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03.08.2022
Wie wirkt sich regelmäßiger Cannabiskonsum auf das Gedächtnis aus? Welche Rolle spielt das Alter? In einer britischen Studie wurden Konsumierende und abstinente Personen unterschiedlichen Alters verglichen.
Bild: Cookie Studio / Fotolia.com
Erst hörten sie eine kurze Geschichte. Anschließend sollten sie aufschreiben, woran sie sich erinnern. In der CannTeen-Studie wurde die geistige Leistungsfähigkeit von 274 Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf die Probe gestellt. Doch die Ergebnisse entsprachen nicht ganz dem, was das Forschungsteam erwartet hatte.
Studienleiter Will Lawn vom King’s College London und sein Team haben nach eigenem Bekunden eine vergleichsweise große Stichprobe für Studien dieser Art zusammengestellt. 16- bis 17-jährige Jugendliche waren ebenso beteiligt wie junge Erwachsene zwischen 26 und 29 Jahren. In beiden Altersgruppen gab es Teilnehmende, die mindestens wöchentlich Cannabis konsumierten sowie Personen, die nur maximal zehnmal im Leben gekifft haben.
Das Forschungsteam hatte somit sowohl für das Alter als auch für den Konsumstatus jeweils eine Kontrollgruppe zum Vergleich. Mit Drogentests wurde sichergestellt, dass alle Versuchsperson zum Testzeitpunkt seit mindestens 12 Stunden nüchtern waren. Mit der eingangs erwähnten Kurzgeschichte wurde das verbale Gedächtnis untersucht. Ein weiterer Test behandelte das Arbeitsgedächtnis. Es ist für die vorübergehende Speicherung und Informationsverarbeitung zuständig. Ein dritter Test hat die Fähigkeit zur Kontrolle von Impulsen geprüft.
Die Forscherinnen und Forscher erwarteten, dass sich Unterschiede in den Testleistungen zwischen jugendlichen und erwachsenen Cannabiskonsumierenden abzeichnen. Denn das Endocannabinoid-Systemist maßgeblich an der Gehirnentwicklung Jugendlicher beteiligt. Starker jugendlicher Cannabiskonsum könnte sich, so die Annahme, ungünstig auf die Gehirnentwicklung auswirken und in der Folge auch die geistigen Leistungen sowie die Fähigkeit zur Impulskontrolle mindern.
Vordergründig schien dies zumindest teilweise der Fall zu sein. Konsumierende Jugendliche wiesen schlechtere Ergebnisse im Test zur verbalen Merkfähigkeit auf, als erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten. Bei genauerer Betrachtung konnte dieser Unterschied jedoch nicht allein dem Cannabiskonsum in die Schuhe geschoben werden.
Denn wer schon als Jugendlicher Cannabis konsumiert, scheint auch zu anderen ungesunden Verhaltensweisen zu neigen oder weitere für die Entwicklung ungünstige Voraussetzungen mitzubringen. Wurden solche Faktoren in die Analyse einbezogen, zeigten sich keine Leistungsunterschiede mehr zwischen den Kiffern unterschiedlichen Alters. Die Erwachsenen unter den Konsumierenden hatten wohlgemerkt keinen nennenswerten Cannabiskonsum vor dem Alter von 18 Jahren.
Es zeigte sich jedoch ein genereller Leistungsunterschied zwischen Cannabiskonsumierenden und ihren jeweiligen Kontrollgruppen. Die Kiffer in beiden Altersgruppen konnten sich an weniger Details aus der kurzen Geschichte erinnern als ihre gleichaltrigen Vergleichspersonen. Daran hat auch der Einbezug weiterer möglicher Einflussfaktoren nichts geändert. Allerdings betont das Forschungsteam, dass es sich um einen kleinen Effekt handelt. Es sei fraglich, inwiefern sich das Defizit im Alltag bemerkbar mache. In den anderen beiden Tests zeigten sich keine Gruppenunterschiede.
Das Forschungsteam drückt sich dennoch vorsichtig in ihrer Schlussfolgerung aus. Ihre Studienergebnisse hätten zwar keine Belege dafür gefunden, dass die geistige Leistungsfähigkeit bei Jugendlichen stärker durch Cannabis beeinträchtigt wird als bei Erwachsenen. Andere Studien hätten aber durchaus negative Auswirkungen des frühen Einstiegs in das regelmäßige Kiffen belegen können.
Beispielsweise hat eine Langzeitstudie Belege für eine beeinträchtigte Gehirnentwicklung gefunden. Auch gibt es Nachweise für ein schlechteres verbales Gedächtnis je früher Jugendliche in den regelmäßigen Konsum einsteigen. Es finden sich sogar Hinweise auf eine niedrigere Intelligenz, wenn Jugendliche bis ins Erwachsenenalter intensiv und dauerhaft kiffen.
Nach Einschätzung von Lawn und seinem Team seien noch weitere Untersuchungen notwendig, um mehr Klarheit über die Auswirkungen jugendlichen Cannabiskonsums zu bekommen.
Quelle:
Lawn, W., Fernandez-Vinson, N., Mokrysz, C., Hogg, G., Lees, R., Trinci, K., Petrilli, K., Borissova, A., Waters, S., Michór, P., Wall, M. B., Freeman, T. P. & Curran, V. (2022). The CannTeen study: verbal episodic memory, spatial working memory, and response inhibition in adolescent and adult cannabis users and age-matched controls. Psychopharmacology, 239, 1629-1641.
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