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E-Zigaretten besonders für junge Menschen riskant

Dezember 2019

E-Zigaretten gelten zuweilen als risikoärmere Alternative zur herkömmlichen Zigarette. Inzwischen mehren sich aber die Hinweise, dass auch das „Dampfen“ von E-Zigaretten gesundheitsschädlich ist – besonders für Jugendliche und junge Erwachsene.

Mann verschwindet hinter Dampfwolke

Bild: Peruphotoart / photocase.de

Die Lunge ist ein Organ der Superlative. Mit jedem Herzschlag wird Blut durch haardünne Gefäße gepumpt, die zusammen genommen auf etwa 2.000 km Länge kommen. Rund 300 Millionen Lungenbläschen mit einer Oberfläche von insgesamt 70 Quadratmetern erledigen den lebenswichtigen Gasaustausch. „Die Lunge ist ein physiologisches Wunder“, stellt ein Forschungsteam um Jeffrey Gotts fest.

Eingeatmete Luft wird gefiltert und befeuchtet, bevor sie auf die empfindlichen Lungenbläschen trifft. Partikel wie Staub, Viren und Bakterien werden über die Schleimhaut der Atemwege wieder nach oben befördert. Werden zu viele Schadstoffe eingeatmet, können die Reinigungsmechanismen der Lunge jedoch nicht mehr richtig arbeiten, was zu Infektionen und Entzündungen führen kann. In einem Übersichtsartikel erläutern Jeffrey Gotts und sein Team die Auswirkungen von E-Zigaretten auf die Atemwege.

Erkrankungswelle in den USA in Zusammenhang mit E-Zigaretten

Das Thema E-Zigaretten hat nicht zuletzt aufgrund einer aktuellen Erkrankungswelle in den USA sowohl in der Forschung als auch in den Medien für Aufruhr gesorgt. Im Laufe des Jahres wurden bereits über 2.000 zumeist junge Patientinnen und Patienten mit Lungenproblemen in Krankenhäuser eingeliefert. Die Symptome sind unter anderem Atemnot, Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Einige der Betroffenen sind an den Folgen verstorben.

Bislang sind die genauen Ursachen noch nicht geklärt. Auffällig ist jedoch, dass alle Betroffenen E-Zigaretten konsumiert haben. Die meisten von ihnen hatten Liquids verwendet, die THC und Vitamin-E-Acetat enthalten. THC ist der Hauptwirkstoff von Cannabis. Vitamin-E-Acetat wird als Zusatzstoff in einigen THC-haltigen Liquids verwendet. Als Liquids werden die Flüssigkeiten bezeichnet, mit denen E-Zigaretten befüllt werden.

Die US-Gesundheitsbehörde CDC hat in Stichproben, die der Lunge von Erkrankten entnommen wurden, Vitamin-E-Acetat nachweisen können. Die CDC vermutet daher einen Zusammenhang zwischen Vitamin-E-Acetat und den Lungenproblemen und warnt davor, E-Zigaretten mit THC-haltigen Flüssigkeiten zu befüllen.

Allerdings sind viele unterschiedliche Chemikalien in E-Zigaretten enthalten und nach Einschätzung der CDC könne nicht ausgeschlossen werden, dass die aktuelle Erkrankungswelle mehr als nur eine Ursache hat. Unabhängig von der aktuellen Diskussion mehren sich jedoch die wissenschaftlichen Hinweise, dass E-Zigaretten auch ohne THC schädliche gesundheitliche Auswirkungen haben.

Freisetzung schädlicher Substanzen in E-Zigaretten

In der E-Zigarette wird das Liquid erhitzt, bis es verdampft. Es entsteht somit kein Rauch, sondern ein Aerosol aus feinen und ultrafeinen Partikeln. Hauptbestandteil der Liquids ist Propylenglykol oder Glyzerin. Die Liquids werden in der Regel zusätzlich mit Aromen versetzt, die es in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen gibt. Untersuchungen zeigen jedoch auf, dass das Aerosol zum Teil die gleichen giftigen und krebserregenden Substanzen enthält wie Tabakrauch, darunter Formaldehyd, Acetaldehyd, Acrolein, Blei, Chrom oder Nickel. Zwar sind die gemessenen Konzentrationen geringer als bei Tabakrauch, gerade für krebserregende Stoffe gibt es aber keinen Schwellenwert, unter dem diese als unschädlich anzusehen sind.

