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28.09.2022
Ein tiefer Zug am Joint und die Gedanken sind frei. Plötzlich schießen die tollsten Ideen ein. Das zumindest glauben manche Menschen, wenn sie Cannabis konsumieren. Aber ist das wirklich so?
Bild: Schere.Kopf.Papier / photocase.de
Er entschärfte Bomben mit einer Büroklammer oder baute ein Torpedo aus einem Bierfass. Der Agent MacGuyver trug in der gleichnamigen US-Actionserie keine Waffe. Unter höchstem Zeitdruck konnte er aber die unmöglichsten Dinge zusammenbasteln und sich damit aus brenzligen Situationen retten. Abgesehen von der lauernden Lebensgefahr veranschaulicht MacGuyver gut, was es heißt, kreativ zu sein: Es geht darum, originelle Ideen zu produzieren, die im besten Falle zur Lösung von Problemen beitragen.
Agenten wie MacGuyver blühen unter Gefahr auf, andere Menschen vertrauen auf Cannabis. Viele Konsumierende glauben, dass Cannabis sie kreativer macht. Doch stimmt das? Ein Forschungsteam aus den USA und Singapur hat zwei Studien dazu durchgeführt.
Über 300 Cannabiskonsumierende führten Selbstexperimente durch. Aus Gründen der Anonymität führten die Teilnehmenden die Experimente nach Anleitung bei sich zuhause durch. In der ersten Studie hatten sie die Aufgabe, in vier Minuten möglichst viele originelle Ideen zu der Frage zu produzieren, was man mit einem Ziegelstein alles anstellen könnte. Einzige Bedingung: Die Idee durfte nicht zu naheliegend und nicht unmöglich sein. Zuvor wurden die Teilnehmenden zufällig auf zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe sollte vorher kiffen, die andere seit mindestens zwölf Stunden nüchtern sein.
In der zweiten Studie sollten sich die Teilnehmenden vorstellen, für eine Unternehmensberatung tätig zu sein. Eine lokale Musikband brauche Ideen, wie sie ihre Einnahmen steigern könne. Die Teilnehmenden sollten in 5 Minuten so viele Ideen nennen, wie ihnen einfallen. Auch in dieser Studie wurde die Aufgabe teils im Rausch, teils nüchtern durchgeführt.
Stellt sich die Frage: Sind die bekifft entstandenen Ideen kreativer? Wie bewertet man eigentlich Kreativität? Zur Beantwortung der Fragen, haben die Forschenden mehrere Strategien verfolgt. Zunächst sollten die Teilnehmenden sowohl ihre eigenen Ideen als auch die Ideen anderer Personen danach bewerten, wie originell diese sind. Zusätzlich bewerteten Außenstehende die Ideen der Teilnehmenden.
Unter den Außenstehenden waren zwei speziell ausgebildete Personen aus dem Forschungsteam, die jeweils unabhängig voneinander die Originalität der Ideen bewerteten. Zusätzlich wurde das „Schwarmprinzip“ angewendet. 430 Personen aus der normalen Bevölkerung wurden gebeten, die Kreativität der Ideen einzuschätzen. Niemand wusste, welche Ideen bekifft oder nüchtern entstanden sind.
Was nicht weiter verwundert: Unter dem Einfluss von Cannabis fühlten sich die Teilnehmenden meist heiter und unbeschwert. In diesem Zustand fanden sie nicht nur ihre eigenen Ideen besonders kreativ. Auch die Ideen anderer Personen wurden wohlwollender bewertet.
Diese Einschätzungen wurden jedoch nicht von Außenstehenden geteilt. Weder die Forschenden noch die Personen aus der normalen Bevölkerung haben die im Rausch entstandenen Ideen als kreativer eingeschätzt. Wie lässt sich das erklären?
Das Forschungsteam vermutet, dass Cannabis zwar durchaus die Möglichkeit schaffen könnte, kreativer zu sein. Gleichzeitig sei aber auch die Fähigkeit eingeschränkt, eine kreative Leistung angemessen zu bewerten. Bekiffte Personen blicken durch die sprichwörtliche rosarote Brille. Ihre eigenen Ideen erscheinen ihnen besonders originell. Gleichzeitig sind sie wenig motiviert, die Originalität ihrer Ideen zu hinterfragen. Studienleiterin Yu Tse Heng und ihr Team haben allerdings gezeigt, dass die Kreativität nicht unbedingt zunimmt, wenn man kifft.
Damit bestätigen sie frühere Untersuchungen. 2015 kam ein vergleichbares Experiment nicht nur zu ähnlichen Ergebnissen. Besonders starkes Kiffen könne sogar das Gegenteil bewirken und die Kreativität dämpfen. Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat Hinweise gefunden, dass es auf die Persönlichkeit ankommt. Menschen, die unter dem Einfluss von Cannabis kreativer werden, sind vermutlich ohnehin kreativer.
Quelle:
Heng, Y. T., Barnes, C. M., & Yam, K. C. (2022). Cannabis use does not increase actual creativity but biases evaluations of creativity. Journal of Applied Psychology. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/apl0000599
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