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27.08.2010
Wie fühlt man sich nach einer Nacht ohne Schlaf? Richtig. Ziemlich müde. Die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit wird ebenfalls rapide abnehmen. Um dies herauszufinden, braucht es keine Laborstudie. Doch wie verhält es sich, wenn Ecstasy eingenommen wird? In bestimmten Dosierungen soll es ja anregend wirken. Wie steht es da um die kognitive Leistungsfähigkeit nach durchfeierter Nacht? Dies untersuchte ein niederländisches Forschungsteam. Es ließ 16 Männer und Frauen eine Nacht nicht schlafen und kam zu einem überraschenden Ergebnis.
In dem Experiment ging es um die so genannten psychomotorischen Funktionen, also Aufgaben, in denen Körperbewegungen koordiniert werden müssen. Die Reaktionsschnelligkeit gehört unter anderem dazu. Getestet wird dies beispielsweise mit einer Aufgabe, in der die Testperson verschiedene Zeichen auf einem Bildschirm präsentiert bekommt und nur bei einem bestimmten Zeichen so schnell wie möglich eine Taste drücken muss. Komplexere Aufgaben kombinieren mehrere psychomotorische Funktionen, beispielsweise indem man per Joystick einem sich bewegenden Cursor auf dem Bildschirm folgen und gleichzeitig den Fuß von einem Pedal nehmen muss, wenn eine bestimmte Zahl in einer Ecke des Monitors aufblinkt. Ein alltägliches Beispiel für eine Aufgabe mit psychomotorischem Charakter ist das Autofahren. Die Augen verfolgen den Verkehr, während man mit den Händen und Füßen den Wagen steuert.
Ein Team der Universität Maastricht hat mit einer ganzen Batterie an psychomotorischen Aufgaben acht Frauen und acht Männer im Alter von durchschnittlich 22 Jahren getestet. Das Forschungsteam wollte herausfinden, ab welcher Dosis MDMA sich auf die psychomotorischen Funktionen auswirkt. Dabei interessierten sie sich vor allem für die Nachwirkungen, d. h. wenn die eigentliche Wirkung bereits abgeebbt, eine geringe Menge MDMA im Blut aber noch nachweisbar ist. Dieser Zeitpunkt wäre bei einer durchfeierten Nacht auf Ecstasy also der frühe Morgen. Um dies zu simulieren, lud das Forschungsteam die Testpersonen ins Labor ein, wo sie eine Nacht lang wach bleiben mussten, um anschließend getestet zu werden.
Frühere Studien weisen hierzu ein unklares Bild über die Auswirkungen auf. Während einige Studien eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten durch MDMA fanden, konnten andere keine Unterschiede oder sogar Verbesserungen in den psychomotorischen Funktionen nachweisen. Letzteres wird auf die anregende, d. h. wachmachende Wirkung von MDMA zurückgeführt.
Studienleiterin Wendy Bosker und ihr Team wählten für ihre Studie ein experimentelles Design, bei dem die Personen zu vier verschiedenen Zeitpunkten jeweils einer von vier Bedingungen zugewiesen wurden: Entweder bekamen sie ein Placebo oder MDMA in drei unterschiedliche Dosierungen von 25, 50 oder 100 mg. Das experimentelle Design hat den Vorteil, dass Unterschiede zwischen den Dosierungen auch tatsächlich auf MDMA zurückgeführt werden können und nicht etwa auf vorhandene Personenunterschiede. Denn alle Personen durchlaufen ja alle Bedingungen.
Die Ergebnisse wiesen schließlich eine Überraschung auf. Obwohl Ecstasy eine stimulierende Wirkung hat, hatte die Einnahme von MDMA unabhängig von der Dosierung keinen bedeutsamen Einfluss auf die psychomotorischen Funktionen, also weder eine Verschlechterung noch eine Verbesserung. Nur bei der höchsten Dosierung gab es einen leicht positiven Effekt bei einem der Tests. Dennoch belege die Untersuchung, dass die anregende Wirkung der Droge den nachteiligen Effekt des Schlafentzugs nicht wettmachen könne, erläutert das Forschungsteam in ihrem Fachartikel. Denn es ist vor allem der fehlende Schlaf, der sich negativ auf das psychomotorische Verhalten auswirkt.
Wer sich nach Ecstasykonsum nach der Party am frühen Morgen wieder nüchtern fühlt, sollte daher auf keinen Fall mit dem Auto nach Hause fahren. So haben andere Studien nachweisen können, dass sich eine Nacht ohne Schlaf auswirken kann wie 1 Promille Alkohol im Blut.
Quelle:
Bosker, W., Kuypers, K., Conen, S. & Ramaekers, J. (2010). Dose-related effects of MDMA on psychomotor function and mood before, during, and after a night of sleep loss. Psychopharmacology, 209, 69-76.
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