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07.08.2024
Wer zu nichts Lust hat, leidet möglicherweise unter Anhedonie. Aktuellen Studien zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen häufigem Cannabiskonsum und Anhedonie. Macht Kiffen lustlos oder ist es eher andersherum?
Bild: bodnarchuk / iStock.com
Kein Bock auf gar nichts. So in etwa ließe sich der Fachbegriff Anhedonie salopp übersetzen. Betroffene haben kein Interesse an Aktivitäten, die normalerweise Spaß machen. Anhedonie ist ein Merkmal von psychischen Erkrankungen wie Depressionen.
Eng verwandt mit Anhedonie ist der Begriff des „Amotivationssyndroms“. Beobachtet wurde, dass manche Cannabiskonsumierende teilnahmslos und antriebsvermindert wirken sowie den Alltagsanforderungen mit einer gewissen Gleichgültigkeit gegenübertreten. Eine ursächliche Verbindung zwischen Cannabiskonsum und einem Amotivationssyndrom konnte bislang allerdings nicht klar belegt werden.
Ein Forschungsteam aus Spanien hat den Aspekt der Anhedonie in Zusammenhang mit Cannabiskonsum nun erneut unter die Lupe genommen, da es einige neue Studien zum Thema gibt. Gloria Bernabe-Valero und ihr Team haben sich auf Studien konzentriert, die seit dem Jahr 2000 veröffentlicht wurden, und haben eine Übersichtsarbeit dazu verfasst.
Insgesamt 21 Studien haben die Forschenden zusammengetragen. Ihren Recherchen zufolge könne allerdings keine eindeutige Aussage dazu gemacht werden, ob Cannabis zu Anhedonie führt oder ob Menschen, die Anhedonie-Symptome zeigen, verstärkt zu Cannabis greifen. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass sich beides gegenseitig beeinflusst. Daraus könne sich eine Art Teufelskreis ergeben.
Menschen mit Anzeichen von Anhedonie würden demnach gerne zum Joint greifen, weil Cannabis die negativen Aspekte der Anhedonie abmildert. Sie verspüren zumindest für eine Weile etwas Angenehmes. Gleichzeitig könne regelmäßiger Cannabiskonsum die Symptome einer Anhedonie verschlimmern, weil insbesondere stark kiffende Personen sich nicht nur häufig zurückziehen und die Gesellschaft anderer Menschen meiden. Auch sind sie immer weniger in der Lage, Freude bei anderen Aktivitäten als dem Konsum zu spüren. Dies motiviert sie, weiter zu konsumieren.
Den Recherchen zufolge deuten einige Studien daraufhin, dass Cannabiskonsum auch am Anfang der Entwicklung stehen kann. Cannabiskonsum würde den Hirnstoffwechsel beeinflussen und Symptome der Anhedonie auslösen. Vor allem Jugendliche seien dafür gefährdet, da ihr Gehirn sich noch entwickelt.
Jugendliche sind laut Bernabe-Valero und ihrem Team besonders gefährdet für Anhedonie, wenn häusliche Gewalt in der Familie eine Rolle spielt. Betroffene Jugendliche leiden dann häufiger unter Depressionen und nutzen Cannabis, um sich Linderung von ihren Problemen zu verschaffen.
Generell ist davon auszugehen, dass sich psychische Erkrankungen und Cannabiskonsum wechselseitig beeinflussen. Bei psychischen Problemen „hilft“ der Cannabisrausch aber nur kurzfristig. Langfristig mindert Cannabis die Fähigkeit, Freude auch bei anderen Dingen zu empfinden. Bernabe-Valero und ihr Team betonen daher, wie wichtig es sei, Anhedonie möglichst früh zu erkennen und gegenzusteuern.
Wer sich nicht gut fühlt, sollte sich nicht scheuen, Hilfe zu suchen. Reden ist die erste und wichtigste Maßnahme. Das kann ein Gespräch mit einer vertrauten Person sein oder der Kontakt zu professionellen Beraterinnen und Beratern. Die „Nummer gegen Kummer“ hilft anonym und kostenlos. Ebenso kann die Online-Beratung von drugcom.de per Chat oder E-Mail hierfür genutzt werden.
Quelle:
Poyatos-Pedrosa, C., Bernabe-Valero, G., Pelacho-Ríos, L. & Iborra-Marmolejo (2024). Cannabis and anhedonia: A systematic review. Psychiatry Research, 339, 116041. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2024.116041
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