Vom Videospielen zur Computerspielstörung

16.03.2022

Das Phänomen gibt es schon länger. Doch erst seit Anfang dieses Jahres ist es offiziell: Exzessives Spielen von Videospielen kann als süchtiges Verhalten diagnostiziert werden. Wie wird das Spielen zur Sucht?

Bild: Eliza / photocase.de

Manche der Spielenden erschaffen imposante Gebilde mit digitalen Bauklötzen. Andere begeben sich mit der Waffe im Anschlag auf gefährliche Missionen. Videospiele faszinieren Menschen unterschiedlichen Alters, aber vor allem die jungen. Das Open-Word-Spiel Minecraft ist aktuell das beliebteste Spiel unter deutschen Jugendlichen, dicht gefolgt von den Ego-Shootern Call of Duty und Fortnite.

Für die meisten jungen Menschen ist die Daddelei an der Konsole, am PC oder Smartphone ein harmloses Freizeitvergnügen. Doch ein Teil von ihnen entwickelt ein Verhalten, das die Kennzeichen einer Sucht erfüllt. Seit Anfang dieses Jahres gibt es die offizielle Diagnose Computerspielstörung, die umgangssprachlich auch als Computerspielsucht oder Videospielsucht bezeichnet wird. In einem Fachartikel erläutern Katajun Lindenberg und Martin Holtmann den Mechanismus, der hinter der Störung steht.

Videospiele können Einfluss nehmen auf die Gehirnentwicklung

Die Computerspielstörung lässt sich demnach als erlerntes Verhalten erklären. Entscheidend ist die unmittelbar belohnende Wirkung des Spielens oder anders ausgedrückt: Videospiele ermöglichen schnelle Erfolgserlebnisse, die der Alltag vielleicht nicht bietet. Ist mir langweilig oder habe ich schlechte Stimmung, können Videospiele mich ablenken und meine Laune heben.

Spielende lernen, dass sie ihre Stimmung mit Hilfe des Spielens regulieren können. Beim Spielen schüttet das Belohnungssystem im Gehirn Botenstoffe aus, die mit angenehmen Gefühlen in Verbindung stehen. Die Spiele selbst sind oft so konstruiert, dass sie unser Belohnungssystem optimal aktivieren. Das ist nicht grundsätzlich problematisch, wenn wir uns danach wieder anderen Dingen zuwenden. Doch bei Jugendlichen kann häufiges Spielen Einfluss nehmen auf die Gehirnentwicklung.

Lindenberg und Holtmann sprechen von einer „Dauerstimulation des Belohnungssystems“. Diese führe im jungen Gehirn zu einer veränderten Verarbeitung von belohnenden Reizen. Andere Dinge erscheinen langweilig. Die Freizeit besteht bald nur noch aus dem Spielen von Videospielen. Gleichzeitig ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu kontrollieren, bei Jugendlichen noch unzureichend ausgeprägt. Zwar verhalten sich auch Erwachsene nicht immer vernünftig, Jugendliche sind aber stärker gefährdet, eher der kurzfristigen Belohnung nachzugeben, als das zu tun, was langfristig gut für sie wäre.

Bagatellisierung negativer Konsequenzen

Das Spielen nimmt dann immer mehr Zeit in Anspruch. Nicht selten kommt es zum Streit zwischen Jugendlichen und ihren Eltern. Andere negative Konsequenzen wie schlechtere schulische Leistungen kommen hinzu. Typisch für computerspielsüchtige Jugendliche sei, dass sie die schädlichen Folgen des Videospielens nicht wahrhaben wollen oder verdrängen. Lindenberg und Holtmann sprechen von der „Bagatellisierung negativer Konsequenzen“. Probleme, die aus dem exzessivem Spielen resultieren, werden kleingeredet oder das Spielen wird verheimlicht.

Ihrer Einschätzung nach werde die Computerspielstörung häufig auch in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen übersehen. Betroffene werden meist wegen anderer Erkrankungen behandelt, die mit der Computerspielstörung einhergehen. Das können beispielsweise Angststörungen oder Depressionen sein. Durch die Möglichkeit, die Computerspielstörung als Krankheit zu diagnostizieren, bestünde nun eher die Chance, dass die Störung erkannt und angemessen behandelt wird.

Selbsttest und Hilfe

Klar ist, dass nicht alle Jugendlichen in gleicher Weise gefährdet sind. Auch ist die Spieldauer nicht das entscheidende Kriterium. Es kann durchaus normal sein, sich für eine Weile voll und ganz seinem Lieblingshobby zu widmen. Doch wenn negative Konsequenzen zunehmen und trotzdem weitergespielt wird, könnte eine Störung vorliegen.

Wer sein eigenes Medienkonsumverhalten testen will, kann den Selbsttest auf ins-netz-gehen.de nutzen. Der Test ersetzt keine Diagnose, liefert aber eine Einschätzung über die persönliche Gefährdung. Die Website bietet auch ein spezielles Programm, das junge Menschen dabei unterstützt, ihr Medienkonsumverhalten wieder in den Griff zu kriegen.

 

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