Schöntrinken funktioniert - nur ein bisschen

22.06.2018

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Unter dem Begriff Schöntrinken kennt der Volksmund den Effekt, dass Menschen als attraktiver eingeschätzt werden, wenn die betrachtende Person unter dem Einfluss von Alkohol steht. Die Wissenschaft war sich bislang jedoch nicht ganz einig bei der Frage, ob es den Effekt tatsächlich gibt. Nun wurde eine Meta-Analyse hierzu veröffentlicht.

Mann mit Bierflasche hält Frau in Arm, die grimmig schaut

Bild: nebelfeldflucht / photocase.de

Manchmal muss man sich Forschende wohl wie Außerirdische vorstellen, die sich unbemerkt unter uns Erdenbewohner gemischt haben, um unsere Verhaltensweisen zu erkunden. So sei es eine große Herausforderung für die Suchtforschung herauszufinden, warum Menschen Alkohol trinken. Das schreiben Molly Bowdring und Michael Sayette in einem aktuellen Artikel in der Fachzeitschrift Addiction.

In ihrem Artikel widmen sie sich der Frage, ob die wahrgenommene Attraktivität zunimmt, wenn man Alkohol trinkt, auch bekannt als Schöntrinken. Dass diese Frage nicht einer gewissen Komik entbehrt, fand schon 2013 die Jury, die jährlich den satirisch gemeinten Ig-Nobelpreis verleiht. Das mit dem Preis „geehrte“ Forschungsteam hatte im Labor experimentell nachweisen können, dass Menschen, sich selbst attraktiver finden, wenn sie alkoholisiert sind. Dieser Effekt stellte sich auch dann ein, wenn die Testpersonen lediglich glaubten, Alkohol getrunken zu haben.

Widersprüchliche Ergebnisse

Ein anderes Forschungsteam, das in der Vergangenheit ebenfalls Experimental-Studien zur Frage des Schöntrinkens durchgeführt hat, wollte den Effekt nicht nur im Labor, sondern auch im echten Leben nachweisen. Studienleiterin Olivia Maynard und ihr Team legten Besucherinnen und Besuchern britischer Pubs Portraitfotos mit der Bitte vor, die Attraktivität der abgebildeten Personen zu bewerten. Und siehe da: In der Studie fanden sich plötzlich keine Belege dafür, dass die Einschätzung der Attraktivität anderer Personen durch Alkohol beeinflusst wird.

Das Team um Olivia Maynard schien den eigenen Ergebnissen allerdings nicht ganz zu trauen und erklärte, dass ihre Studie methodische Schwächen aufweisen würde. So sei der Alkoholpegel bei den zufällig angetroffenen Bargästen wohl vergleichsweise niedrig gewesen. Sie empfahlen daher eine Meta-Analyse zu erstellen.

Nur kleiner Effekt des Schöntrinkens

Hier kommen wieder Molly Bowdring und Michael Sayette ins Spiel. Sie recherchierten vorhandene Studien und fassten deren Ergebnisse zusammen. Immerhin 16 Einzelstudien, die sich differenziert mit der Frage des Schöntrinkens beschäftigt haben, konnten sie ausfindig machen. Ihr Fazit: Schöntrinken funktioniert, aber nur ein bisschen. Denn der Effekt sei eher als klein zu bezeichnen und lässt sich nicht nachweisen, wenn Personen des gleichen Geschlechts bewertet werden.

Die Harvard Universität verleiht den Ig-Nobelpreis übrigens an wissenschaftliche Studien, „die Menschen zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen.“ So hat das Thema Schöntrinken einen durchaus ernsten Hintergrund. Der Effekt des Schöntrinkens könne Personen in sozialen Situationen dazu verleiten, mehr zu trinken als ihnen gut tut, bis hin zum Rauschtrinken, erläutern Bowdring und Sayette.

Rauschtrinken ist aber mit zahlreichen Risiken verbunden wie eine erhöhte Unfallgefahr oder eine verstärkte Neigung zu ungeschütztem Sex, was nachfolgende Risiken wie ungewollte Schwangerschaften und sexuell übertragbare Krankheiten nach sich ziehen kann. Aus der Perspektive der Suchtforschung sei es daher wichtig, den Einfluss des sozialen Kontexts auf das Alkoholtrinken besser zu verstehen, um dieses Wissen in zukünftigen Studien zu berücksichtigen.

Quellen:


Kommentare

Kommentare

Um Kommentare schreiben zu können, musst du dich anmelden oder registrieren.