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Ecstasy - wie schädlich ist es wirklich?

Juni 2009

Verschieden farbige Ecstasy-Tabletten

Bild: Ecstasy-Tabletten, Drug Enforcement Administration (DEA)

Sie sind klein und bunt, haben es aber in sich. MDMA, besser bekannt als Ecstasy, ist in den 1990er Jahren vor allem als illegale Partydroge bekannt geworden. Die Droge wurde in erster Linie mit der neu entstandenen Techno-Szene und ihren oft tagelangen Raves in Verbindung gebracht. Auch die Forschung hat den neuen Trend bald aufgegriffen und begonnen, akribisch das Risikopotential der kleinen Muntermacher auszuloten. Die meisten Studien legen den Schluss nahe, dass Ecstasy das Gehirn nachhaltig schädigt. Sogar der einmalige Konsum habe einen messbaren Rückgang der kognitiven Leistungen zur Folge. Werden nun Tausende von Konsumentinnen und Konsumenten verblöden? Oder sind die Forschungsergebnisse doch übertrieben? Und was ist mit dem Mischkonsum? Eine Meta-Studie aus Großbritannien bringt nun etwas Licht in die komplexe Materie.

Schwere Hirnschäden nach einmaliger Einnahme?

Mit Ecstasy hat seit den 1990er Jahren nicht nur eine neue Partydroge, sondern auch ein neues Forschungsobjekt Einzug gehalten. Weltweit begannen Wissenschaftlerteams sich auf die Erforschung des Amphetaminabkömmlings zu konzentrieren, allerdings mit nicht immer zuverlässigen Ergebnissen. So hat es einen ziemlichen Wirbel gegeben, als George Ricaurte von der John Hopkins University in Baltimore, USA, seine Studie 2002 in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlichte. Um die Auswirkungen auf das Gehirn ging es in der Studie. Auf das Affenhirn, um genau zu sein. Zehn Affen bekamen drei Mal im Abstand von drei Stunden Ecstasy verabreicht, was in etwa der typischen Drogeneinnahme von Partygängern entsprechen sollte. Die Wirkung war jedoch heftiger als erwartet. Zwei Affen starben bereits vor Ablauf des Experiments. Die anderen Affen wiesen später erhebliche Hirnschäden auf, was das Forschungsteam umgehend zum Anlass nahm, vor den dramatischen Folgen des einmaligen Konsums zu warnen.

Doch Ricaurte und sein Team waren einem Irrtum aufgesessen. Die Begründung lieferten sie selbst in einem Widerruf, den sie ein Jahr später veröffentlichten: Sie hatten gar kein Ecstasy in der Studie verwendet. Aufgrund eines Beschriftungsfehlers enthielten die Behälter Methamphetamin, das auch als „Crystal“ oder „Ice“ bekannt ist. Bei einer derart hohen Dosis, wie sie im Experiment gespritzt wurde, wären die Folgen für die Primaten zu erwarten gewesen, schreibt das Autorenteam in seinem Widerruf.

Mischkonsum - nicht nur ein methodisches Problem

Doch die Forschung kreist weiterhin überwiegend um die Frage, wie hoch das so genannte neurotoxische Potential von MDMA ist, sprich: Wie giftig ist Ecstasy für das Gehirn? Ein Kernproblem der wissenschaftlichen Untersuchung ist jedoch untrennbar mit dem Objekt der Forschung verbunden: der Mischkonsum. Will man etwaige Folgen auf den Konsum von Ecstasy zurückführen, so müssen andere Substanzen, die ebenfalls neurotoxisch wirken könnten, ausgeschlossen werden. Doch ist das fast unmöglich. Denn Untersuchungen konnten zeigen, dass der alleinige Konsum von Ecstasy die große Ausnahme ist und Alkohol sowie andere Drogen sehr häufig zusätzlich konsumiert werden. Das allerdings ist nicht nur für die Forschung ein Problem. Vor allem Konsumentinnen und Konsumenten gehen unkalkulierbare Risiken dabei ein, wenn sie Drogen miteinander kombinieren. So hat erst kürzlich eine Studie belegt, dass der Mischkonsum von Ecstasy und Alkohol möglicherweise stärker die Leber schädigt, als Ecstasy oder Alkohol alleine.

