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Dezember 2018
In Internetshops werden sie als Legal High oder Badesalz vermarktet und mit blumigen Worten beworben. Doch die Wirkung der darin enthaltenen synthetischen Substanzen kann schwerwiegende und mitunter lebensbedrohliche Folgen nach sich ziehen, wie Fallbeispiele belegen.
Bild: Jonathan Schöps / photocase.de
Meist handelt es sich um ein braunes oder weißes kristallartiges Pulver. In der Regel wird es als Badesalz, Reiniger oder Pflanzendünger mit dem Zusatz „Nicht zum Verzehr geeignet“ verkauft. Doch der Zweck ist klar. Niemand badet, putzt oder düngt mit Mitteln, die so schillernde Namen tragen wie Cloud Nine, Lunar Wave oder Vanilla Sky.
Die Rede ist von so genannten neuen psychoaktiven Substanzen, die auch als Legal Highs bekannt sind oder als NPS abgekürzt werden. Die Substanzen ähneln in ihrer Wirkung bekannten Drogen wie Kokain, Ecstasy oder Amphetamin. Bei den neuen psychoaktiven Substanzen handelt es sich in der Regel um synthetische, also künstlich hergestellte Cathinone wie beispielsweise Mephedron. Die Bezeichnung Cathinon verweist auf den Ursprung in der Khat-Pflanze. Diese enthält den natürlichen Wirkstoff Cathinon, der mit Amphetamin, auch bekannt als Speed, verwandt ist. Pflanzliches Cathinon wirkt allerdings wesentlich schwächer als Amphetamin.
Synthetische Cathinone können um ein Vielfaches stärker sein, als der natürliche Wirkstoff aus den Blättern der Khat-Pflanze. Inzwischen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher synthetischer Cathinone, deren Wirkung bislang nur wenig erforscht ist. Zudem ist völlig unklar, welche Substanzen in den verkauften Produkten enthalten sind. So zeigen Analysen beschlagnahmter Produkte, dass nicht nur mehrere unterschiedliche synthetische Cathinone enthalten sein können, sondern auch andere Drogen wie Ketamin oder halluzinogene Substanzen aus der Gruppe der Phencyclidine.
Über die Verbreitung des Konsums von synthetischen Cathinonen gibt es bislang keine verlässlichen Zahlen. Allerdings deuten Fallberichte daraufhin, dass der Freizeitkonsum ein hohes gesundheitliches Risiko mit sich bringt.
Ein Ärzteteam vom Klinikum rechts der Isar in München hat die Akten des Krankenhauses aus den Jahren 2010 bis 2016 gesichtet. Studienleiter Christian Rabe und sein Team konnten 81 Patientinnen und Patienten ausfindig machen, die nachweislich Cathinone konsumiert hatten und wegen Überdosierungen oder Komplikationen infolge des Konsums ärztlich behandelt werden mussten. Die am häufigsten konsumierten Substanzen waren Methylon, MDPV und 3-MMC. Die häufigste Komplikation war eine länger anhaltende Psychose.
Das Team hat überprüft, ob bestimmte Cathinone häufiger Psychosen nach sich ziehen als andere, konnte aber keine bedeutsamen Unterschiede finden. Psychosen wurden auch in anderen Fallberichten erwähnt. Oft waren die Betroffenen stark erregt und zeigten paranoide Wahnvorstellungen, wie im Fall eines 21-Jährigen aus Kanada.
Die Eltern des jungen Mannes haben den Notruf alarmiert, weil ihr Sohn offenkundig verwirrt war und ein bizarres Verhalten zeigte. Der 21-Jährige hatte in seinem Wahn bereits die Polizei gerufen und behauptet, dass seine Eltern ermordet und durch Doppelgänger ersetzt worden seien. Die eintreffende Polizei fand einen stark schwitzenden Mann vor, der trotz Anwesenheit der Polizisten weiterhin den Notruf anrief. Er machte knurrende Geräusche und wiedersetzte sich dem Versuch der Polizisten, ihn mitzunehmen. Es brauchte sieben Polizisten und mehrere Rettungssanitäter, um dem Mann Handschellen anzulegen und ihn ins Krankenhaus zu bringen.
