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17.02.2012
Mal eben die Mails checken und sich dann wieder anderen Dingen zuwenden. Ist doch keine große Sache, oder? Für manche Menschen schon, weil sie die Finger nicht lassen können von Tastatur, Maus oder Smartphone. Ihr Internetgebrauch hat einen suchtähnlichen Charakter angenommen, ähnlich einer Drogenabhängigkeit. Ein chinesisches Forschungsteam hat herausgefunden, dass sich bei Internetsüchtigen sogar Hirnveränderungen nachweisen lassen, wie man sie sonst nur bei Drogenabhängigen findet.
Bild: Nadim.LB / photocase.com
Das Forschungsteam um Hao Lei von der Chinese Academy of Science in Wuhan hat für ihre Untersuchung die sogenannte weiße Substanz im Gehirn von 33 jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren untersucht. Davon galten 17 als internetsüchtig. 16 Personen dienten als Kontrollgruppe. Sie waren hinsichtlich Alter, Geschlecht und Bildung mit den Internetsüchtigen vergleichbar.
In der weißen Substanz befinden sich Nervenfasern, das sind die „Verbindungskabel“ zwischen den Nervenzellen der Großhirnrinde, die als graue Substanz bezeichnet wird. Ebenso wie Stromkabel besitzen Nervenfasern eine Isolierung, die Myelin-Scheide. Sie ist eine mehrschichtige Struktur, die auch für die weiße Farbe verantwortlich ist.
Die weiße Substanz wurde mit Hilfe einer speziellen Technik „durchleuchtet“, der Diffusions-Tensor-Bildgebung. Damit können die Nervenfasern der weißen Substanz sichtbar gemacht und ihre Struktur untersucht werden. Bestimmte Messwerte geben Aufschluss über die Beschaffenheit der Myelin-Scheide. Ist die Myelin-Scheide nur unzureichend ausgebildet oder beschädigt, kann die Impulsweiterleitung in der Nervenfaser gestört sein, was zu kognitiven Defiziten führt.
Hao Lei und sein Team fanden bei ihren Messungen heraus, dass die weiße Substanz bei den Internetsüchtigen in bestimmten Teilen des Gehirns sehr wahrscheinlich beschädigt ist. Die Messwerte deuten darauf hin, dass die Myelinscheide dünner ist als bei gesunden Personen oder sogar beschädigt ist.
Nach Angaben der Autoren seien in früheren Studien mit drogenabhängigen Personen eine ähnlich abnorme Beschaffenheit der weißen Substanz gefunden worden. Die betreffenden Hirnbereiche sind für eine Vielzahl an Funktionen zuständig, darunter Emotionen, Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung.
Henrietta Bowden-Jones vom Imperial College London hat die Ergebnisse in einem Bericht der BBC als „bahnbrechend“ bezeichnet. Erstmals seien abnorme Strukturen in der weißen Substanz im Bereich des Frontalcortex und anderen wichtigen Hirnarealen nicht nur bei Drogenabhängigen nachgewiesen worden, sondern auch bei Personen, deren Verhalten einen suchtähnlichen Charakter aufweist.
Ob die Veränderungen tatsächlich auf den exzessiven Internetgebrauch zurückzuführen sind oder schon vorher existierten, ließ sich mit der Studie jedoch nicht ermitteln. Dazu müsste eine Längsschnittstudie geführt werden.
Quellen:
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