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Januar 2010
Bild: Ecstasy-Tabletten, Drug Enforcement Administration (DEA)
Der Schlaf hat eine wichtige Funktion für den Organismus. Die Organe laufen auf Sparflamme, der Körper regeneriert sich. Gesunder Schlaf macht sich auch in unserer Gemütslage bemerkbar. Ausgeschlafen fühlen wir uns fit und erholt. Der Schlaf hat sogar Einfluss auf die Gedächtnisbildung. Was am Tag gelernt wurde verfestigt sich im Schlaf. Ist der Schlaf gestört hat dies wiederum negative Folgen für die kognitiven Funktionen. Ecstasy - so scheint es aktuellen Studien zufolge -kann die Schlafqualität mindern und sogar zu Atemaussetzern führen. Vermutet wird, dass die Schlafprobleme maßgeblich an den schlechteren kognitiven Leistungen Ecstasykonsumierender beteiligt sind.
Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Ecstasykonsumierende schlechtere kognitive Leistungen erbringen als Personen, die kein Ecstasy konsumieren. Dabei hat sich ein dosisabhängiger Effekt gezeigt. Das heißt, je mehr Ecstasy konsumiert wurde, desto stärker sind die kognitiven Einschränkungen. Es wird davon ausgegangen, dass sich dieser Effekt auf Schädigungen serotonerger Nervenzellen zurückführen lässt, sprich: das Gehirn wird durch Ecstasy geschädigt.
Ein Forschungsteam um Studienleiterin Una McCann von der Johns Hopkins School of Medicine in den USA hat nun einen neuen Aspekt in die aktuelle Diskussion eingebracht. Sie und ihr Team vermuten, dass die Leistungsunterschiede bei Gedächtnisaufgaben auch auf eine verschlechterte Schlafqualität bei den Konsumierenden zurückzuführen sind. Studien belegen, dass das serotonerge System, dass durch den Ecstasykonsum geschädigt wird, vielfältig in die Steuerung des Schlafverhaltens eingreift. So wird beispielsweise der Tag-Nacht-Rhythmus oder die Erregung des Großhirns durch den Botenstoff Serotonin beeinflusst. Die schlechte Schlafqualität habe wiederum negative Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit.
Zur Überprüfung ihrer Hypothese führte das Forschungsteam ein Experiment durch, in dem die Probandinnen und Probanden 40 Stunden nicht schlafen durften. Daran beteiligt waren 19 Ecstasykonsumierende und 25 Personen einer Kontrollgruppe, die zwar schon mal Drogen, aber noch nie Ecstasy konsumiert hatten. Die Personen der Ecstasygruppe zeigten schon vor Beginn des Schlafentzugs etwas schlechtere kognitive Leistungen als die Kontrollgruppe. Während des eigentlichen Experiments zeigte sich, dass Ecstasykonsumierende stärker von den Effekten des Schlafentzugs betroffen waren als Personen der Kontrollgruppe. Analysen konnten aufdecken, dass die Defizite in der kognitiven Leistungsfähigkeit sich in erster Linie durch eine erhöhte Impulsivität erklären ließen. Üblicherweise würden gesunde Menschen Aufgaben bei Schlafentzug langsamer ausführen, um den Konzentrationsmangel auszugleichen. Die Ecstasykonsumierenden reagierten auf Müdigkeit jedoch mit Hektik und produzierten in der Folge mehr Fehler.
Besonders auffällig seien die Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen bei Aufgaben gewesen, die eine gleichbleibende Aufmerksamkeit erforderten. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass ein Effekt der als Mikroschlaf bekannt ist, dazu beigetragen hat, dass die übermüdeten Personen der Ecstasygruppe bestimmte Aufgaben regelrecht „verschlafen“ haben.
