Haben Darmbakterien Einfluss auf das Verlangen nach Alkohol?

29.03.2023

Rauschtrinken scheint nicht nur die Zusammensetzung der Darmbakterien zu verändern. Eine Studie mit jungen Erwachsenen konnte Hinweise dafür finden, dass mit der veränderten Darmflora auch das Verlangen nach Alkohol zunimmt.

Bild: jaydee3 / photocase.de

Der Mensch ist quasi nur zur Hälfte Mensch. Allein unser Magen-Darm-Trakt beherbergt etwa 10 Billionen Mikroorganismen. Das ist ungefähr die Anzahl an Zellen des gesamten menschlichen Körpers. Die Gesamtheit der Bakterien und anderer Mikroorganismen im Darm wird als Darmmikrobiom bezeichnet. Den größten Anteil am Mikrobiom haben Darmbakterien, die eine wichtige Funktion erfüllen: Sie verdauen Nahrung und bekämpfen schädliche Erreger. Aber das ist noch nicht alles.

Der Darm steht über Nerven und Botenstoffe in engem Austausch mit unserem Gehirn. Bakterien und Gehirn „sprechen“ dabei nicht nur über Darm-Themen. Die sogenannte Darm-Gehirn-Achse ist vermutlich auch an der Steuerung unserer Stimmung und unseres Verhaltens beteiligt.

Beispielsweise hat eine Studie, in der Stuhl von Alkoholabhängigen auf Mäuse transplantiert wurde, Erstaunliches hervorgebracht: Das Sozialverhalten der kleinen Nager hat sich verändert. Zudem machten sie einen depressiven Eindruck. In einer aktuellen Studie aus Irland wollte ein Forschungsteam mehr über das Zusammenspiel von Darmbakterien und Gehirn herausfinden. Dafür untersuchten sie, wie sich Rauschtrinken auf das Darmmikrobiom, auf die Stimmung und auf das Verhalten auswirkt.

Rauschtrinken verändert die Zusammensetzung von Darmbakterien

An der Studie nahmen 71 junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren teil. Über drei Monate machten die Teilnehmenden Angaben zu ihrem Alkoholkonsum und zu ihrem Essverhalten. In einem Test wurde untersucht, wie gut sie Gefühle in Gesichtern erkennen können. Anhand von Stuhlproben der Teilnehmenden ermittelte das Forschungsteam, welche Bakterien im Darm leben.

Als die Forschenden die Stuhlproben verglichen, stellten sie fest: Bei den Personen, die in den drei Monaten Rauschtrinken betrieben, veränderte sich die Zusammensetzung der Darmbakterien. Während der Anteil einiger Bakterien zurückging, waren andere Bakterienarten stärker vertreten.

Andere Darmbakterien, anderes Verhalten?

Personen, die sich öfter betranken, zeigten auch häufiger impulsive Züge und ein intensives Verlangen nach Alkohol. Der Abgleich mit den Stuhlproben offenbarte, dass sowohl Impulsivität als auch das verstärkte Verlangen nach Alkohol mit einer anderen Zusammensetzung der Darmbakterien in Zusammenhang stand.

Das Forschungsteam konnte außerdem beobachten, dass die trinkfreudigeren jungen Erwachsenen schlechter Gefühle bei anderen Menschen erkannten, wenn ihnen Fotos mit Gesichtsausdrücken vorgelegt wurden. Sie konnten Gesichter, die Traurigkeit oder Ekel ausdrückten, schlechter erkennen. Auch hier zeigte sich ein Zusammenhang mit einer bestimmten Veränderung in der Zusammensetzung der Darmbakterien.

Möglicherweise nachhaltiger Einfluss auf Gehirnentwicklung

Die Studie liefert damit Hinweise, dass Darmbakterien mit verstärkter Impulsivität und einem vermehrten Verlangen nach Alkohol in Verbindung stehen. Beides sind Kennzeichen einer Abhängigkeit. Das Forschungsteam gibt zu bedenken, dass es sich bei den Teilnehmenden noch um Heranwachsende handelt, deren Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Das durch Rauschtrinken veränderte Darmmikrobiom könnte sich daher nachhaltig ungünstig auf ihre weitere emotionale Entwicklung auswirken und das Risiko einer Abhängigkeitsentwicklung erhöhen.

Die Frage nach Ursache und Wirkung konnten die Forschenden mit den Ergebnissen jedoch nicht klären. Unklar ist, ob die veränderte Zusammensetzung der Darmbakterien eher Ursache oder eher Folge ist. Was die Studie allerdings wieder einmal verdeutlicht: Rauschtrinken hinterlässt Spuren, auch im Darm.

 

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