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Juni 2019
Am 26. Juni ist Weltdrogentag. Alljährlich warnt das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung vor den schädlichen Folgen des Drogenkonsums. In erster Linie werden damit illegale Drogen angesprochen. Doch die größten gesundheitlichen Probleme werden in Deutschland vor allem durch die legalen Drogen Alkohol und Tabak sowie durch psychoaktive Medikamente verursacht.
Bild: steffne / photocase.com
2018 sind in Deutschland 1.276 Menschen an den Folgen des Konsums illegaler Drogen gestorben. Die meisten Todesfälle werden auf akute Überdosierungen von Opioiden wie Heroin oder Fentanyl zurückgeführt. Allein 629 Personen sind an den Folgen ihres Opioid-Konsums gestorben.
„Jeder einzelne Todesfall verpflichtet uns, Menschen noch besser vor den Gefahren von Drogen zu schützen und sie vor den oftmals tödlichen Folgen ihres Drogenkonsums zu retten“, erklärt Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Sie verweist darauf, wie wichtig die niedrigschwelligen Angebote der 1.500 Suchtberatungsstellen in Deutschland sind.
Suchtberatungseinrichtungen sind meist erste Anlaufstelle für Suchtkranke und ihre Angehörigen. Das von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. herausgegebene Jahrbuch Sucht informiert darüber, dass im Jahr 2017 über 20.000 Menschen Beratung wegen des Konsums von Opioiden aufgesucht haben. Das sind jedoch „nur“ 13 Prozent aller Fälle in den ambulanten Suchtberatungsstellen. Die mit Abstand größte Personengruppe in der Suchtkrankenhilfe sind Menschen, die aufgrund ihres Alkoholkonsums Beratung in Anspruch nehmen. In ambulanten Beratungsstellen waren das im Jahr 2017 allein 48 Prozent aller Fälle, in der stationären Suchthilfe sogar 69 Prozent.
Der Grund dürfte die weite Verbreitung des Alkoholkonsum in der deutschen Bevölkerung sein. Ob im Supermarkt, an der „Tanke“ oder beim Imbiss um die Ecke: Bier, Wein und Spirituosen sind an vielen Orten zu erschwinglichen Preisen erhältlich, sofern das Mindestalter für den Erwerb erfüllt ist.
Dahinter verbirgt sich eine große Gefahr, denn die leichte Verfügbarkeit einer Droge gilt als eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung einer Abhängigkeit. Dies drückt sich für Deutschland recht eindrucksvoll in Zahlen aus, denn rund 1,8 Millionen Menschen der erwachsenen Bevölkerung gelten als alkoholabhängig.
Unter den Jugendlichen ist der Alkoholkonsum erfreulicherweise rückläufig. Nur noch 9 Prozent der 12- bis 17-Jährigen trinken wöchentlich Alkohol. 2004 waren es noch 21 Prozent. Die erwachsene Bevölkerung guckt aber weiterhin zu oft zu tief ins Glas. Etwa jeder dritte junge Erwachsene hat sich im letzten Monat mindestens einmal betrunken, jeder zehnte tut es monatlich sogar viermal und häufiger. Jährlich verbraucht jede Person ab 14 Jahren im Schnitt 131 Liter an alkoholischen Getränken. Dem entsprechen etwa 11 Liter Reinalkohol. Im europäischen Vergleich zählt Deutschland damit zu den Hochkonsumländern.
Der hohe Alkoholverbrauch bleibt nicht ohne Folgen. Über das Blut verteilt sich Alkohol im gesamten Körper. Von der Leberzirrhose ber Gehirnschäden wie das Korsakow-Syndrom bis hin zu Krebserkrankungen kann Alkohol im Übermaß getrunken beinahe alle Organe schädigen. Schätzungen zufolge gehen jährlich etwa 74.000 Todesfälle auf das Konto von Alkoholkonsum oder der Kombination von Alkohol und Tabak.
Womit wir bei der nächsten Volksdroge wären: dem Tabak. Zwar ist das Tabakrauchen in der Bevölkerung rückläufig, jedoch ist der Konsum immer noch auf einem hohen Niveau. 2018 wurden in Deutschland über 74 Milliarden Zigaretten konsumiert. Laut einer aktuellen Umfrage rauchen 31 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen der erwachsenen Bevölkerung. Im Schnitt gelten 10 Prozent der Erwachsenen als tabakabhängig. Laut Hochrechnungen sind das 4,8 Millionen Menschen.
