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Dezember 2015
Klar ist: Kiffen und lernen, das passt nicht zusammen. Wer schon in jungen Jahren öfter bekifft ist, wird beim Lernen vermutlich nicht mehr seine volle Leistung abrufen können. Das kann nicht nur den schulischen, sondern auch den nachfolgenden beruflichen Erfolg gefährden. Cannabis ist allerdings nicht die einzige Ursache hierfür.
Bild: John Dow / photocase.com
„Also, ich bin 16 Jahre alt und kiffe so ein- bis dreimal in der Woche und wollte mal wissen, was daran gefährlich ist“, fragt ein User in einem Forum. Eine andere Userin will wissen, ob es schlimm sei, einmal im Leben mit 16 zu kiffen. Es gibt eine Reihe weiterer ähnlicher Beispiele, die zeigen, dass viele Jugendliche sich mit dem Konsum von Cannabis auseinandersetzen, sei es, weil sie schon konsumieren oder weil sie mit dem Gedanken spielen, damit anzufangen.
Die Frage, welche Risiken Jugendliche eingehen, wenn sie Cannabis konsumieren, wird auch in der Wissenschaft diskutiert. Denn Jugendliche befinden sich noch in der Entwicklung, und die könnte durch Cannabis beeinträchtigt werden. So gibt es Hinweise, dass die Reifung des Gehirns nachhaltig durch Cannabiskonsum beeinflusst wird und die kognitiven Leistungen möglicherweise betroffen sind. Sogar eine geminderte Intelligenz ist in der Diskussion. Da Jugendliche in der Regel noch zur Schule gehen, könnten Probleme beim Lernen auftreten und schlechtere schulische Leistungen oder sogar ein vorzeitiger Schulabbruch die Folge sein.
Die Ergebnisse einer im Jahre 2003 veröffentlichten Studie lieferten Hinweise dafür, dass Cannabis tatsächlich die Bildungschancen junger Menschen verringert. David Fergusson, John Horwood und Annette Beautrais haben sich die Daten einer neuseeländischen Längsschnittstudie, der Christchurch Health and Development Study (CDHS) zunutze gemacht. Darin wurden Daten von über 1.000 Personen von der Geburt bis zum Alter von 25 Jahren erhoben.
Das Forschungsteam kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Schulabbruch zunimmt, je früher die Befragten in den Konsum eingestiegen sind und je häufiger sie Cannabis konsumiert hatten. Von den 16-Jährigen, die schon mehr als 100-mal gekifft haben, brachen 82 Prozent die Schule vorzeitig ab. Unter den 16-Jährigen, die noch nie gekifft haben, betrug die Abbruchquote lediglich 14 Prozent.
Bei der Analyse ist allerdings auch deutlich geworden, dass besonders jene Jugendlichen häufig Cannabis konsumieren, die unter ungünstigen sozialen Verhältnissen aufgewachsen sind. Als ungünstig gelten beispielsweise Scheidungen der Eltern, sexueller Missbrauch oder ein Freundeskreis, in dem Drogen konsumiert werden.
Denkbar ist, dass nicht in erster Linie Cannabis, sondern die sozialen Einflüsse für schlechte Schulleistungen verantwortlich sind. Cannabiskonsum wäre dann lediglich eine Begleiterscheinung oder selbst Folge der sozialen Verhältnisse. Mit Hilfe statistischer Tricks hat das Forschungsteam den Einfluss dieser Faktoren aus den Ergebnissen herausgerechnet. Das Ergebnis: Egal, ob die sozialen Einflüsse gut oder schlecht waren, Cannabiskonsum hatte einen negativen Einfluss auf die schulischen Leistungen. Wer schon als Jugendlicher häufig gekifft hat, hatte die Schule mit einer 3,7-fach höheren Wahrscheinlichkeit ohne Abschluss verlassen.
Als Hauptgrund hierfür vermutet das Autorenteam jedoch nicht verminderte kognitive Fähigkeiten oder ein „Amotivationssyndroms“. Denn bei Späteinsteigern in den Cannabiskonsum hätten sich keine negativen Einflüsse auf Bildungsabschlüsse wie beispielsweise ein Unistudium gezeigt. Das Forschungsteam ist vielmehr der Ansicht, dass das soziale Umfeld, in dem Cannabis konsumiert wird, dafür verantwortlich ist, dass ein alternativer Lebensstil mit unkonventionellen Wertvorstellungen aufgegriffen wird. Dabei würde die Wichtigkeit guter schulischer Leistungen abnehmen. Dies würde schließlich dazu führen, dass die Schule vernachlässigt wird.
Der spätere berufliche Erfolg hängt jedoch nicht unwesentlich von einem erfolgreichen Schulabschluss ab. Es stellt sich somit die Frage, welche Auswirkungen der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum auf den weiteren Lebenslauf hat. Zur Klärung dieser Frage haben David Fergusson und Joseph Boden 2008 die vorliegenden Daten der oben erwähnten Längsschnittstudie erneut einer Analyse unterzogen. Dabei ging es um die Jobchancen und die allgemeine Lebenszufriedenheit als Erwachsener.