Eine Studie der Harvard Universität hat vor kurzem gezeigt, dass viele handelsübliche Liquids zudem Endotoxine und Beta-D-Glucan enthalten. Das sind Stoffe, die in Pilzen und Bakterien vorkommen. Eingeatmet können diese Substanzen eine giftige Wirkung entfalten und zu gesundheitlichen Problemen führen wie Asthma, reduzierte Lungenfunktion und Entzündungsprozesse.

Studien an Zellkulturen und an Tieren liefern Hinweise für Veränderungen in den Genen sowie für Entzündungsreaktionen und erhöhten oxidativen Stress. Oxidativer Stress wird durch die Bildung so genannter freier Radikale ausgelöst. Freie Radikale sind Moleküle, denen ein Elektron fehlt, wodurch sie besonders reaktionsfreudig werden. Sie „stressen“ die Zellen in unserem Körper, indem sie ihnen Elektronen entreißen. Dies kann Entzündungen bis hin zu Krebserkrankungen zur Folge haben. Studien fanden auch Belege dafür, dass E-Zigaretten bestimmte Enzyme aktivieren, die am Wachstum von Krebszellen beteiligt sind.

Krebserregende Stoffe im Urin von Jugendlichen nachgewiesen

Wie sich der Konsum von E-Zigaretten tatsächlich auf die Gesundheit auswirkt, dazu gibt es bislang zwar noch keine Erkenntnisse aus langfristigen Untersuchungen. Die aktuelle Studienlage zeigt aber mögliche Gesundheitsrisiken auf. So konnten in einer Studie aus den USA verschiedene giftige und zum Teil krebserregende Stoffe im Urin von Jugendlichen nachgewiesen werden, die E-Zigaretten konsumieren, aber keine Zigaretten rauchen.

In Studien aus den USA, aus Hong Kong und Korea konnte nachgewiesen werden, dass Jugendliche, die E-Zigaretten konsumieren, gehäuft unter chronischem Husten, Bronchitis und Asthma leiden. Zwar lassen die Studien aufgrund ihres Designs keine Schlussfolgerungen darüber zu, ob E-Zigaretten tatsächlich ursächlich Atemwegserkrankungen auslösen. Das Forschungsteam um Jeffrey Gotts betont aber, dass alle bisherigen Erkenntnisse in die gleiche Richtung weisen: Wer E-Zigaretten gebraucht, bekommt mit höherer Wahrscheinlichkeit Probleme mit den Atemwegen.

„Dampfen“ schwächt Immunabwehr der Lunge

Nach Einschätzung von Gotts und seinem Team erscheint es plausibel, dass der Dampf aus E-Zigaretten die empfindlichen Strukturen der Lunge schädigt und diese somit anfälliger wird für Infektionen und Entzündungen. Normalerweise sorgt eine spezielle Schleimhaut, die als Flimmerepithel bezeichnet wird, für die Entsorgung eingeatmeter Fremdstoffe. Feine Flimmerhärchen in der Schleimhaut bewegen sich wellenartig nach oben in Richtung des Rachens. Dadurch werden kleine Teilchen wie Staubpartikel oder Krankheitserreger Stück für Stück aus den Atemwegen heraustransportiert, bis sie in den Magen heruntergeschluckt werden können.

Beim „Dampfen“ von E-Zigaretten nimmt die Beweglichkeit der Flimmerhärchen jedoch ab, so dass der Abtransport von Partikeln nicht mehr richtig funktioniert. Dadurch können sich Viren und Bakterien ansiedeln, die wiederum Lungenerkrankungen auslösen können. Chronisches „Dampfen“ kann somit die Immunabwehr des Körpers schwächen.

E-Zigaretten sprechen besonders junge Menschen an

Problematisch ist, dass E-Zigaretten sich insbesondere unter Jugendlichen einer wachsenden Beliebtheit erfreuen. Vor allem in den USA sind hohe Zuwachsraten zu verzeichnen. Unter den Schülerinnen und Schülern der 12. Klasse war allein 2018 ein Anstieg der Konsumierenden um 25 Prozent zu verzeichnen.

