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16.12.2011
„Hirndoping mit Pillen wird zum Massenphänomen“, lautete die Überschrift eines Artikels in einem Online-Magazin. Doch ist das wirklich so? Ein australisches Forschungsteam hat die Medienberichterstattung zum Thema „Hirndoping“ analysiert. In ihrem Fachartikel kritisiert das Team die teils undifferenzierte und einseitige Darstellung der vermeintlichen Wundermittel.
Bild: fotosipsak / iStockphoto.com
Welches Kind würde nicht gerne einmal den Zaubertrank von Miraculix kosten, dem Druiden aus dem Comic „Asterix“. Mit einem Schluck superstark sein, und von Nebenwirkungen keine Spur. Verschreibungspflichtige Medikamente, die zum „Hirndoping“ benutzt werden, machen zwar nicht stärker, sollen aber die kognitive Leistungsfähigkeit erhöhen und Müdigkeit vertreiben. Klingt verlockend - vor allem, wenn die nächste Klausur oder Prüfung bevorsteht. Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler plädieren sogar für eine „pharmazeutische Verbesserung des Gehirns“.
Auch die Medien haben das Thema aufgegriffen. Doch während in der Wissenschaft eine Kontroverse über die gesundheitlichen Risiken und ethischen Folgen des „Hirndopings“ geführt wird, würden die Medien oft einseitig berichterstatten und riskieren, einen künstlichen Hype hervorzurufen, kritisieren Bradley Partridge und sein Forschungsteam. Die australischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Queensland begründen ihre Kritik auf einer Analyse der Zeitungsberichterstattung aus den Jahren 2008 bis 2010, wobei sie nur englischsprachige Zeitungen berücksichtigten.
Bei der Recherche konnte das Team insgesamt 142 Zeitungsartikel identifizieren, die das Thema „Hirndoping“ behandeln. 94 Prozent dieser Artikel würden das Hirndoping als weit verbreitet bezeichnen oder von einer zunehmenden Verbreitung berichten. Bislang gäbe es jedoch nur wenige verlässliche Daten zur Verbreitung, die zudem derartige Aussagen nicht unterstützen. Wenn jedoch der Eindruck vermittelt wird, als sei es völlig normal, Mittel zum „Hirndoping“ zu benutzen, könnte es manche Menschen erst recht dazu ermuntern, dies tatsächlich zu tun.
Partridge und sein Team kritisieren, dass Journalisten wissenschaftliche Ergebnisse oftmals nicht korrekt wiedergeben. Als Beispiel nennen sie die Berichterstattung über eine Online-Umfrage unter den Leserinnen und Lesern der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature. 20 Prozent hatten bei der Umfrage angegeben, schon einmal „Hirndoping“ betrieben zu haben. In manchen Zeitungsartikeln wurde diese Zahl falsch interpretiert und geschrieben, dass 20 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschreibungspflichtige Mittel zur Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit einnehmen würden. Eine derartig weitreichende Aussage lässt die Ad-hoc-Umfrage der Zeitschrift aber gar nicht zu.
Problematisch sei auch die Berichterstattung über die Wirkungen der Mittel. In 95 Prozent aller Zeitungsartikel wurde zumindest eine positive Wirkung beschrieben, aber nur 58 Prozent erwähnten auch Risiken oder Nebenwirkungen. Selbst in jenen Artikeln, die Risiken nannten, standen die vermeintlichen Vorteile des „Hirndopings“ meist im Vordergrund, während die teils gravierenden Risiken wie Herz-Kreislaufprobleme oder Abhängigkeit nur unspezifisch als „potentielle Gefahren“ bezeichnet wurden.
Generell würde die Medienberichterstattung oft zu enthusiastisch mit den Errungenschaften der Neurowissenschaften umgehen, kritisiert das Forschungsteam. Das sei aber nicht nur den Journalisten anzulasten. Forscherinnen und Forscher würden teils selbst zu der Euphorie beitragen, indem sie ihre Ergebnisse im Diskussionsteil des Fachartikels aufblähen und überzogene Schlussfolgerungen ziehen, die die Daten gar nicht hergeben würden.
Die Forscherinnen und Forscher der Studie appellieren daher vor allem an ihre Kolleginnen und Kollegen, dass sie in ihren Veröffentlichungen sicherstellen sollten, dem unkritischen Medienhype keine weitere Nahrung zu liefern.
Quellen:
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