Fördert Cannabis den Alkoholkonsum oder umgekehrt?

09.03.2022

Eine Forschungsgruppe aus Frankreich hat untersucht, wie sich das Alkoholtrinken und der Cannabiskonsum in einer großen Stichprobe von Erwachsenen innerhalb eines Jahres verändert.

Bild: Saimen / photocase.de

Eine Droge kommt selten allein. Beispielsweise ist bekannt, dass Cannabis und Tabak eine enge Verbindung eingehen können. Wer kifft, raucht mit höherer Wahrscheinlichkeit auch Tabak und andersherum. Und wie sieht es mit Alkohol aus? Greifen Kiffer häufiger zu Alkohol oder verleitet Alkoholkonsum zum Kiffen? Oder gibt es womöglich eine generelle Neigung unter Konsumierenden, zu einer weiteren Droge zu greifen? Eine Studie aus Frankreich liefert Antworten.

Studienleiter Guillaume Airagnes und sein Team haben die Daten einer großen Bevölkerungsstudie mit jährlichen Erhebungen herangezogen. In der Kohortenstudie werden Erwachsene im Alter zwischen 18 und 69 Jahren wiederholt zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt. Das Forschungsteam hat die Daten von rund 27.000 Personen ausgewertet, die zweimal im Abstand von einem Jahr befragt wurden.

Zu beiden Befragungen haben die Teilnehmenden Angaben darüber gemacht, wie häufig sie Alkohol trinken und wie oft sie Cannabis konsumieren. Die Forschenden haben sich die Veränderungen beim Konsum beider Substanzen angeschaut. Wenn beispielsweise viele Personen, die zur Erstbefragung häufig Alkohol trinken, auch ein Jahr später häufig Alkohol trinken, dann kann von einem Zusammenhang gesprochen werden.

Stärkerer Zusammenhang von Cannabis zu Alkohol als von Alkohol zu Cannabis

Den Auswertungen zufolge steht das Ausmaß des Alkoholtrinkens zur ersten Befragung in Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum bei der zweiten Befragung. Wer viel trinkt, scheint somit eher zum Kiffen zu neigen als Personen, die wenig oder keinen Alkohol trinken. Für die umgekehrte Reihenfolge wurde jedoch ebenfalls ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang gefunden: Wer viel kifft, hat ein Jahr später mit höherer Wahrscheinlichkeit auch verstärkt zu Alkohol gegriffen. Greifen Personen mit Substanzkonsum einfach nur generell zu weiteren Drogen? Oder ist die Art der Substanz von Belang?

Dazu haben Airagnes und sein Team eine statistische Methode angewendet, mit der die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei Ereignissen untersucht werden kann. Den Analysen zufolge ist der Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum bei der ersten und Alkoholtrinken bei der zweiten Befragung dreimal stärker ausgeprägt, als umgekehrt. Personen, die häufig am Joint ziehen, entwickeln mit der Zeit auch eine Vorliebe fürs Alkoholtrinken. Der Weg vom Alkoholtrinken zum Kiffen ist hingegen nicht so stark ausgeprägt.

Stärkerer Zusammenhang zwischen Cannabis und Alkohol bei Frauen

Diese Zusammenhänge gelten besonders für Frauen. Das Forschungsteam konnte errechnen, dass der Weg vom Cannabiskonsum zum Alkoholtrinken bei Frauen viermal stärker ausgeprägt ist, als der umgekehrte Fall. Bei Männern ist der Übergang von Cannabis zu Alkohol „nur“ doppelt so stark wie der von Alkohol zu Cannabis.

Das Forschungsteam zieht daraus die Schlussfolgerung, dass es zwar durchaus eine generelle Neigung unter Menschen mit Substanzkonsum zu geben scheint, eine weitere Droge zu konsumieren. Die Art der Droge scheint aber nicht beliebig zu sein. Cannabis bahnt offenkundig stärker als Alkohol den Weg zum Konsum der jeweils anderen Substanz.

Unklar ist noch, warum das so ist. Als eine mögliche Erklärung erwähnt das Forschungsteam, dass das Endocannabinoid-System sowohl bei der Wirkung von Cannabis als auch der von Alkohol eine Rolle spiele. Die Forscherinnen und Forscher erklären, dass es in der Behandlung von problematischen Cannabis- und Alkoholkonsum angesichts der Ergebnisse ratsam sei, beide Substanzen in den Blick zu nehmen.

 

Quelle

Airagnes, G., Matta, J., Limosin, F., Hoertel, N., Goldberg, M., Zins, M. & Lemongne, C. (2022). Towards quantifying the reciprocal associations between frequency of cannabis use and alcohol consumption: a cross-lagged analysis from the CONSTANCES cohort. BMJ Open, 12, e052819.


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