In diesem Zusammenhang nimmt ein Hersteller, dessen E-Zigaretten-Produkt in Hinblick auf seine Form an einen USB-Speicherstick erinnert, eine herausragende Stellung ein. 70 Prozent aller E-Zigarettenverkäufe in den USA lassen sich im Jahr 2018 auf diesen Hersteller zurückführen. Auf dem US-amerikanischen Markt enthalten die austauschbaren Kartuschen dieser E-Zigarettenmarke vergleichsweise viel Nikotin. Aufgrund eines speziellen technischen Herstellungsverfahrens würde das enthaltene Nikotin die Atemwege zudem weniger irritieren als andere Nikotin-haltige E-Zigaretten, was die Entwicklung einer Nikotinabhängigkeit zusätzlich begünstigt.

Auch in Deutschland lässt sich ein ansteigender Trend beim Gebrauch von E-Zigaretten ausmachen. 2018 haben 12 Prozent der 12- bis 17-Jährigen und 27 Prozent der 18- bis 25-Jährigen schon mal E-Zigaretten probiert. 2012 waren es noch 9 Prozent der Jugendlichen und 18 Prozent der jungen Erwachsenen.

Risiko des Umstiegs auf herkömmliche Zigaretten

Neben den gesundheitlichen Risiken des „Dampfens“ besteht auch die Sorge des Umstiegs auf herkömmliche Zigaretten. Während beim Tabakrauchen seit Jahren ein absteigender Trend zu beobachten ist, besteht die Gefahr, dass diese positive Entwicklung durch den zunehmenden Konsum von E-Zigaretten zunichte gemacht wird.

Erste Hinweise bestätigen die Vermutung, dass Jugendliche, die mit E-Zigaretten in Kontakt kommen, mit höherer Wahrscheinlichkeit auf herkömmliche Zigaretten umsteigen. Eine US-amerikanische Längsschnittstudie mit über 2.000 Schülerinnen und Schülern kommt zu dem Ergebnis, dass ein Jahr nach der Erstbefragung 20 Prozent der Jugendlichen, die bislang nur E-Zigaretten probiert hatten, auch in das Tabakrauchen eingestiegen sind. Je häufiger die Jugendlichen bereits E-Zigaretten geraucht hatten, desto höher war die Wahrscheinlichkeit für das Tabakrauchen.

Anders als herkömmliche Zigaretten, locken E-Zigaretten und E-Shishas mit einer Vielzahl von Aromen, die vor allem Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen. So konnte eine Studie zeigen, dass Jugendliche und junge Erwachsene im Vergleich zu älteren Erwachsenen eine Vorliebe für Aromen mit Früchten und Süßigkeitengeschmack haben. Angesichts der bisherigen Erkenntnisse über E-Zigaretten warnen Expertinnen und Experten für Krebs- und Lungenerkrankungen besonders junge Menschen davor, das „Dampfen“ von E-Zigaretten als harmloses Freizeitvergnügen zu betrachten.

Fazit

Während immer weniger junge Menschen mit dem Tabakrauchen beginnen, lässt sich beim Konsum von E-Zigaretten ein ansteigender Trend ausmachen. Für Jugendliche und junge Erwachsene sind vor allem die süßen Aromen attraktiv. Zwar gibt es bislang keine langfristigen Erfahrungen zu den gesundheitlichen Risiken von E-Zigaretten, Studien zufolge werden beim „Dampfen“ aber zum Teil die gleichen schädlichen Stoffe, wenn auch in geringerer Dosis, wie beim Tabakrauchen inhaliert.

Bisherige Erkenntnisse legen den Schluss nahe, dass die Immunabwehr der Atemwege gestört wird und das Risiko für Lungenerkrankungen wie chronische Bronchitis und Asthma steigt. Zudem besteht insbesondere bei jungen Menschen das Risiko des Umstiegs auf herkömmliche Zigaretten. Das „Dampfen“ von E-Zigaretten sei somit kein harmloses Freizeitvergnügen, warnen insbesondere Expertinnen und Experten für Krebs- und Lungenerkrankungen.

 

Quellen:

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