Fahruntüchtig durch geringe Mengen Alkohol und Cannabis

05.03.2010

Selbst hartgesottenen Kiffern dürfte bewusst sein, dass es keine gute Idee ist, sich „stoned“ ans Steuer eines Autos zu setzen. Auch viele wissenschaftliche Studien zeigen mittlerweile, dass Cannabiskonsum die Fahrtüchtigkeit einschränkt. Ein aktueller Überblicksartikel hat diese Studien nun zusammengefasst - und kommt zum Teil zu überraschenden Ergebnissen.

Im Rahmen der am Connecticut Healthcare Center in den USA durchgeführten Literaturstudie fassten Andrew Sewell, James Poling und Mehmet Sofuoglu alle relevanten Veröffentlichungen zusammen, in denen die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Fahrleistungen untersucht wurden.

Ein Teil dieser Arbeiten befasste sich mit den geistigen Fähigkeiten, die für ein sicheres Autofahren notwendig sind. Hierbei konnte gezeigt werden, dass praktisch all diese Fähigkeiten durch den Konsum von Cannabis beeinträchtigt werden. Die Aufmerksamkeit, die Körperkoordination und die visuelle Wahrnehmung sind deutlich eingeschränkt. Zudem werden komplexe Aufgaben, die eine geteilte Aufmerksamkeit verlangen, unter dem Einfluss von Cannabis wesentlich schlechter bewältigt. Solche Aufgaben sind im Straßenverkehr alltäglich.

Soweit die Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Einblick darin liefern Studien, in denen sich bekiffte Versuchspersonen am Fahrsimulator bewähren müssen. Einige dieser Studien kommen zunächst zu überraschenden Ergebnissen. Demnach haben geringe THC-Mengen kaum Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Der Grund dafür: Anders als beim Alkoholkonsum ist die Handlungskontrolle nach dem Konsum von Cannabis kaum eingeschränkt - im Gegenteil: In den Studien versuchten die Versuchspersonen vielmehr, die oben genannten Einbußen in den geistigen Fähigkeiten durch besonders vorsichtiges Fahren wieder auszugleichen. Sie fuhren langsamer, überholten seltener und hielten deutlich größeren Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen. Allerdings handelte es sich auch um Experimente, in denen sich die Personen darüber bewusst waren, dass sie beobachtet werden.

Studien, die sich der Analyse von Verkehrsunfällen gewidmet haben, weisen hingegen darauf hin, dass es ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko nach Cannabiskonsum gibt. Beispielsweise wurde in einer kanadischen Studie nachgewiesen, dass Personen, die mehr als einmal pro Woche kiffen, ein fast dreimal so hohes Risiko für einen Autounfall haben wie Nicht-Konsumierende. Generell zeigte sich, dass die Fahrtüchtigkeit mit zunehmender Dosis an konsumiertem THC abnimmt.

Die Unfallträchtigkeit bei Cannabiskonsum, so das Fazit des Übersichtsartikels, hänge insgesamt stärker von individuellen Merkmalen der konsumierenden Person ab als bei Alkohol. Vor allem die Risikobereitschaft und die Intensität des Konsums spielen hierbei eine Rolle. So zeigte sich in zwei neuseeländischen Studien, dass der scheinbare Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und der Häufigkeit von Verkehrsunfällen nach Einbeziehung des persönlichen Fahrstils nicht mehr signifikant war. In Wirklichkeit waren eine hohe Risikobereitschaft und eine laxe Einstellungen gegenüber der Straßenverkehrsordnung maßgeblich an der Unfallhäufigkeit beteiligt. Und wer generell eher bereit ist, Risiken im Straßenverkehr einzugehen, wird sich auch mit höherer Wahrscheinlichkeit wider besseren Wissens bekifft hinters Steuer setzen. Das heißt, nicht Cannabiskonsum per se erhöht das Unfallrisiko, sondern die individuelle Entscheidung, sich auch bekifft hinters Lenkrad zu setzen. Kiffer, die auf Nummer sicher gehen, lassen hingegen ihr Auto stehen.

Unter bestimmten Bedingungen würden allerdings auch Personen, die sich ansonsten eher im Griff haben, eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellen: Bei gleichzeitigem Konsum von Cannabis und Alkohol, und zwar schon bei sehr geringen Mengen. Dies hat nach Aussage der Autoren eine einfache Erklärung. Durch den zusätzlichen Konsum von Alkohol lasse die Handlungskontrolle nach, was dazu führt, dass Kiffer ihren vorsichtigen Fahrstil ablegen, so dass die latent verringerte Fahruntüchtigkeit zum Vorschein kommt.

Quelle:
Sewell, R., Poling, J. & Sofuoglu, M. (2009). The Effect of Cannabis Compared with Alcohol on Driving. The American Journal on Addictions, 18, 185-193.


Kommentare

Kommentare

Um Kommentare schreiben zu können, musst du dich anmelden oder registrieren.