Früher Einstieg beeinträchtigt möglicherweise die Hirnentwicklung

18.06.2010

Die Wissenschaft hat bislang teils unterschiedliche Ergebnisse zu den Auswirkungen von Cannabis auf die kognitive Leistungsfähigkeit erbracht. Es wird daher vermutet, dass nicht Cannabiskonsum allein die Ursache ist, sondern zusätzlich andere Faktoren wie das Alter des Erstkonsums eine wichtige Rolle bei der Hirnentwicklung spielen. Um dies zu überprüfen hat eine Arbeitsgruppe der Universität Köln Cannabiskonsumierenden mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren beim Denken ins Gehirn geschaut.

Bei erhöhter Anstrengung verbraucht der menschliche Körper Sauerstoff. Das gilt nicht nur für die Muskeln, sondern auch für das Gehirn. Diesen Umstand hat sich ein Forschungsteam der Universität Köln zu Nutze gemacht, um zu überprüfen, ob und wie sich der frühe Beginn des Cannabiskonsums auf die Hirnaktivität auswirkt. Das Team setzte hierfür die so genannte funktionelle Magnetresonanztomographie ein, um die Aktivität der verschiedenen Areale im Gehirn sichtbar zu machen. Dabei wird eine erhöhte Aktivität eines Areals durch einen höheren Sauerstoffverbrauch angezeigt.

Studienleiter Jörg Daumann und sein Team rekrutierten 43 Personen, die bislang mindestens zehn Gramm Cannabis in ihrem Leben konsumiert hatten. Ausgeschlossen wurden Personen, bei denen in der Vergangenheit eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder aktuell eine psychische Störung vorlag, da diese Erkrankungen das Hirnaktivitätsmuster beeinflussen können. Gleiches galt für Personen, die missbräuchlich Alkohol oder Medikamente oder regelmäßig andere illegale Drogen neben Cannabis konsumierten. Für die Studie wurden die Versuchspersonen in zwei Gruppen unterteilt: Personen, die vor dem 16. Lebensjahr mit dem Cannabiskonsum begonnen haben und solche, die erst mit 17 Jahren oder später eingestiegen sind.

Die Untersuchung umfasste neben psychologischen Tests und Fragen zum Cannabiskonsumverhalten vor allem Aufgaben, in denen das Arbeitsgedächtnis gefragt war. Das Arbeitsgedächtnis ist eine Art kurzfristiger Speicher, der verschiedene Hirnareale beansprucht. Während der Bearbeitung der Aufgabe wurde den Probandinnen und Probanden mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie gewissermaßen beim Denken ins Gehirn geschaut, indem besonders aktive Hirnareale sichtbar gemacht wurden.

Die Auswertung der Hirnaktivitätsmuster ergab, dass bei der Gruppe der Früheinsteiger bestimmte Areale des Gehirn deutlich stärker aktiviert waren als bei Personen, die erst mit 17 Jahren oder später erstmals Cannabis konsumiert hatten. Die statistische Analyse ergab hingegen weder für die Konsumfrequenz noch für die Menge des bisher konsumierten Cannabis einen signifikanten Effekt auf die Hirnaktivität.

Das Forschungsteam schließt daraus, dass die stärkere Aktivierung auf eine suboptimale Organisation bestimmter Hirnareale zurückgeht. Denn es sei beispielsweise bekannt, dass das Gehirn von Erwachsenen bei bestimmten Aufgaben weniger aktiv ist als bei Jugendlichen. Ein gereiftes Gehirn sei demnach besser organisiert, um Denkaufgaben zu erledigen. Das Gehirn der Früheinsteiger musste ebenfalls mehr leisten, um auf ein vergleichbares Ergebnis wie die Späteinsteiger zu kommen. Dies könne ein Beleg dafür sein, dass der frühe Cannabiskonsum eine normale Entwicklung des Gehirns beeinträchtigt. Unklar bleibt jedoch, ob die Früheinsteiger nach einer längeren Abstinenzphase wieder normale Aktivitätsmuster aufweisen, was durch Längsschnittstudien zu klären wäre.

Quelle:
Becker, B., Wagner, D., Gouzoulis-Mayfrank, E., Spuentrup, E. & Daumann, J. (2010). The impact of early-onset cannabis use on functional brain correlates of working memory. Progress in Neuro-Psychopharmacology & Biological Psychiatry, doi:10.1016/j.pnpbp.2010.03.032


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