Home > News > Aktuelle Meldungen > Kiffen für die Fruchtbarkeit?
03.04.2019
Bislang ging man davon aus, dass sich der Konsum von Cannabis ungünstig auf die männliche Fruchtbarkeit auswirkt. Einer aktuellen Studie zufolge könnte auch das Gegenteil der Fall sein. Doch wie sind die Ergebnisse einzuschätzen?
Bild: Syda Productions / stock.adobe.com
Etwa 300 Millionen Spermien gehen nach einem Samenerguss auf die Reise. Lediglich ein paar Hundert von ihnen finden die weibliche Eizelle und nur ein einziges Spermium erreicht sein Ziel: das weibliche Ei zu befruchten. Ob ein Mann fruchtbar ist oder nicht, hängt wesentlich davon ab, wie viele Spermien er produziert.
Bisherige Studien legten den Schluss nahe, dass Cannabiskonsum die Fruchtbarkeit des Mannes verschlechtert. Studienleiter Jorge Chavarro und sein Team von der Harvard T.H. Chan School of Public Health und der Harvard Medical School sind ebenfalls von der Annahme ausgegangen, dass sich der Cannabiswirkstoff THC ungünstig auf die Spermienproduktion auswirkt. Doch ihre Studie lieferte unerwartete Ergebnisse.
Das Forschungsteam hat über 1.000 Spermaproben von 662 Männern untersucht, die ihre Fruchtbarkeit in einer Klinik untersuchen ließen. Im Schnitt waren sie 36 Jahre alt. 317 Männern wurde zusätzlich Blut entnommen, um die Konzentration von Hormonen zu analysieren, die für die Fruchtbarkeit des Mannes relevant sind. Alle Probanden machten zudem Angaben zu ihrem Cannabiskonsum.
55 Prozent der Befragten gaben an, schon mal Cannabis konsumiert zu haben. Von diesen kifften 11 Prozent aktuell noch, 44 Prozent nicht mehr. Die Analyse der Spermaproben ergab bei den Männern mit Cannabiserfahrung eine höhere Spermienkonzentrationen als bei Männern, die nie gekifft hatten und zwar 63 Millionen Spermien pro Milliliter Ejakulat gegenüber 45 Millionen pro Milliliter. Aktuelle und ehemalige Konsumenten wiesen keine bedeutsamen Unterschiede auf.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation liegt die Schwelle für normale Werte bei 15 Millionen pro Milliliter Ejakulat. Nur 5 Prozent der Cannabiserfahrenen lagen unterhalb dieser Grenze, verglichen mit 12 Prozent der Männer, die nie gekifft hatten. Weitere Einflüsse wie das Alter, der Konsum anderer Drogen und die Zeit seit dem letzten Samenerguss wurden dabei rechnerisch berücksichtigt.
Damit widersprechen die Ergebnisse der anfänglichen Hypothese des Forschungsteams, das von einem negativen Einfluss des Cannabisrauchens ausgegangen ist. So konnten Tierstudien nachweisen, dass Cannabis die Produktion von Spermien beeinträchtigt. „Diese unerwarteten Ergebnisse zeigen, wie wenig wir über die Auswirkungen von Marihuana auf die reproduktive Gesundheit wissen“, erklärt Jorge Chavarro. Die Studie lasse jedoch noch keine gesicherte Aussage darüber zu, ob Cannabis auch ursächlich die Spermienproduktion anregt.
So weist das Forschungsteam darauf hin, dass alle einbezogenen Männer sich mit ihrer Partnerin an eine Kinderwunsch-Klinik gewendet haben, um ihre Fruchtbarkeit untersuchen zu lassen - möglicherweise, weil der Verdacht bestand, unfruchtbar zu sein. Es sei daher unklar, ob die Ergebnisse überhaupt auf die männliche Allgemeinbevölkerung übertragen werden können.
Zudem seien auch alternative Erklärungen für den gefundenen Zusammenhang denkbar. Demnach seien die Ergebnisse nach Einschätzung des Forschungsteams auch mit einem dosisabhängigen nicht-linearer Zusammenhang vereinbar. Das heißt: Bei niedrigem Konsum könnte die Spermaproduktion zwar über das Endocannabinoid-Sstem angeregt werden, höherer Konsum habe jedoch den gegenteiligen Effekt. Dies würde erklären, warum frühere Studien zu anderen Ergebnissen gekommen sind, da in diesen Fällen meist Männer mit stärkerem Cannabiskonsum einbezogen wurden.
Denkbar sei auch, dass Cannabiskonsum und Fruchtbarkeit nicht in einem direkten Zusammenhang stehen, sondern in Wirklichkeit ein dritter Faktor beides beeinflusst. So konnte nachgewiesen werden, dass die Cannabiskonsumenten der Studie einen etwas höheren Testosteronspiegel aufweisen. Testosteron ist ein Hormon, das maßgeblich für die Spermienproduktion verantwortlich ist. Zugleich könnten Männer mit höherem Testosteronspiegel eine höhere Risikobereitschaft zeigen und eher dazu neigen, eine illegale Droge wie Cannabis zu konsumieren.
„Unsere Ergebnisse müssen mit Vorsicht interpretiert werden, und sie unterstreichen die Notwendigkeit, die gesundheitlichen Auswirkungen des Marihuanakonsums weiter zu untersuchen“, erklärt Chavarro.
Quellen:
Kommentare
Um Kommentare schreiben zu können, musst du dich anmelden oder registrieren.