Die renommierte Ecstasyforscherin Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank hatte 2003 auf einer Tagung der damaligen Bundesdrogenbeauftragten Marion Caspers-Merk erläutert wie die Forschung mit dem Dilemma des Mischkonsums umgeht. Um Aussagen über mögliche neurotoxische Wirkungen von Ecstasy treffen zu können, argumentiert Gouzoulis-Mayfrank, müssten „in mehreren Studien korrelative Zusammenhänge mit dem Ausmaß des Konsums von Ecstasy gefunden werden, und eben nicht genau so starke korrelative Zusammenhänge mit dem Konsum anderer Drogen.“ Das heißt, eine einzige Studie kann zwar ungenau sein in seinen Ergebnissen, wenn aber viele Studien in etwa die gleiche Tendenz aufweisen, dann könne man schon Schlussfolgerungen daraus ziehen. Nach Ansicht von Gouzoulis-Mayfrank sei die Forschung derzeit - also zum Zeitpunkt der Tagung - aber noch weit davon entfernt, um zuverlässige Aussagen über die tatsächlichen Auswirkungen des Ecstasykonsum treffen zu können.

„Die Guten ins Töpfen, die Schlechten ins Kröpfchen“

Seit 2003 wurden zahlreiche neue Studien zu den Auswirkungen des Ecstasykonsums durchgeführt. Anfang 2009 wurde die derzeit vermutlich umfangreichste Meta-Studie zu den Auswirkungen des Ecstasykonsums veröffentlicht. Gabriel Rogers und sein Team haben praktisch alle in Englisch veröffentlichten Studien zum Thema Ecstasy gesichtet und getreu dem Motto „die Guten ins Töpfen, die Schlechten ins Kröpfchen“ nur die Forschungsarbeiten in ihrer Analyse berücksichtigt, die nach wissenschaftlich soliden Kriterien gearbeitet haben. Von über 4.000 Studien, die das Thema Ecstasy bearbeitet haben, wurden nur 422 als methodisch ausreichend zuverlässig bewertet und systematisch analysiert. Genau genommen hat nur eine einzige Studie den Kriterien der höchsten Güteklasse standgehalten. Lediglich in der Langzeitstudie Netherlands XTC Toxicity (NeXT) wurden nicht nur Konsumierende, sondern auch Personen einbezogen, die zum ersten Untersuchungszeitpunkt noch kein Ecstasy konsumiert hatten, aber eine erhöhte Wahrscheinlich für den Einstieg in den Konsum aufwiesen, beispielsweise weil ein Freund oder eine Freundin Ecstasy konsumiert. Ein Teil dieser Person hat schließlich tatsächlich erstmals Ecstasy konsumiert. Somit konnten die Ergebnisse vor und nach dem Konsum verglichen werden.

Nachweislich neurotoxische Wirkung - aber nur geringer Effekt

In ihrer zusammenfassenden Bewertung aller untersuchten Studien kommt das Autorenteam zu der Schlussfolgerung, dass sich ein durchweg einheitliches Bild hinsichtlich neurotoxischer Effekte bei Ecstasy ergibt. Die meisten Studien würden die gleiche Tendenz bei den Effekten von Ecstasy aufweisen, und zwar in Richtung Neurotoxizität. Ecstasy könne demnach nachweislich Hirnzellen schädigen. So auch in der NeXT-Studie. Personen, die in den Konsum eingestiegen sind, haben ein Jahr nach der Ersterhebung signifikant schlechtere Leistungen insbesondere bei Tests zum verbalen Gedächtnis abgeliefert, als diejenigen, die abstinent geblieben sind. Allerdings sei das Ausmaß des neurotoxischen Potentials eher gering, betonen Rogers und sein Team. Die Unterschiede zwischen den Konsumierenden und den vergleichbaren abstinenten Personen seien klein und würden noch innerhalb des Bereichs liegen, der als normal betrachtet wird. Die Autorinnen und Autoren bezweifeln zudem, ob die eher geringen Effekte von Ecstasy tatsächlich Auswirkungen auf den Alltag der Konsumierenden haben.

Ein Phänomen bleibt jedoch ungeklärt: Es konnte sich keine dosisabhängige Beziehung zwischen den neurotoxischen Effekten und der Häufigkeit des Konsums feststellen lassen. Eigentlich würde man annehmen, dass eine giftige Substanz mehr Schäden anrichtet, wenn man mehr davon nimmt. Dies konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. In den meisten Studien wurde dieser Umstand dahingehend interpretiert, dass schon kleine Mengen Ecstasy oder gar der einmalige Konsum nachhaltig Nervenzellen zerstört. Rogers und sein Team drücken sich hier wesentlichen vorsichtiger aus. Sie hegen Zweifel an dieser Interpretation und geben zu bedenken, dass angesichts der kleinen Effekte auch methodische Mängel dazu führen könnten, dass sich keine klare Dosis-Wirkung-Beziehung herauskristallisiert. Beispielsweise sei es nachträglich immer schwer, die konsumierte Menge an Ecstasy genau zu bestimmen. Zudem seien in den meisten Studien nur kleine Stichproben, die womöglich nicht vollständig vergleichbar sind, untersucht worden.

