebs höher sein. An einer großen Fall-Kontroll-Studie, an der mehr als 2.000 Personen teilgenommen haben, konnte dieser Verdacht allerdings nicht erhärtet werden. Erwartungsgemäß erhöhte sich die Zahl der Krebsfälle mit dem stärkeren Zigarettenkonsum. Wurde nur der Cannabiskonsum betrachtet, konnte hingegen keine erhöhte Rate an Lungenkrebsfällen beobachtet werden.
„Wir haben erwartet, dass wir unter den extrem starken Marihuana-Konsumenten - also jenen, die von 500 bis 1.000 Joints jährlich rauchen - auch eine größere Zahl an Lungenkrebs-Patienten finden", wird der Leiter der Studie, Donald Tashkin, in einem Artikel des Online-Magazins Scientific American zitiert. Selbst bei jenen, die mehr als 20.000 Joints in ihrem Leben geraucht hatten, konnte kein erhöhtes Lungenkrebsrisiko festgestellt werden. Wie kann das sein?
Eine Antwort hierauf liefert möglicherweise eine aktuelle Studie, an der rund 50.000 schwedische Rekruten teilgenommen haben. Die Stichprobe sei einzigartig auf der Welt, betont Studienleiter Russel Callaghan in einem Interview. Denn sie liefert umfassende Daten über einen Zeitraum von 40 Jahren.
Bei der Erstbefragung, die im Rahmen der Rekrutierung zur schwedischen Armee stattgefunden hat, waren die Männer zwischen 18 und 20 Jahre alt. Das Forschungsteam verknüpfte diese Daten mit den Patientenkarteien von Krankenhäusern und Sterberegistern der nachfolgenden 40 Jahre. Dies sei in Schweden möglich, da jeder Person eine individuelle Nummer zugewiesen werde. Durch die Zusammenführung der Daten aus verschiedenen Registern konnte das Forschungsteam ermitteln, ob die ehemaligen Rekruten später wegen Lungenkrebs in Behandlung waren bzw. ob und woran sie gestorben sind.
Das Forschungsteam unterteilte die Männer in Abhängigkeit vom Konsummuster, das sie zum Zeitpunkt der Rekrutierung angegeben haben. Nach dem Abgleich mit Patientenkarteien konnte das Team errechnen, dass das Rauchen von 10 oder mehr Zigaretten pro Tag das Lungenkrebsrisiko um das 5-fache erhöht. Dies war zu erwarten gewesen.
Im Mittelpunkt der Analyse stand allerdings Cannabis. Callaghan und sein Team konnten nachweisen, dass sich das Lungenkrebsrisiko verdoppelt, wenn die Rekruten bereits mehr als 50-mal gekifft hatten. Das Ergebnis blieb auch dann noch signifikant, wenn andere Einflussfaktoren wie Zigarettenrauchen oder Atemwegserkrankungen mit einbezogen wurden.
Es stellt sich daher die Frage, warum Callaghan und sein Team ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko durch Cannabisrauchen nachweisen konnten, während dies in der Studie von Donald Tashkin nicht gelang. In ihrem Fachartikel argumentieren Callaghan und sein Team, dass bisherige Studien vermutlich aufgrund methodischer Mängel nicht zu signifikanten Ergebnissen gekommen sind. Lungenkrebs sei eine Erkrankung, die typischerweise erst mit etwa 70 Jahren auftrete. In den meisten Studien seien die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jedoch deutlich jünger. Viele Fälle, in denen sich ein Lungenkrebs noch anbahnt, würden also unentdeckt bleiben.
Ist die Frage, ob Cannabis das Lungenkrebsrisiko erhöht, damit geklärt? Auch die Studie von Callaghan und seinem Team weist eine Schwachstelle auf. Weder vor noch nach der Rekrutierung wurden weitere Daten zum Konsum von Zigaretten oder Cannabis erhoben. Hall Morgenstern, ein Wissenschaftler, der ebenfalls zu diesem Thema forscht, kritisiert die Studie daher in einem Artikel der National Post. So sei nicht auszuschließen, dass die starken Kiffer später auf Zigaretten umgestiegen sind. Dann wäre das Tabakrauchen und nicht Cannabis verantwortlich für den Lungenkrebs.
Der Rauch von Cannabis enthält etwa die gleichen giftigen Bestandteile wie der von Tabak, mit Ausnahme der psychoaktiven Stoffe. Studien haben zeigen können, dass Joints sogar mehr Teer enthalten und demzufolge auch schädlicher sind als Zigaretten.
Besonders der kombinierte Konsum von Cannabis und Zigaretten würde das Risiko für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) erhöhen. Für das alleinige Rauchen von Cannabis konnte hingegen noch kein Nachweis für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko ermittelt werden, was jedoch auf methodische Probleme zurückgeführt wird.
Eine aktuelle Längsschnittstudie weist zudem darauf hin, dass sich das Risiko für Lungenkrebs bei starkem Cannabiskonsum verdoppeln könnte. Allerdings gibt es andere Studien, die auch bei starkem Konsum kein erhöhtes Lungenkrebsrisiko ermitteln konnten. Dennoch kommt die British Lung Foundation nach Durchsicht der aktuell verfügbaren Studien zu der Feststellung, dass Cannabis „ein substanzielles Gesundheitsrisiko für die Lunge“ darstellt. Cannabiskonsumierenden müsse bewusst gemacht werden, dass Kiffen aller Wahrscheinlichkeit nach die Lunge auf Dauer schädigen kann.
Quellen:
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