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20.01.2012
Es scheint ein seltenes Symptom nach Cannabiskonsum zu sein, doch die Fallberichte mehren sich: Chronisches Kiffen führt bei manchen Menschen zu spontaner Übelkeit und Erbrechen. Heißes Duschen oder Baden scheint die Symptome zu lindern.
Bild: currantbun / photocase.com
Seltene Krankheiten können lange unbemerkt bleiben und falsch diagnostiziert werden. So erging es auch dem kanadischen Arzt Stephen Sullivan, der seine Erfahrungen mit der so genannten Cannabis-induzierten Hyperemesis in einem Fachartikel veröffentlicht hat. Als er 2004 das erste Mal mit diesem Syndrom konfrontiert war, habe er die Ursache nicht erkannt und es fälschlich als Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) behandelt.
Der betreffende Fall war ein junger Mann, der bereits häufiger die Ambulanz wegen starker Bauchschmerzen und hartnäckigem Erbrechen aufgesucht hatte. Als Sullivan zu dem Fall hinzugezogen wurde, befand sich der Mann jedoch nicht mehr auf der Liege in der Notaufnahme, sondern in der Dusche. Sullivan hörte bereits auf dem Weg zur Dusche lautes Würgen. Als er den Patienten sah, hockte dieser „zusammengekrümmt auf dem Boden der Dusche, eingehüllt im Nebel, während das heiße Wasser seinen Rücken runter lief.“
Erst einige Zeit später brachte ihm ein Fachartikel aus Australien die Erkenntnis, dass chronischer Cannabiskonsum hinter den Symptomen stecken könnte. In dem Artikel von J. H. Allen und anderen aus dem Jahre 2004 wurden 19 Fälle beschrieben, bei denen die gleichen Symptome festgestellt wurden. In der Folge habe Sullivan weitere derartige Fälle in seinem ärztlichen Alltag erkannt und die bisher veröffentlichten Fallberichte gesammelt und ausgewertet. Die typischen Symptome der durch Cannabis hervorgerufenen Hyperemesis seien wiederkehrende Episoden starker Übelkeit, hartnäckiges Erbrechen und Bauchschmerzen.
Allen Fällen gemeinsam sei, dass die Betroffenen seit längerer Zeit viel kiffen, in der Regel mehrmals täglich. Oft hätten die Patientinnen und Patienten seit Jahren oder sogar Jahrzehnten konsumiert, bevor das Erbrechen begonnen hat.
Die meisten der Betroffenen finden heraus, dass heißes Duschen oder Baden die Symptome lindern kann. In der Folge würde sich ein zwanghafter Drang zu baden oder zu duschen entwickeln. Die Frau eines Patienten habe Sullivan berichtet, dass ihr Mann an 300 Tagen im Jahr ein heißes Bad nehmen würde. Die Folge war eine enorm hohe Gasrechnung. Erst wenn das Warmwasser erschöpft sei oder die Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, würden manche Betroffenen den Weg in ein Krankenhaus finden - um dort erst einmal zu duschen.
Eine medikamentöse Behandlung könne nach Einschätzung von Sullivan lediglich die akuten Symptome der Übelkeit lindern. Dauerhafte Besserung sei nur durch den Ausstieg aus dem Cannabiskonsum zu erzielen. Hingegen würden die Symptome wiederkehren, wenn die Betroffenen erneut anfangen zu kiffen.
Der Mechanismus des Syndroms ist noch nicht bekannt, zumal Cannabis in bestimmten Fällen sogar als Antiemetikum, also als Mittel gegen Erbrechen, gegeben werde. Unbehandelt könne das starke Erbrechen Folgeschäden nach sich ziehen wie ein Zusammenbruch des Elektrolythaushalts bis hin zum Nierenversagen, wie eine Studie aus Deutschland nahe legt.
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