Kiffen aus Angst vor anderen

03.02.2012

Menschen, die unter sozialer Phobie leiden, entwickeln deutlich häufiger eine Cannabisabhängigkeit als gesunde Personen. In eine Studie wurde untersucht, unter welchen Bedingungen ängstliche Personen besonders häufig zum Joint greifen.

Verzweifelter junger Mann mit grauer Kapuze, der sein Gesicht mit seinen Händen bedeckt.

Bild: Sami Suni / iStockphoto.com

Im Mittelpunkt stehen oder eine Rede halten, für Menschen mit sozialer Phobie ist das eine Horrorvorstellung. Allein schon der Gedanke an derartige Situationen reicht aus, um Angst auszulösen. Denn die soziale Phobie ist die Angst vor den möglichen kritischen Reaktionen anderer, also die Furcht davor, sich ungeschickt oder peinlich zu benehmen.

Studien zufolge gibt es unter sozial ängstlichen Menschen einen besonders hohen Anteil an Cannabiskonsumierenden. Die US-Wissenschaftlerin Julia Bruckner und ihr Team haben dieses Phänomen in den vergangenen Jahren intensiv beforscht. Vermutet wird, dass Personen mit einer sozialen Phobie das Kiffen dazu benutzen, um ihre Ängstlichkeit und andere damit einhergehende negative Emotionen zu bewältigen.

Zwei Wochen Angst protokollieren

Da solche Erkenntnisse bisher zumeist auf nachträglich abgefragten oder in Laborexperimenten gewonnenen Daten beruhen, haben Bruckner und ihr Team beschlossen, reale Situationen genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Rahmen ihrer Studie verteilten sie dafür kleine tragbare Computer an 49 regelmäßig kiffende Studierende im Alter zwischen 19 und 22 Jahren. Die Probandinnen und Probanden wurden dazu angehalten, über einen Zeitraum von zwei Wochen mehrmals täglich ihr aktuelles Verlangen nach Cannabis, ihren tatsächlichen Konsum und das Ausmaß ihrer Ängstlichkeit zu diesem Zeitpunkt mit dem Gerät festhalten.

Die Ergebnisse zeigen, dass Kiffer mit sozialer Phobie häufiger dem Verlangen nach Cannabis nachgeben, als die übrigen Testpersonen. Besonders häufig griffen sie in Situationen zum Joint, in denen sie sich ängstlich fühlten und auch andere kiffende Personen anwesend waren. Waren sie hingegen mit Personen zusammen, die nicht kifften, nahm die Wahrscheinlichkeit des Cannabiskonsums mit zunehmender Ängstlichkeit sogar ab.

Fazit des Forschungsteams

Bruckner und ihre Kollegen vermuten, dass sozial ängstliche Kiffer Stress schlechter aushalten und sie dementsprechend auch schneller nachgeben, wenn das Verlangen nach Cannabis Stress auslöst. Bereits in einer früheren Studie haben Bruckner und ihr Team die so genannte Self-handicapping-Theorie ins Spiel gebracht. Demzufolge erwarten sozial ängstliche Menschen, dass sich der Cannabiskonsum negativ auf ihr Verhalten auswirkt und sie davon ausgehen, dass andere Menschen ihr Verhalten als Folge des Cannabiskonsums interpretieren und es nicht als Eigenschaft der Person betrachten. In anderen Worten: Die Angst, sich vor anderen lächerlich zu machen, wird dadurch besänftigt, dass sie sich tatsächlich und offensichtlich nicht normal verhalten, anderen aber signalisieren können, dass es auf die Cannabiswirkung zurückzuführen ist und nicht auf sie als Person.

Für die Therapie von Personen, die unter einer sozialen Phobie leiden und Cannabis missbrauchen, empfiehlt das Forschungsteam, gezielt Aktivitäten mit Nichtkiffern zu planen und durchzuführen. Denn dann sei die Gefahr am geringsten, dass Betroffene ihre möglicherweise auftretenden Ängste mit dem Konsum von Cannabis betäuben.

Quelle:
Buckner, J., Crosby, R., Wonderlich, S. & Schmidt, N. (2012). Social anxiety and cannabis use: An analysis from ecological momentary assessment. Journal of Anxiety Disorders, 26, 297-304. Zusammenfassung


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