Home > News > Aktuelle Meldungen > Misshandlung in Kindheit erhöht Psychoserisiko bei Cannabiskonsum
25.11.2011
Warum werden manche Kiffer psychotisch, andere mit vergleichbarem Konsummuster aber nicht? Ein niederländisch-griechisches Forschungsteam ist dieser Frage nachgegangen und hat in zwei Längsschnittstudien Belege dafür gefunden, dass Cannabiskonsumierende vor allem dann ein erhöhtes Psychoserisiko aufweisen, wenn sie in ihrer Kindheit Misshandlungen erfahren haben.
Bild: ig3l / photocase.com
Stimmen hören, die niemand anders hören kann, das Gefühl, verfolgt, beobachtet oder überwacht zu werden, das können die Symptome einer Psychose sein. Treten diese oder andere psychotischen Symptome dauerhaft auf, wird meist das Krankheitsbild der Schizophrenie diagnostiziert. Cannabiskonsum gilt als ein möglicher Auslöser für dauerhafte Psychosen. Dafür spricht, dass in Studien ein so genanntes Dosis-Wirkungsverhältnis gefunden wurde: Je mehr gekifft wird, umso wahrscheinlich werden psychotische Symptome.
Doch längst nicht alle Dauerkiffer werden psychotisch. Tatsächlich betrifft dies nur einen kleinen Teil der Konsumierenden. Es müssen also noch andere Faktoren außer Cannabis eine Rolle spielen. Bekannt ist, dass auch traumatische Kindheitserlebnisse oder Misshandlungen das Risiko für eine spätere Psychose erhöhen. Ein internationales Forschungsteam um Studienleiterin Cecile Henquet hat nun beides, Cannabiskonsum und Kindesmisshandlung, näher untersucht.
Dazu wertete das Team die Daten von zwei großen Bevölkerungsstudien aus Griechenland und den Niederlanden aus. In beiden Studien wurden Daten zu verschiedenen Messzeitpunkten erhoben. In Griechenland erfolgte die Datenerhebung im Alter von sieben und 19 Jahren. Die Eltern der zum ersten Messzeitpunkt sieben Jahre alten Kinder sollten angeben, ob und wie oft sie ihre Kinder schlagen. Im Alter von 19 Jahren wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie schließlich zu ihrem Cannabiskonsum befragt und auf Anzeichen von psychotischen Symptomen hin untersucht.
In den Niederlanden waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen 18 und 64 Jahre alt und mussten zum ersten Messzeitpunkt angeben, ob sie vor dem 16. Lebensjahr Missbrauchserfahrungen erlitten haben. Im Gegensatz zur griechischen Studie wurde hier nicht nur körperliche Misshandlung berücksichtigt, sondern auch emotionaler, psychischer und sexueller Missbrauch im Rahmen von diagnostischen Interviews erfasst. Ein und drei Jahre später wurden die Probandinnen und Probanden zu ihrem Cannabiskonsum befragt und machten Angaben dazu, ob sie schon einmal psychotische Symptomen erlebt hatten.
Henquet und ihr Team fanden in beiden Studien einen signifikanten Zusammenhang zwischen frühen Missbrauchserfahrungen und psychotischen Symptome bei Cannabiskonsum: Je schwerer der Kindesmissbrauch war, umso stärker ausgeprägt waren die psychotischen Symptome bei den Cannabiskonsumierenden. Die negativen Auswirkungen von Kindesmissbrauch und Cannabiskonsum addieren sich nicht einfach, sondern scheinen sich gegenseitig in ihrer Psychose-fördernden Wirkung zu verstärken. Die Wissenschaft nennt dies Interaktionseffekt.
Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen aber auch darauf hin, dass es noch weitere mögliche Interaktionseffekte gibt. So sei auch bekannt, dass in der Kindheit misshandelte Menschen später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu Cannabis greifen. Ebenso gibt es Hinweise auf eine genetische Grundlage, die im Zusammenspiel mit Cannabiskonsum das Psychoserisiko erhöht.
Quelle:
Konings, M., Stefanis, N., Kuepper, R., de Graaf, R., ten Have, M., van Os, J., Bakoula, C. & Henquet, C. (2011). Replication in two independent population-based samples that childhood maltreatment and cannabis use synergistically impact on psychosis risk. Psychological Medicine, DOI: 10.1017/S0033291711000973. Zusammenfassung
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