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17.06.2016
Kokainabhängige haben Probleme ihren Konsum zu kontrollieren. Bislang ist nicht gänzlich geklärt, welcher Mechanismus dem Kontrollverlust zugrunde liegt. In einer aktuellen Studie wurde eine bislang nicht bekannte Verknüpfung im Gehirn entdeckt, die eine Erklärung hierzu liefert.
Bild: kallejipp / photocase.com
Kokainabhängige, die aus dem Konsum aussteigen wollen, werden häufig rückfällig. Etwa vier von zehn rückfälligen Kokainabhängigen berichten von Craving. So wird das starke Verlangen nach weiterem Konsum bezeichnet. Das heißt aber auch, dass bei rund sechs von zehn Kokainabhängigen nicht ein dringendes Verlangen der Grund für den Rückfall war.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Barry Everitt und David Belin von der Universität Cambridge in Großbritannien wollte wissen, warum das so ist und was dabei im Gehirn vor sich geht. Das Team hat seine Experimente zwar an Ratten vorgenommen, ist aber der Ansicht, dass ihre Ergebnisse auch für Menschen von Bedeutung seien.
In den Tierexperimenten hatten Ratten freien Zugang zu Kokain. Sie konnten einen Hebel drücken, um sich selbst den nächsten „Schuss“ zu verabreichen. Anfänglich wurde das Verhalten der Ratten noch von Hirnarealen gesteuert, die für zielgerichtetes Verhalten zuständig sind. Je mehr der Kokainkonsum zur Gewohnheit wurde für die Tiere, umso mehr wurde die Steuerung des Verhaltens in eine Hirnregion verlagert, die als dorsolateres Striatum bezeichnet wird.
Unser Verhalten wird jedoch nicht nur durch Gewohnheiten geprägt. Der so genannte präfrontale Cortex ist ein Bereich hinter der Stirn, in dem bewusste Entscheidungen über unser Verhalten getroffen werden. Bei Kokainabhängigen scheint diese Kontrollfunktion jedoch nicht mehr so gut zu funktionieren. Bislang ging man davon aus, dass der präfrontale Cortex bei Kokainabhängigen schlicht überflutet wird mit Reizen und das Craving dann Überhandnimmt. Zu dieser Erklärung passt jedoch nicht, dass nicht alle rückfälligen Kokainabhängigen Craving als auslösenden Faktor für den Rückfall erleben.
Everitt und Belin liefern mit ihren Forschungsarbeiten nun eine neue Erklärung. Die Tatsache, dass Kokainabhängige rückfällig werden, sei nicht ausschließlich eine Folge mangelnder Selbstkontrolle. Vielmehr haben sie im Gehirn von Ratten nachweisen können, dass der präfrontale Cortex gewissermaßen abgeschnitten wird von der Verhaltenssteuerung. Eine Hirnregion mit dem Namen basolaterale Amygdala speichert die positiven Gefühle, die beim Kokainkonsum entstehen und baut bei den kokainabhängigen Ratten eine Verbindung zum dorsolateralen Striatum auf, das gewohnheitsmäßiges Verhalten auslöst.
Belin nennt es eine „Hintertür“ zur Kokainabhängigkeit, da der präfrontale Cortex gewissermaßen nicht mitbekommt, was sich in den Tiefen unseres Gehirns abspielt. Der Impuls, der zu erneutem Kokainkonsum führt, gelangt somit nicht vollständig ins Bewusstsein, sondern bahnt sich direkt den Weg zum Verhalten. Der Rückfall unterliegt somit nicht unbedingt einer bewussten Entscheidung, sondern kann auch durch andere Faktoren ausgelöst werden. Das können bestimmte Reize sein, die mit Kokainkonsum in Verbindung gebracht werden.
Bisherige Therapieverfahren arbeiten oft damit, an der bewussten Kontrolle des Verhaltens zu arbeiten. Dies sei nach Ansicht des Forschungsteam aber problematisch, da der Rückfall nicht immer der bewussten Kontrolle unterliegt. „Möglicherweise könnte Achtsamkeit dabei helfen, die aufkommenden Impulse zu erkennen“, sagt Belin. Die Achtsamkeit gilt als spezielle Form der Aufmerksamkeit, die auf das unmittelbare Erleben und auf die Bewusstheit momentaner Vorgänge gerichtet ist.
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