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Januar 2017
Jugendliche haben es nicht leicht. Plötzlich sprießen Pickel an Stellen, wo man sie nicht braucht, Eltern fangen an schwierig zu werden und die Schule stresst sowieso. Manche Jugendliche greifen in dieser Phase zu Mitteln, die mit Entspannung und guter Laune locken. Cannabis ist so ein Mittel. Doch sie tun sich damit nichts Gutes, denn Cannabis kann in die Hirnentwicklung eingreifen.
Bild: Lucas1989 / photocase.de
„Ich konnte mir Sachen schon immer gut merken, aber seit meiner grünen Phase nahm meine Konzentration extrem ab“, schreibt der User YoungG in einem Kommentar auf drugcom.de. Mit 14 Jahren habe er viel gekifft. Jetzt ist er 16. Er konsumiere schon seit ein paar Monaten nicht mehr, würde aber immer noch merken, dass es ihm schwer fällt, Sätze zu bilden oder Dinge zu beschreiben. Ob seine Konzentrationsprobleme tatsächlich vom Kiffen herrühren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Forschung unterstützt allerdings den Verdacht, dass Kiffen das Gehirn Jugendlicher schädigt und die Leistungsfähigkeit ihres Denkapparats beeinträchtigt.
In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatte zur Frage der Legalisierung von Cannabis kann der Eindruck entstehen, Kiffen sei ein harmloses Freizeitvergnügen. Vermutlich gibt es Erwachsene, die sich hin und wieder einen Joint anzünden, und keine negativen Folgen erleben. Doch für Jugendliche gelten andere Bedingungen. Ihre Entwicklung ist in vielerlei Hinsicht noch nicht abgeschlossen, so auch die Reifung ihres Gehirns.
Beim Kiffen gelangt der Cannabiswirkstoff THC über die Blutbahn ins Gehirn, wo es an den Cannabinoid-Rezeptoren andockt. Diese Rezeptoren sind jedoch nicht exklusiv fürs Kiffen da, sondern sind gewissermaßen das „Schloss“ für den körpereigenen „Schlüssel“, den Endocannabinoiden. Das Endocannabinoid-System unseres Körpers ist für eine Reihe von Körperfunktionen zuständig wie das Hungergefühl, die Fruchtbarkeit oder eben auch die Hirnentwicklung.
Das Gehirn reift von der Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter. Insbesondere in der Pubertät finden wie auf einer Großbaustelle umfangreiche Umbaumaßnahmen im Gehirn statt. Neue Verbindungen werden geknüpft und überschüssige Nervenzellen abgebaut. So ist der wohldosierte Abbau von Nervenzellen insbesondere in der Hirnrinde eine Voraussetzung dafür, dass unser Gehirn optimal funktioniert.
Dieser Reifeprozess geschieht auf der Basis der Erfahrungen, die Jugendliche machen. Das bedeutet, Nervenzellen und deren Verbindungen, die häufig verwendet werden, werden gestärkt. Netzwerke, die nicht so intensiv genutzt werden, werden hingegen zurückgebaut. Nervenzellen werden auch als graue Substanz bezeichnet, weil ihre Zellkörper gräulich wirken. Wenn Jugendliche regelmäßig Cannabis konsumieren, dann scheint THC die Reifung der grauen Substanz jedoch zu stören.
Die Forschung hat Belege dafür geliefert, dass bei jugendlichen Kiffern bestimmte Areale der grauen Substanz größer sind als bei abstinenten Jugendlichen. So wurde eine dickere Hirnrinde bei konsumierenden Jugendlichen im Bereich des präfrontalen Cortex nachgewiesen. Es hat demnach den Anschein, als wenn die Hirnentwicklung bei den Früheinsteigern stehengeblieben oder zumindest verlangsamt ist, da der präfrontale Cortex im Zuge der Hirnentwicklung für gewöhnlich dünner wird. Der präfrontale Cortex ist zuständig für höhere kognitive Aufgaben wie Beurteilen, Begründen und komplexes Denken.
Andere Hirnregionen scheinen bei jugendlichen Kiffern hingegen an Volumen abzunehmen und weniger stark vernetzt zu sein. So gibt es Hinweise, dass der Hippocampus bei jungen Kiffern kleiner ist als bei cannabisunerfahrenen Jugendlichen. Dieser Effekt tritt insbesondere bei starkem Konsum in Erscheinung. Der Hippocampus ist ein Areal mit einer besonders hohen Dichte an Cannabinoid-Rezeptoren. Aufgabe des Hippocampus ist es, neu Gelerntes in das Langzeitgedächtnis zu überführen. Personen, denen der Hippocampus vollständig fehlt, können sich nichts Neues mehr merken.