Dort angekommen, versuchte das Personal den 21-Jährigen zunächst mit Benzodiazepinen ruhig zu stellen. Zusätzlich wurde ihm ein Medikament gegen die psychotischen Symptome gegeben. Da der Mann trotz dieser Maßnahmen kaum zu beruhigen war, wurde ihm schließlich Propofol verabreicht. Ein Mittel, das zur Einleitung von Narkosen verwendet wird. Wie sich später herausstellte, hatte der Mann das synthetische Cathinon MDPV konsumiert, das er vermutlich über das Internet in China gekauft hat.
Für den 21-Jährigen ist die Sache noch einmal glimpflich verlaufen. 24 Stunden nach der Einweisung ins Krankenhaus wurde er mit der Diagnose einer durch Drogen hervorgerufenen Psychose an die psychiatrische Abteilung überwiesen. Drei Tage später konnte er die Klinik verlassen. Für manch andere Konsumentinnen und Konsumenten, die mit synthetischen Cathinonen experimentiert haben, hatte der Konsum jedoch mitunter fatale Folgen.
In einem Übersichtsartikel berichten Stephen deRoux und William Dunn über Todesfälle im Raum New York City, bei denen synthetische Cathinone eine Rolle gespielt haben. Der Untersuchungszeitraum umfasste drei Jahre, von Januar 2012 bis Dezember 2014. Insgesamt 30 Fälle konnten die Forscher ausfindig machen.
Bei der Hälfte der Fälle waren synthetische Cathinone vermutlich ursächlich am Tod der Konsumierenden beteiligt. Allerdings lässt sich die Todesursache in vielen Fällen nicht mit absoluter Sicherheit einer Substanz zuordnen, weil oft noch andere Drogen wie Alkohol, Opiate oder Beruhigungsmittel eine Rolle spielten. Bei der anderen Hälfte der Fälle waren zwar synthetische Cathinone nachweisbar, die Todesursache waren aber Unfälle, Suizide oder Schussverletzungen. Insbesondere bei den Unfällen dürften synthetischen Cathinone aber eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. So sind beispielsweise zwei Männer im Rausch aus großer Höhe in den Tod gestürzt.
Die stark stimulierende Wirkung von synthetischen Cathinonen birgt zudem ein hohes Risiko für das Herz-Kreislaufsystem. Der Körper wird in eine Art Alarmzustand versetzt. Puls und Blutdruck steigen, was für Personen mit Vorerkrankungen lebensbedrohlich sein kann. So berichten deRoux und Dunn von zwei Männern, die im Alter von 37 und 42 Jahren nach dem Konsum von Methylon an einem Herzinfarkt starben. Beide waren bereits durch Gefäßerkrankungen vorbelastet.
Die stimulierende Wirkung kann auch Hyperthermie, also eine gefährlich erhöhte Körpertemperatur, zur Folge haben. Sie ist gefährlich, weil es bei erhöhter Körpertemperatur zur Rhabdomyolyse kommen kann. Dabei lösen sich die Muskelfasern auf. Muskeleiweiß gelangt in die Blutbahn und führt im schlimmsten Falle zum Nierenversagen.
Erstes Anzeichen hierfür sind erhöhte Blutwerte für das Enzym Creatinphosphokinase, abgekürzt CPK. In der Studie aus München wurden bei fast drei Viertel der Patientinnen und Patienten erhöhte CPK-Werte festgestellt. Bei sechs Personen wurde Rhabdomyolyse und/oder ein akutes Nierenversagen diagnostiziert.
Der Konsum von synthetischen Cathinonen, die unter anderem als Legal High oder Badesalz vermarktet werden, können lebensbedrohliche gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen. Häufigste Komplikation in Fallberichten ist eine akute Psychose. Diese birgt das Risiko, das Betroffene im Wahn sich selbst verletzten oder verunglücken, weil sie reale Gefahren verkennen.
Die stimulierende Wirkung kann zudem die Körpertemperatur gefährlich steigen lassen. In der Folge kann Muskeleiweiß in die Blutbahn geraten und Nierenversagen nach sich ziehen. Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, in denen der Konsum von Legal Highs für die Betroffenen tödlich endete.
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