Die Ergebnisse zeigten: Im Alter von 25 Jahren hatten die Betroffenen ein niedrigeres Einkommen, waren häufiger arbeitslos und entsprechend häufiger auf staatliche Hilfe angewiesen als die Personen der Studie, die in jungen Jahren abstinent waren oder nur wenig gekifft hatten. Darüber hinaus hatten sie seltener befriedigende Beziehungen und waren insgesamt weniger zufrieden mit ihrer Lebenssituation.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen zwei Studien mit fast 50.000 Männern, die zwischen 1969 und 1970 zur Musterung für den schwedischen Wehrdienst einberufen wurden. Neben der medizinischen Eignungsprüfung erfolgte zusätzliche eine Befragung, in der die 18- bis 20-Jährigen Angaben zu ihrem sozialen Hintergrund und zum Drogenkonsum machten. Studienleiterin Anna-Karin Danielsson und ihr Team haben untersucht, wie viele der Männer im Alter zwischen 39 und 46 Jahren arbeitslos gemeldet und im Alter zwischen 40 und 59 Jahren wegen berufsunfähig in Frührente waren. Die Auswertung machte deutlich, dass jene Männer, die als junge Erwachsene schon mehr als 50-mal gekifft hatten, häufiger arbeitslos waren und ein deutlich höheres Risiko hatten, später berufsunfähig zu sein.
Bleibt die Frage, ob der frühe Cannabiskonsum tatsächlich eine Ursache für die schlechte Entwicklung ist. Aus Sicht von David Fergusson und Joseph Boden sei dies durchaus plausibel. Insbesondere die gefundene Dosis-Wirkungs-Beziehung würde dafür sprechen, dass Cannabiskonsum ursächlich zu niedrigen Bildungsabschlüssen führt.
Und was ist mit dem sozialen Hintergrund? 2009 hat ein Forschungsteam um Studienleiter Matthew Hickman in einem wissenschaftlichen Review herausarbeiten können, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen sozialer Benachteiligung und dem Konsum von Cannabis. Die Wissenschaft spricht auch vom sozio-ökonomischem Status. Je höher das Einkommen, desto höher der sozio-ökonomische Status, der in der Regel auch mit einem höheren Bildungsniveau der Eltern zusammenhängt.
Ein US-Forschungsteam um Studienleiterin Madeline Meier hat in einer 2015 veröffentlichten Studie daher versucht, den Einfluss des sozio-ökonomischen Status zu minimieren, indem ausschließlich Schülerinnen und Schüler der oberen Mittelschicht einbezogen wurden, was am Einkommen der Eltern festgemacht wurde. Die Stichprobe umfasste 254 Schülerinnen und Schüler, die jährlich von der 9. bis zur 12. Klasse befragt wurden.
Wie sich zeigte, hatten Schülerinnen und Schüler, die im gesamten Befragungszeitraum von vier Jahren durchgängig Cannabis konsumierten, am Ende der 12. Klasse schlechtere Noten als abstinente Gleichaltrige. Ein niedriger sozio-ökonomischer Status, so die Schlussfolgerung des Forschungsteams, würde den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und schlechte Schulleistungen daher nicht vollständig erklären.
Unterstützt wird diese Einschätzung durch eine Meta-Analyse aus dem Jahre 2014, in der drei Längsschnittstudien zusammengefasst wurden. Die Ergebnisse weisen auf einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem frühen Einstieg und dem Bildungsabschluss hin. Jugendliche, die schon vor dem Alter von 17 Jahren täglich gekifft haben, haben eine etwa 60 Prozent geringere Chance auf einen Schulabschluss als Jugendliche, die nie Cannabis konsumiert haben.
Häufig konsumieren Jugendliche aber nicht nur Cannabis. Darauf weisen die Ergebnisse der Studie von Madeline Meier und ihr Team hin. Denn Jugendliche, die gekifft haben, haben meist auch mehr Alkohol getrunken und mehr Zigaretten geraucht als Gleichaltrige, die keine Cannabiserfahrung aufweisen. Sobald Alkohol und Tabak in die statistische Analyse mit einbezogen wurden, konnte jedoch kein signifikanter Effekt mehr für Cannabis nachgewiesen werden. Nach Ansicht von Meier und ihrem Team ist es daher kaum möglich, den Effekt von Cannabis auf den schulischen Werdegang völlig isoliert zu untersuchen.
Ob Cannabis tatsächlich ursächlich zu schlechteren Schulnoten und frühzeitigen Schulabbrüchen führt, lässt sich wissenschaftlich nur schwer beweisen. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Kiffen und dem Schulerfolg ist aber nicht von der Hand zu weisen und spricht dafür, dass Cannabis zumindest einen bedeutsamen Anteil daran hat, wenn es mit der Schule nicht so gut läuft. So gibt es inzwischen eine steigende Anzahl an Studien, die belegen, dass insbesondere der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum mit nachfolgenden neurokognitiven Störungen in Zusammenhang steht.
Jugendliche, die schon früh in den Cannabiskonsum einsteigen, trinken allerdings auch häufiger Alkohol und rauchen mehr Tabak als abstinente Jugendliche. Aus diesem Grund könnten die negativen Auswirkungen des frühen Kiffens auch eine Folge des kombinierten Konsums sein. Nicht zuletzt stehen häufig auch ungünstige soziale Einflüsse wie Scheidungen der Eltern und andere traumatisierende Erfahrungen mit Cannabiskonsum in Zusammenhang, wobei auch ein scheinbar besser situiertes Elternhaus nicht vor den negativen Auswirkungen des Kiffens zu schützen scheint.
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