Ebenso wichtig wie die Entwicklung und Vernetzung von Nervenzellen ist die Ausbildung der so genannten Myelin-Scheide. Myelin ist eine weiße Schicht, die aus Fetten und Proteinen besteht und sich wie ein Mantel um Nervenfasern wickelt. Ebenso wie die Isolation eines Stromkabels einen störungsfreien Stromfluss ermöglicht, verbessern myelinisierte Nervenbahnen die Signalübertragung und erhöhen dadurch die kognitiven Fähigkeiten der Person. Myelinisierte Nerven werden auch als weiße Substanz bezeichnet.
In der Pubertät nimmt der Anteil myelinisierter Nervenfasern üblicherweise zu. Mehrere Studien haben bei jugendlichen Kiffern jedoch nachweisen können, dass die Myelinisierung bei ihnen weniger stark ausgeprägt ist als bei Jugendlichen, die noch keine Erfahrung mit Cannabis gemacht haben. So hat jüngst eine Studie zeigen können, dass die weiße Substanz besonders bei Jugendlichen, die wie der User YoungG schon mit 14 Jahren erstmals Cannabis konsumiert haben, schlecht entwickelt war.
Grund hierfür könnten Cannabinoid-Rezeptoren in den Zellen der Oligodendroglia sein. Diese Zellen sind zuständig für die Myelin-Produktion und scheinen durch Cannabiskonsum in der Pubertät vermehrt zugrunde zu gehen.
Zwar gibt es noch keine eindeutigen Beweise, dass Cannabis tatsächlich ursächlich diese strukturellen Veränderungen im Gehirn bewirkt, Tierversuche legen jedoch den Schluss nahe, dass der Cannabiswirkstoff THC nachhaltige Hirnveränderungen in der grauen und der weißen Substanz verursachen kann.
Was bedeuten es nun für Jugendliche, wenn ihr Gehirn in seiner Entwicklung durch Cannabis beeinträchtigt wird? Hierzu liefert eine Reihe von Studien Ergebnisse, denen zufolge die kognitiven Leistungen von cannabiskonsumierenden Jugendlichen schwächer sind, als die abstinenter Jugendlicher. Kognitive Leistungen sind geistige Fähigkeiten wie die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis oder die Intelligenz.
Eine der bekanntesten Studien zu diesem Thema untersuchte die Entwicklung der Intelligenz bei über 1.000 Personen, die von ihrer Geburt bis zum Alter von 38 Jahren begleitet und mehrfach untersucht wurden. Die Höhe der Intelligenz gibt der Intelligenzquotient wieder, kurz IQ. Im Ergebnis betrug der IQ-Rückgang bis zu acht Punkte, wenn die Personen vor dem Alter von 18 Jahren mit dem Kiffen angefangen hatten und cannabisabhängig geworden sind. Erfolgte der Einstieg als Erwachsener, war hingegen kein IQ-Rückgang nachweisbar.
Der durchschnittliche IQ liegt bei 100. Eine um acht IQ-Punkte niedrigere Intelligenz gilt bereits als unterdurchschnittlich. Nach Einschätzung des Forschungsteams bringt dieser Unterschied vermutlich langfristig Nachteile wie einen schlechteren Bildungsabschluss oder ein geringeres Einkommen.
Kritische Stimmen bemängeln zwar, dass die Frage der Bildungsbenachteiligung und andere ungünstige Umweltfaktoren nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Jedoch fügt sich die Studie ein in eine Reihe von Untersuchungen, die schlechtere kognitive Leistungen bei Personen nachgewiesen haben, wenn sie schon als Jugendliche in den Cannabiskonsum eingestiegen sind.
Bislang ist nicht abschließend geklärt, ob sich das Gehirn Jugendlicher auch wieder erholen kann. Es gibt zwar erste Hinweise auf eine mögliche Erholung der kognitiven Leistungen, jedoch scheint die Erholung umso schwächer auszufallen, je früher Jugendliche angefangen haben zu kiffen und je intensiver der Konsum war.
Jugendliche befinden sich in einer wichtigen Phase ihrer Entwicklung. Vieles ändert sich. Auch im Gehirn bilden sich neue Strukturen, an denen das körpereigene Endocannabinoid-System beteiligt ist. Kiffen Jugendliche, so scheint der Cannabiswirkstoff THC ungünstig in die Entwicklung des Gehirns einzugreifen. Zwar ist noch nicht vollständig geklärt, ob THC tatsächlich ursächlich zu diesen Veränderungen beiträgt. Versuche an Tieren legen diesen Schluss aber nahe.
Damit einher gehen auch schlechtere kognitive Leistungen, wie eine schlechtere Merkfähigkeit. Dies kann Auswirkungen auf die schulischen oder beruflichen Leistungen haben. Bislang ist noch nicht abschließend geklärt, ob sich das Gehirn bei Abstinenz wieder vollständig erholt. Für Jugendliche gilt daher, dass der Konsum von Cannabis generell höhere Risiken nach sich zieht als bei Erwachsenen. Daher ist Jugendlichen zu empfehlen, ganz auf den Konsum zu verzichten.
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