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27.06.2014
Gibt es eine Abhängigkeit vom Internet oder von Computerspielen? Unter Expertinnen und Experten ist diese Frage umstritten. Klar ist: Die exzessive Nutzung von Online-Angeboten kann problematische Folgen haben. Im Einzelfall kann der Ausstieg sogar unerwartet heftige Entzugserscheinungen nach sich ziehen, wie eine aktuelle Fallstudie zeigt.
Bild: kallejipp / photocase.com
Seine Welt bestand aus Elfen, Zwergen und Magiern und er war der Gott. So zumindest fühlte sich der 25-jährige Koreaner, der sich bis zu zwölf Stunden am Tag in der virtuellen Welt des Fantasy-Rollenspiels Lineage II bewegte, einem sogenannten Massive Multiplayer Online Role-Playing Game (MMORPG). Dabei vergingen auch mal Tage ohne Schlaf, ohne Essen und ohne Kontakt zur Außenwelt. Versuche, die Zeit im Spiel zu verkürzen, scheiterten, bis er das Spiel eines Tages auf Drängen seiner Eltern abrupt beendete.
Fünf Tage später wird der junge Mann ein Patient des Psychiaters Daeho Kim im Krankenhaus von Guri in Südkorea. Was war geschehen? Kurz nachdem der 25-Jährige das Online-Rollenspiel beendet hatte, bemerkte er aufsteigende Unruhe, Ängstlichkeit und Konzentrationsprobleme. Am nächsten Tag begann er, sich in die Idee hineinzusteigern, dass er impotent sei und zeigte ein zunehmend merkwürdigeres Verhalten. Er bedrängte seine Schwester, forderte seinen Vater auf, alles zu tun, was er ihm befiehlt und attackierte ihn schließlich mit einem Messer.
Bei seiner Einlieferung in das Krankenhaus diagnostizierten die Mediziner psychotische Symptome mit Wahnvorstellungen. Die Mediziner konnten jedoch keine typischen Risikofaktoren feststellen wie Drogenmissbrauch oder mentale Vorerkrankungen bei ihm oder in der Familie.
Unter der Behandlung mit einem Neuroleptikum, einem Medikament, das unter anderem für die Behandlung von Schizophrenie eingesetzt wird, stellte sich bereits nach wenigen Tagen eine deutliche Verbesserung seines Zustands ein. Nach zwei Wochen konnte der 25-Jährige das Krankenhaus wieder verlassen.
Dass sich auch nach dem Internet-Entzug derart dramatische Folgen entwickeln, ist glücklicherweise eine seltene Ausnahme. Nach Angaben des Ärzteteams sei dies erst der zweite dokumentierte Fall, in denen der Ausstieg aus dem exzessiven Online-Spielen zu einer zeitlich begrenzten Psychose geführt hat.
Für den Psychiater Kim und sein Team sind die beobachteten Entzugserscheinungen dieser Einzelfälle wichtige Anhaltspunkte für die Existenz einer Internetabhängigkeit. Diese weisen Ähnlichkeiten auf mit einer Substanzabhängigkeit oder der Glücksspielsucht. Denn auch bei diesen Formen der Abhängigkeit komme es zu Entzugserscheinungen, die von psychotischen Symptomen begleitet sein können.
Quelle:
Paik, A., Oh, D. & Kim, D. (2014). A Case of Withdrawal Psychosis from Internet Addiction Disorder. Psychiatry Investig, 11(2), 207-209.
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