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Juni 2024
Die Meisten tun es nur gelegentlich, manche aber regelmäßig, ein Teil von ihnen sogar täglich. Es geht ums Kiffen. Bedeutet täglicher Cannabiskonsum automatisch abhängig zu sein? Woran erkenne ich, dass ich abhängig bin?
Bild: William Casey / Fotolia.com
„Es ist ja nur Gras“, hatte sich Patrick eingeredet, „es ist ja nicht sowas wie Heroin oder Kokain“. Patrick konnte sich lange nicht vorstellen, dass Cannabis abhängig machen kann. „Aber dabei habe ich an einem freien Tag auch mal fünf Gramm weggehauen.“ Beim Versuch, den Cannabiskonsum einzuschränken, bekam er Schlafprobleme, schwitzige Hände und wurde aggressiv. Letztlich musste er sich eingestehen, dass er abhängig war.
Cannabis kann, anders als manche Menschen glauben, abhängig machen. Im Entzug können dann Entzugssymptome auftreten. Manchmal machen diese sich körperlich bemerkbar wie bei Patrick. Allerdings erleben nicht alle Cannabisabhängigen körperliche Entzugserscheinungen. Auch die Häufigkeit des Konsums ist kein sicherer Hinweis auf eine Abhängigkeit. Wichtiger als die Anzahl gerauchter Joints oder Bongs ist vielmehr die Frage, welche Funktionen das Kiffen übernimmt und ob der Cannabiskonsum bereits negative Folgen nach sich gezogen hat.
Anders als bei Drogen wie Heroin oder Kokain sind die Auswirkungen einer Abhängigkeit von Cannabis meist weniger auffällig. Bei vielen langjährig Konsumierenden fand das Kiffen anfangs nur im Freundeskreis statt. Kiffen, so scheint es, ist doch normal. Tun die anderen ja auch. Immerhin haben etwa die Hälfte der jungen Erwachsenen in Deutschland schon einmal Cannabis probiert. Doch während es die meisten Personen beim gemeinschaftlichen Kiffen belassen oder wieder aufhören, weil andere Dinge wichtiger werden im Leben, nimmt der Cannabisrausch bei manchen Menschen an Bedeutung zu.
Sie kiffen immer häufiger alleine, ziehen sich in die eigenen vier Wände zurück. Während der Spaßfaktor abnimmt, übernimmt das Kiffen mehr und mehr die Funktion, mit unangenehmen Gefühlen wie Langeweile, Angst, Einschlafschwierigkeiten oder anderen Problemen umzugehen. Betroffene geraten unmerklich immer häufiger in Versuchung, schwierige Alltagssituationen und damit verbundene unangenehme Gefühle oder Gedanken durch das Kiffen auszublenden. Und je länger Cannabis zur Alltagsgestaltung benutzt wird, umso weniger können sich Konsumierende vorstellen, gut leben zu können ohne zu kiffen. Ist das schon Abhängigkeit?
Eine Abhängigkeit lässt sich nicht eindeutig messen, wie beispielsweise die Körpertemperatur bei Fieber. Weder die Menge, noch die Häufigkeit des Konsums spielen bei der Frage der Abhängigkeit eine entscheidende Rolle. Auf eine Abhängigkeit wird vielmehr geschlossen, wenn bestimmte diagnostische Kriterien vorliegen.
Ein wichtiges Instrument für die Diagnose einer Abhängigkeit ist das US-amerikanische Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, oder kurz DSM. Das DSM gebraucht in seiner aktuell fünften Fassung jedoch nicht mehr den Begriff Abhängigkeit, sondern spricht von einer Substanzgebrauchsstörung. Diese lässt sich anhand von 11 Kriterien festmachen. Mit folgenden Fragen, können Betroffene sich selbst prüfen:
Treffen mindestens zwei der genannten Merkmale innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten zu, so gilt die Substanzgebrauchsstörung als erfüllt. Je mehr Kriterien vorliegen, desto schwerer ist die Störung.
Eine Cannabisabhängigkeit oder eine Konsumstörung lässt sich also nicht auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren, sondern besteht meist aus einem Bündel von Symptomen. Auch Entzugssymptome wie Patrick sie erlebt hat, müssen nicht zwingend auftreten.
Treten psychische und körperliche Entzugssymptome gleichzeitig auf, spricht man von einem Entzugssyndrom. Zu den psychischen Entzugssymptomen zählen Reizbarkeit, Aggressivität, Nervosität, Angst, Schlafprobleme, Appetitverlust, Unruhe oder depressive Stimmung. Körperliche Entzugssymptome wären Bauchschmerzen, Zittern, Schwitzen, Fieber, Schüttelfrost oder Kopfschmerzen.
Anders als der Entzug von Alkohol oder Opioiden ist das Entzugssyndrom bei Cannabis aber nicht gefährlich. Unangenehm ja, aber nicht lebensbedrohlich. In der Regel ist der körperliche Entzug nach drei bis vier Wochen überstanden. Die psychische Abhängigkeit ist hingegen langfristiger und erfordert eine aktive Auseinandersetzung mit dem Konsum.
Abhängiger Cannabiskonsum bedeutet in der Regel eine Einschränkung der Lebensqualität, auch wenn viele Konsumierende sich das nicht gerne eingestehen wollen. Während gelegentlicher Cannabiskonsum vermutlich noch keinen bedeutsamen Einfluss auf die Lebensqualität hat, sieht die Lage bei Cannabisabhängigkeit schon anders aus.
In einer wissenschaftlichen Übersichtsarbeit konnte nachgewiesen werden, dass die Lebensqualität abnimmt, je häufiger gekifft wird. Die höchsten Einbußen der Lebensqualität waren bei Cannabisabhängigen zu verzeichnen. Zwar kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob Cannabis für eine niedrige Lebensqualität verantwortlich ist oder frustrierte Menschen eher dazu neigen zu kiffen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass starkes Kiffen die Lebensqualität nicht verbessert. Das bedeutet, abhängige Kiffer erkaufen sich die kurzweiligen guten Gefühle des Cannabisrausches mit langfristigen Einbußen ihrer Lebensqualität.
Anhand der oben genannten DSM-Kriterien können Interessierte überprüfen, ob ihr Cannabiskonsum Anzeichen einer Abhängigkeit aufweist. Problematischer Konsum fängt aber meist schon früher an, bevor es zur Abhängigkeit kommt. Mit dem Selbsttest Cannabis Check werden noch weitere Merkmale des Konsums überprüft, die über die Abhängigkeit hinausgehen. Am Ende des Tests erfolgt eine detaillierte Rückmeldung mit Empfehlungen.
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