Der Erwerb von Tabakwaren ist in Deutschland zwar erst ab 18 Jahren erlaubt, die meisten Raucherinnen und Raucher sind dennoch schon als Jugendliche eingestiegen. Jugendliche sind aufgrund ihres Entwicklungsstands jedoch stärker gefährdet, eine Abhängigkeit zu entwickeln als Erwachsene. Häufig unterschätzen sie das Suchtpotential von Zigaretten. Zwar ist den meisten Jugendlichen bekannt, dass Rauchen abhängig macht. Auf ihr eigenes Rauchverhalten angesprochen, gehen viele Jugendliche jedoch von der irrigen Annahme aus, jederzeit damit aufhören zu können - wenn sie denn wollten. Doch die Forschung zeichnet ein anderes Bild: Von drei Menschen, die zum ersten Mal eine Zigarette probieren, werden zwei später zu täglichen Raucherinnen und Rauchern.
Die Folgen des Tabakrauchens sind beinahe ebenso vielfältig wie die Risiken übermäßigen Alkoholkonsums. Während es jedoch einen so genannten risikoarmen Alkoholkonsum gibt, schaden Raucherinnen und Raucher mit jedem Zug nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern gefährden auch das Wohlbefinden anderen Menschen, die dem Passivrauchen ausgesetzt sind. Geschätzt wird, dass jährlich rund 121.000 Menschen vorzeitig an den Folgen des Rauchens sterben.
Eine dritte Kategorie an legalen psychoaktiven Suchtmitteln wird ebenfalls jährlich im Jahrbuch Sucht erwähnt: psychoaktive Medikamente mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential. Um sich die Dimension des Problems vor Augen zu führen, hilft es, einen Blick auf die illegalen Drogen Cannabis, Kokain, Amphetamine, Opioide und Halluzinogene zu werfen. Bei illegalen Drogen liegt der Gedanke an eine mögliche Abhängigkeitsentwicklung vermutlich näher als bei Medikamenten. Etwa 3,6 Millionen Deutsche haben in den letzten 12 Monaten eine illegale Droge konsumiert, und bei immerhin 714.000 Personen finden sich Hinweise auf einen problematischen Konsum oder Abhängigkeit. In beinahe 9 von 10 Fällen handelt es sich um Cannabis.
Das Phänomen der Medikamentenabhängigkeit übersteigt die Zahl des problematischen Konsums illegaler Drogen allerdings um ein Vielfaches: Schätzungen zufolge gelten bis zu 1,9 Millionen Menschen als medikamentenabhängig [Quelle 4]. Die Abhängigkeit von Medikamenten verläuft meist jedoch unauffälliger als die von illegalen Drogen und ist im Alltag oft kaum wahrnehmbar, zumal es sich in der Regel um Mittel handelt, die ärztlich verschrieben werden.
Das größte Risiko geht von den Schlaf- und Beruhigungsmitteln aus. Darunter fallen die so genannten Benzodiazepine und die verwandten Z-Drugs. Diese Medikamente beeinträchtigen nicht nur die körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sondern mindern auch die Motivation, sich körperlich oder geistig zu betätigen, was vor allem für ältere Menschen als problematisch zu beurteilen ist. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für Stürze durch Unkonzentriertheit mit folgenreichen Knochenbrüchen, die bei älteren Menschen oftmals zur Pflegebedürftigkeit führen. Vom eigenmächtigen Absetzen von Benzodiazepinen ohne ärztliche Begleitung wird allerdings abgeraten, da der Entzug Panikattacken und sogar eine Entzugspsychose mit Krampfanfällen auslösen kann.
Jährlich sterben über Tausend Menschen an den Folgen des Konsums illegaler Drogen wie Heroin oder Kokain. So tragisch jeder Todesfall auch ist, gesamtgesellschaftlich betrachtet übersteigen die gesundheitlichen Folgen der legalen Substanzen Alkohol, Tabak und psychoaktive Medikamente die der illegalen Drogen um ein Vielfaches.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen fordert daher effektive Präventionsmaßnahmen wie Preiserhöhungen, Angebotsreduzierungen und Werbebeschränkungen sowie dem Verbot, Jugendlichen unter 18 Jahren Alkohol zu verkaufen. Bislang liegt die Altersgrenze für Bier und Wein bei 16 Jahren.
Quellen:
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