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Oktober 2016
Werbung ist fast überall. Ob im Fernsehen, im Radio, auf der Straße oder im Internet: Werbung schreit nach Aufmerksamkeit und will uns dazu bringen, bestimmte Marken oder Produkte zu kaufen. Bei Butter, Waschmittel oder Brot mag das harmlos sein. Wenn es um Alkohol geht, könnte Werbung jedoch nicht nur die Wahl des Produkts beeinflussen, sondern generell zum Konsum anregen. Studien zeigen, dass zumindest Jugendliche davon betroffen zu sein scheinen.
Bild: madochab / photocase.com
Ein Segelschiff auf hoher See, eine Strandparty in der Karibik, der raue Nordseestrand: Hersteller von Alkoholika präsentieren ihre Produkte mit schönen Bildern und gutgelaunten Menschen, die tolle Sachen machen. Die Botschaft der Absender ist klar: Alkohol trinken macht gute Laune, vor allem mit unserem Produkt! Ziel der Werbung ist es, gute Gefühle auszulösen und diese mit einem bestimmten Produkt zu verknüpfen.
Jährlich gibt die Alkoholindustrie über eine halbe Milliarde Euro für Werbung aus. Dazu gehören neben Werbespots im Fernsehen und im Kino auch das Sponsoring von Sport- und Musikveranstaltungen sowie Produktplatzierungen in Filmen, Serien oder Computerspielen. Im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist allerdings geregelt, dass Werbung für Alkohol sich ausschließlich an Erwachsene richten darf. Doch es besteht seit längerem der Verdacht, dass Alkoholwerbung den Alkoholkonsum Jugendlicher fördert, auch wenn nur Erwachsene darin zu sehen sind.
Eine aktuelle Studie liefert neue Hinweise, die einen Einfluss von Alkoholwerbung auf Jugendliche nahelegen. Über 9.000 Schülerinnen und Schüler aus 181 Schulen in Deutschland, Italien, Polen und den Niederlanden waren beteiligt. Studienleiter Avalon de Bruijn und sein Team haben die Jugendlichen sowohl zu ihrem Alkoholkonsum befragt, als auch umfassend erhoben, wie oft sie mit Werbemaßnahmen in Kontakt kamen, in denen Alkohol vermarktet wurde. Das konnten Werbespots im Fernsehen oder im Internet sein, aber auch Marketingaktionen auf Sportveranstaltungen, Musikevents und Festivals.
Befragungen haben jedoch ein generelles Problem: Sie können zwar Zusammenhänge ermitteln, aber die Frage, was Ursache und was Wirkung ist, nur schwer beantworten. Einerseits könnte Alkoholwerbung den Alkoholkonsum fördern. Andererseits könnten Jugendliche, die dem Alkoholtrinken ohnehin zugewandt sind, auch empfänglicher sein für Alkoholwerbung. Oder beides nimmt einfach mit dem Alter zu, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen.
Um dennoch belastbare Hinweise darauf zu finden, wie der Zusammenhang zwischen Alkoholwerbung und Alkoholkonsum Jugendlicher beschaffen ist, hat das Forschungsteam die Schülerinnen und Schüler über einen Zeitraum von 18 Monaten begleitet. Drei Mal gaben die Jugendlichen Auskunft zu ihrem aktuellen Alkoholkonsum und zur Anzahl ihrer Kontakte mit Alkoholwerbung.
Die Ergebnisse wiesen eine klare Richtung auf: Es gab jeweils einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Werbekontakten und nachfolgendem Trinkverhalten, aber nicht andersherum: Je mehr die Jugendlichen mit Alkoholwerbung in Kontakt kamen, desto stärker nahm ihr Alkoholkonsum zu späteren Befragungszeitpunkten zu.
Nun könnte eingewendet werden, dass der Zusammenhang auch zufällig sein könnte. Im Jugendalter ist es nicht ungewöhnlich, dass der Alkoholkonsum zunimmt. Jugendliche könnten zudem generell mehr Werbung wahrnehmen, wenn sie älter werden. Sollte dies der Fall sein, so müsste es auch einen Zusammenhang geben zwischen Alkoholkonsum und anderen Marketingmaßnahmen, in denen kein Alkohol vermarktet wird. Das Forschungsteam konnte für diese Annahme jedoch keinen bedeutsamen Zusammenhang ermittelt.
De Bruijn und sein Team kommen entsprechend zu dem Schluss, dass Marketingmaßnahmen der Alkoholindustrie wahrscheinlich den Alkoholkonsum von Jugendlichen beeinflussen. Dieser Effekt sei nicht durch das bereits vorhandene Trinkverhalten und eine möglicherweise erhöhte Aufmerksamkeit für alkoholbezogene Werbung zu erklären.
Das Ergebnis der Studie wird untermauert durch einen kürzlich veröffentlichten wissenschaftlichen Review. In einem Review werden mehrere Studien zusammengefasst, um den aktuellen Forschungsstand zu einem Thema zusammenzufassen. In der Übersichtsarbeit haben David Jernigan und sein Team nur jene Studien berücksichtigt, die jeweils mindestens zwei Befragungszeitpunkte aufwiesen [Quelle 4]. Insgesamt wurden 12 Einzelstudien erfasst, in denen zusammen über 35.000 Jugendliche befragt wurden.
Im Ergebnis konnte in allen zwölf Studien ein Zusammenhang zwischen Marketingmaßnahmen für Alkoholika und dem Alkoholkonsum bei Jugendlichen nachgewiesen werden. Die Wahrnehmung von Alkoholwerbung führte bei den befragten Jugendlichen nicht nur zu einem früheren Einstieg in den Alkoholkonsum, sondern auch zu häufigerem Rauschtrinken.
Die aktuellen Studien legen somit den Schluss nahe, dass Alkoholwerbung nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche erreicht. Werbung mit Nebenwirkung gewissermaßen. Der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW e.V.) sieht die Sache jedoch anders: „Ein positiver Zusammenhang zwischen Alkoholwerbung und Alkoholkonsum ist damit definitiv nicht gegeben. Vielmehr schafft Werbung Transparenz und verändert Marktanteile, nicht aber die grundsätzliche Einstellung für oder gegen den Konsum.“
Die Werbewirtschaft sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Sie verweist auf die rückläufigen Zahlen beim Alkoholkonsum Jugendlicher und insbesondere auf das soziale Umfeld, als die eigentliche Ursache von Alkoholkonsum.
Zweifelsohne sind Werbe-Botschaften der Alkoholindustrie nur ein Faktor unter vielen, die das Konsumverhalten junger Menschen beeinflussen können. Der Nachweis, dass Alkoholwerbung tatsächlich eine Ursache für höheren Alkoholkonsum bei Jugendlichen ist, dürfte aus methodischen Gründen schwer zu erbringen sein. Doch die Ergebnisse aktueller Studien weisen eine klare Richtung auf: Je häufiger Jugendliche in Kontakt kommen mit Alkoholwerbung, desto früher beginnen sie mit dem Alkoholkonsum und desto häufiger trinken sie große Mengen Alkohol.
Quellen:
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