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November 2012
Für eingefleischte Kiffer dürfte es der Horror schlechthin sein: eine Allergie gegen Haschisch und Marihuana. Doch es gibt inzwischen eine Vielzahl dokumentierter Fälle, in denen eine Überempfindlichkeit auf Cannabis nachgewiesen werden konnte.
Bild: NickS / istockphoto.com
„Nach einer Tüte muss ich immer heftig niesen. Kann es sein, dass ich allergisch bin gegen Grass?“ In Internet-Foren finden sich zahlreiche derartige Fragen von Betroffenen, die vermuten, dass sie überempfindlich auf Cannabis reagieren. Manche der Konsumierenden kifften schon seit einigen Jahren als sie plötzlich körperliche Reaktionen bemerkten, die einer Allergie ähnlich sind.
Viele User können (oder wollen) sich eine Allergie gegen Cannabis zwar nicht vorstellen, doch inzwischen gibt es wissenschaftliche Nachweise, die dafür sprechen. Ein kanadisches Forschungsteam hat erst kürzlich eine Fallstudie vorgelegt. Gordon Sussman und sein Team konnten bei 13 Männern und 4 Frauen nachweisen, dass sie allergisch auf Marihuana reagieren.
Sie führten unter anderem den Prick-Test durch, ein häufig angewendetes allergologisches Testverfahren. Dabei werden die zu prüfenden Substanzen in Tropfenform auf der Innenseite des Unterarms aufgetragen und die Haut mit einer Nadel oberflächlich eingestochen. Reagiert die Person allergisch auf eine der Substanzen, kommt es nach kurzer Zeit zu Rötungen oder Nesselsucht. Letzteres macht sich durch Quaddeln bemerkbar, das sind punkt- oder knopfförmige meist juckende Erhebungen auf der Haut.
Für den Test wurden Cannabisblüten in Wasser eingeweicht und die Lösung anschließend zum Auftragen auf die Haut verwendet. Zudem wurde getestet, wie die Personen auf Inhalation oder Einnahme von Marihuana reagierten. Alle Personen zeigten daraufhin entweder bei Hautkontakt, Inhalation oder Einnahme von Marihuana allergische Reaktionen, darunter vor allem allergischer Schnupfen, Bindehautentzündung und juckende Quaddeln.
Einen 35-jährigen Mann hatte es besonders schwer erwischt, nachdem er einen Marihuana-Tee getrunken hatte. Er hatte anaphylaktische Symptome. Das sind allergische Reaktionen, die auf den ganzen Körper übergehen und im Ernstfall einen lebensbedrohlichen Schock auslösen können. Die Symptome bei ihm waren Druckgefühl auf der Brust, Atemnot, Bauchkrämpfe und Erbrechen.
Denkbar sei zwar, dass die Reaktionen auf andere in Marihuana enthaltene Giftstoffe zurückzuführen sind. Für Studienleiter Sussman ist der Fall allerdings klar. „Ich glaube nicht, dass es sich um Kontaminationen handelt. Ich bin mir relativ sicher, dass es ein Allergen im Marihuana ist, auf das die Personen reagieren“, sagt Sussman in einem Interview mit Internal Medicine News. Eine allergische Reaktion auf Marihuana sei auch nicht überraschend, sagt Sussman, „Marihuana ist ein Unkraut, und Unkräuter sind bekannt dafür, allergen wirken zu können.“
Die allergische Reaktion auf Marihuana wird als Typ 1 Allergie eingestuft. Bei diesem Typ kommt es meist schon nach wenigen Minuten zu einer allergischen Reaktion aufgrund einer Überreaktion des Immunsystems auf einen Fremdstoff (Allergen).
Bislang galt eine Allergie gegen Cannabis eher als selten. Belastbare Zahlen gibt es hierzu allerdings nicht, da die Hinweise nur auf Fallstudien beruhen. Um Hinweise darauf zu bekommen, welche Personen gefährdet sein könnten, haben spanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt.
Das Forschungsteam um Studienleiterin Alicia Armentia geht davon aus, dass Personen, die auf bestimmte pflanzliche Stoffe allergisch reagieren auch auf Cannabis reagieren könnten. Schließlich sei Cannabis ebenfalls eine Pflanze. Den Hintergrund bilden Kreuzreaktionen. Eine Kreuzreaktion ist eine allergische Reaktion auf ähnliche oder verwandte Stoffe. Betroffene reagieren allergisch auf scheinbar völlig unterschiedliche Substanzen. Häufig treten beispielsweise Pollen- und Nahrungsmittelallergien gleichzeitig auf. Wer zum Beispiel auf Birkenpollen sensibilisiert ist, kann auch auf Äpfel und Nüsse allergisch reagieren und umgekehrt.
Um Hinweise auf mögliche Kreuztoleranzen bei Cannabiskonsum zu erhalten, haben Armentia und ihr Team unter den mehr als 20.000 Personen, die in den letzten 20 Jahren die Klinik für Allergien des Universitätskrankenhaus Valladolid aufgesucht haben, 140 Personen zufällig ausgewählt. Zusätzlich wurden 200 Kontrollpersonen einbezogen, die weder Tabak noch Cannabis rauchen und die bislang nicht wegen einer Allergie im Universitätsklinikum vorstellig waren.
Mit Hilfe verschiedener Testverfahren konnten sie zeigen, dass vor allem Personen, die allergisch auf Tomaten und Tabak waren, eine Kreuzreaktion auf Cannabis zeigten, wenn es inhaliert wurde. Dies traf auf 52 Prozent der Personen mit einer Tomatenallergie und auf 61 Prozent mit einer Tabakallergie zu. Personen mit diesen Allergien waren häufiger wegen Anaphylaxie, den besonders schweren allergischen Reaktionen, in der Notfallambulanz des Krankenhauses Valladolid. Pollenallergie, auch bekannt als Heuschnupfen, war hingegen kein Risikofaktor für eine Cannabisallergie.
Wenn es beim Kiffen zu Ausschlägen, Niesattacken, Kopfschmerzen oder plötzlicher Übelkeit kommt, kann eine Überempfindlichkeit auf Cannabis dahinterstecken. Vor allem Personen, die ohnehin schon allergisch auf Tomaten oder Tabak reagieren, sollten aufpassen. Denn im schlimmsten Falle kann sich ein lebensbedrohlicher anaphylaktischer Schock entwickeln. Dann sollte umgehend ein Notarzt gerufen werden (Notruf 112).
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