Home > News > Aktuelle Meldungen > Neue Studie stellt Neurotoxizität von Ecstasy infrage
25.02.2011
Schädigt Ecstasy das Gehirn? Unzählige Studien haben sich bereits mit dieser Frage beschäftigt. Die meisten sind sich einig darin, dass Ecstasy-Pillen sehr wahrscheinlich neurotoxisch wirkt. In einer neuen US-amerikanischen Studie, in der akribisch nach geeigneten Untersuchungspersonen gefahndet wurde, fanden sich allerdings nur geringfügige Hinweise für kognitive Einschränkungen durch Ecstasykonsum.
Bild: ktsimage / iStockphoto.com
Aus tierexperimentellen Studien ist bekannt, dass Ecstasy die serotonergen Nervenzellen im Gehirn schädigen kann. Doch ob sich die unter Laborbedingungen ermittelten Ergebnisse 1:1 auf den Menschen übertragen lassen ist fraglich, schreiben Studienleiter Harrison G. Pope und sein Team in ihrer aktuellen Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Addiction veröffentlicht wurde.
Als besonders problematisch bewertet das Forschungsteam, dass praktisch allen Studien methodische Mängel anhaften. Beispielsweise sei es typisch für Ecstasykonsumentinnen und -konsumenten, dass sie nicht nur zur Ecstasy-Pille greifen, sondern auch andere Drogen konsumieren, die ebenfalls die Hirnleistungen beeinträchtigen können. Wichtig sei es auch, dass die Personen der nichtkonsumierenden Vergleichsgruppe nicht nur hinsichtlich der üblichen Merkmale wie Alter oder Bildung vergleichbar sind. Vielmehr müsse auch darauf geachtet werden, dass die Kontrollpersonen ebenso in der Rave-Szene verwurzelt sind und schlafraubende Tanzmarathons erlebt haben. Schließlich müsse absolut sichergestellt sein, dass die Probandinnen und Probanden bereits mehrere Tage sowohl drogen- als auch tanzabstinent sind, bevor sie an der eigentlichen Studie teilnehmen. Denn Schlafmangel habe ebenfalls einen negativen Einfluss auf die Hirnleistungen.
Um den eigenen strengen Kriterien zu entsprechen und geeignete Testpersonen zu finden, haben Pope und sein Forschungsteam in einem mehrstufigen Verfahren Interviews und Drogenscreenings durchgeführt. Von zunächst rund 1.500 Personen, die sich auf Anzeigen in Clubs hin gemeldet haben, verblieben aufgrund des rigiden Rasters nur 111, die zur eigentlichen Untersuchung eingeladen wurden, 52 mit und 59 ohne Erfahrung mit Ecstasy-Pillen. Personen der Ecstasygruppe hatten nur geringfügig Erfahrung mit anderen Drogen. Ecstasykonsumierende ohne jegliche weitere Drogenerfahrung waren wohl schwer aufzutreiben. Beide Gruppen hatten zudem einen Faible für ausdauerndes „Clubbing“.
Nun ging es zur Sache. In insgesamt 15 psychologischen Tests mussten die Probandinnen und Probanden Hirnschmalz zeigen und ihre kognitive Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Das Ergebnis: Ecstasyuser schnitten kaum schlechter ab, als abstinente Testpersonen. Auch in Tests zum verbalen Gedächtnis, die in früheren Studien meist signifikante Ergebnisse erbracht haben, ließ sich kein Unterschied zwischen den Gruppen feststellen. Nur in einem Test, bei dem es um die Impulskontrolle ging, schnitten Personen mit besonders starkem Ecstasykonsum signifikant schlechter ab. Allerdings könne hier nicht ausgeschlossen werden, dass die leicht verminderte Impulskontrolle eher Ursache als Folge des Ecstasykonsums ist, argumentieren die Autorinnen und Autoren in ihrem Artikel.
Damit stehen die Ergebnisse von Pope und seinem Forschungsteam allerdings in Kontrast zu denen anderer Studien, in denen Ecstasykonsumierende schlechtere kognitive Leistungen erbracht haben. Über die Gründe hierfür können sie nur spekulieren. Denkbar sei, dass sie zu wenige stark Ecstasy konsumierende Testpersonen in ihre Studie berücksichtigt hatten. Nur sechs Personen hatten mehr als 150-mal in ihrem Leben Ecstasy-Pillen konsumiert.
Möglich sei aber auch, dass viele der bisherigen Studien nur deshalb zu signifikanten Ergebnissen gekommen sind, weil sie bei der Auswahl der Testpersonen zu wenig auf weitere mögliche Einflussfaktoren wie zum Beispiel dem Konsum anderer Drogen geachtet haben. Die von der Arbeitsgruppe um Harrison Pope favorisierte strenge Auswahl der Testpersonen könne daher ein Grund für das abweichende Ergebnis sein. Letztlich habe ihre Studie demonstriert, dass die Frage der Neurotoxizität weiterhin nicht vollständig gelöst sei, schlussfolgern Pope und sein Team.
Quelle:
Halpern, J., Sherwood, A., Hudson, J., Gruber, S., Kozin, D. & Pope, H. (2011). Residual Neurocognitive Features of Long-Term Ecstasy Users With Minimal Exposure to Other Drugs. Addiction, DOI: 10.1111/j.1360-0443.2010.03252.x. Zusammenfassung
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