In ihrem Fachartikel erklären die Autorinnen und Autoren, dass die üblicherweise eher kleinen Unterschiede zwischen Ecstasykonsumierenden und Kontrollgruppen vermutlich darauf zurückzuführen sind, dass ausgleichende Prozesse im Gehirn die Defekte überdecken. Erst wenn Stress hinzukommt, wie beispielsweise Schlafentzug, würden diese ausgleichenden Mechanismen außer Gefecht gesetzt, mit der Folge, dass die kognitive Leistungsfähigkeit stärker abfällt.
Unklar blieb aber, ob und wie der Konsum von Ecstasy den Schlaf beeinflusst. Um diese Frage zu beantworten, untersuchten Una McCann und ihr Team eine weitere Gruppe von Ecstasykonsumierenden und Kontrollpersonen im Schlaflabor.
Die Forscherinnen und Forscher gehen von der Annahme aus, dass nicht nur der Schlaf-Wach-Rhythmus, sondern auch die Rachenmuskulatur durch das serotonerge System gesteuert wird. Durch ein Erschlaffen der Rachenmuskulatur im Schlaf kann es zu einem Verschluss der oberen Luftwege kommen. Diese Atemstillstände werden als Schlafapnoe bezeichnet. Der Atemstillstand kann von zehn Sekunden bis zu einer Minute dauern. Typisch dafür ist das laute „nach Luft schnappen“ in der Folge eines Stillstands. Begleitet wird die Schlafapnoe stets durch mehr oder weniger lautes Schnarchen. Am folgenden Tag erwachen die Betroffenen unausgeschlafen, fühlen sich erschöpft und können sich schlechter konzentrieren.
71 Personen mit Ecstasyerfahrung konnten für die Untersuchung gewonnen werden. Voraussetzung war, dass sie zu mindestens 25 Anlässen Ecstasy konsumiert hatten. Zur Kontrolle wurden 62 Personen eingeladen, die auch Drogenerfahrung aufwiesen, aber ohne Ecstasy. Für alle galt, dass zwei Wochen vor Beginn der Untersuchung keine Drogen konsumiert werden durften. Die Einhaltung dieser Bedingung wurde mittels Urinkontrolle überprüft. Alle Versuchspersonen waren hinsichtlich Alter, Geschlecht und Body-Mass-Index vergleichbar.
Im Rahmen des Experiments wurde eine Untersuchung und Messung bestimmter biologischer Parameter im Schlaf, die so genannte Polysomnographie durchgeführt. Dazu wurden den Probandinnen und Probanden Sensoren an verschiedenen Körperstellen angelegt, um Gehirn- und Muskelaktivität, Herz- und Atmungsfunktion sowie Sauerstoffgehalt im Blut zu messen. Die Daten geben Aufschluss darüber, ob und wenn ja wie viele Atemstillstände im Beobachtungszeitraum auftreten. Um vergleichbare Werte zu erhalten mussten die Teilnehmenden zur gleichen Zeit schlafen.
Nach Auswertung der Messergebisse zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Gruppen: Die Ecstasykonsumierenden hatten signifikant häufiger Atemstillstände als die Kontrollgruppe. In bestimmten Schlafphasen kam es bei den Ecstasynutzerinnen und -nutzern zu achtmal mehr Atemaussetzern als in der Vergleichsgruppe. Analysen konnten zudem aufzeigen, dass die Häufigkeit der Apnoen auch davon abhängt wie oft die Probandinnen und Probanden in ihrem Leben Ecstasy konsumiert hatten. Je mehr Ecstasy konsumiert wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit Atemstillstände zu haben.
Die Ergebnisse der McCann-Gruppe geben Aufschluss darüber, wie der Konsum von Ecstasy den Schlaf und dadurch auch die kognitive Leistungsfähigkeit beeinflusst. Die Schlafqualität wird vor allem durch häufige Atemaussetzer beeinträchtigt. Der dadurch verursachte Sauerstoffmangel kann weitere schwerwiegende Erkrankungen nach sich ziehen. So weisen Nancy Chamberlin und Clifford Saper in einem Kommentar zur Studie von McCann hin, dass Schlafapnoen das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen wie Arteriosklerose, Schlaganfall oder Herz-Kreislaufversagen erhöhen.
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