Todesfälle meist durch Überhitzung verursacht

In Zusammenhang mit Ecstasykonsum wurde auch von Todesfällen berichtet. In Großbritannien wurden zwischen 1993 und 2006 jährlich im Schnitt 33 Todesfälle gezählt, in denen Ecstasy mit im Spiel war. In 17 Fällen pro Jahr sei Ecstasy die alleinige Todesursache gewesen. Diese seien vermutlich jedoch überwiegend auf eine Überhitzung und dem nachfolgendem Nieren- oder Leberversagen zurückzuführen. Besonders unter ungünstigen Bedingungen, beispielsweise in schlecht klimatisierten und heißen Räumen sowie bei starker körperlicher Beanspruchung wie es bei ausdauerndem Tanzen der Fall ist, steige die Gefahr der lebensgefährlich erhöhten Körpertemperatur.

In 10 dokumentierten Fällen ist es nach dem Ecstasykonsum zu einer tödlichen Wasservergiftung gekommen. Die ausschließlich weiblichen Konsumentinnen sind daran verstorben, weil sie zur Vermeidung einer Überhitzung zu viel Wasser getrunken hatten. Bei der Wasservergiftung kommt es zu einer so starken Verdünnung des Bluts, das sich Ödeme in Gehirn bilden können.

Auch noch Tage oder Wochen nach dem Konsum seien zudem Fälle von Leberversagen beobachtet worden. Allerdings können die Autorinnen und Autoren der Meta-Studie für diese Fälle Ecstasy nicht zweifelsfrei als alleinige Ursache ausmachen.

Ecstasy unzweifelhaft schädlich - aber weniger gefährlich als Heroin und Kokain

Etwa zeitgleich wurde eine Risikobewertung einer Gruppe von britischen Expertinnen und Experten vorgenommen, dem Advisory Council on the Misuse of Drugs, kurz ACMD. Der Rat untersteht dem britischen Innenministerium und spricht Empfehlungen zum Umgang mit und zur rechtlichen Klassifikation von Drogen aus. In Großbritannien werden Drogen ihrer Gefährlichkeit nach in drei Klassen eingeteilt. Ecstasy ist ebenso wie Heroin und Kokain in Klasse A, der höchste Stufe, eingruppiert.

Wichtigste Grundlage der Bewertung ist die Meta-Analyse von Gabriel Rogers. „Das ist die systematischste Bewertung von Ecstasy, die es je gegeben hat“, wird ACMD-Chef David Nutt auf Spiegel-Online zitiert. In seiner Schlussfolgerung kommt der Rat zur Feststellung, dass Ecstasy unzweifelhaft schädlich ist und unter bestimmten Bedingungen zum Tode führen kann. Die Überhitzung wird hier als Hauptursache genannt. Allerdings - und das ist das Pikante an dem Bericht - kommen die Expertinnen und Experten zu der Feststellung, dass eine rechtliche Einstufung in Klasse A nicht gerechtfertigt sei. Sie empfehlen vielmehr die Abstufung in Kategorie B, also auf einer Stufe mit Cannabis und Amphetaminen.

Sie begründen die Abstufung damit, dass Ecstasy angesichts der weiten Verbreitung nur selten zu Todesfällen führe und ein vergleichsweise geringes Abhängigkeitspotential aufweise. Es bestehe zudem nur ein geringes Psychoserisiko. Anders als Amphetamine und Kokain habe Ecstasykonsum selten paranoide Episoden zur Folge. Wie in der Meta-Analyse von Rogers festgestellt wurde, gibt es zwar eine langfristige Schädlichkeit für das Gehirn, das Ausmaß des neurotoxischen Effekts sei aber eher als gering anzusehen.

Der britische Expertenrat empfiehlt, dass Strategien der Schadensminimierung weiter verfolgt werden sollten. Konsumierende sollten mehr über die Risiken des Konsums aufgeklärt werden. Besonders vor Mischkonsum sowie dem Problem der Überhitzung sei zu warnen, da sich hieraus akut lebensgefährliche Komplikationen ergeben können. Party-Veranstalter und Clubbetreiber sollten stärker dazu angeregt werden, die schadensbegrenzenden Richtlinien wie sie in der britischen Kampagne Safer Nightlife genannt werden, umzusetzen.

Fazit

Auch wenn der offizielle Expertenrats des britischen Innenministeriums eine Abstufung von Ecstasy in Klasse B der mittelgefährlichen Drogen vorgeschlagen hat, darf nicht übersehen werden, dass die Schädlichkeit unzweifelhaft festgestellt wurde. Ecstasy macht nicht schlauer, aber die neurotoxischen Effekte sind nicht so dramatisch, als dass eine dauerhaft spürbare intellektuelle Einschränkung zu erwarten wäre. Allerdings beziehen sich die Ergebnisse wohlgemerkt nur auf den Konsum von Ecstasy. Der Mischkonsum mit anderen Drogen ist und bleibt ein schwer kalkulierbares Risiko.

 


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