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25.05.2012
Statt angenehm bekifft zu sein, empfinden manche Konsumierende Angst und erleben sich selbst, als wenn sie außerhalb ihres Körpers stehen oder als wenn die Welt um sie herum nicht mehr real ist. Normalerweise klingen diese Effekte mit dem Nachlassen der Wirkung wieder ab. Fallberichten zufolge kann die verzerrte Wahrnehmung jedoch über einen langen Zeitraum bestehen oder immer wieder auftreten - auch ohne weiteren Cannabiskonsum.
Bild: ig3l / photocase.com
Ein 24-jähriger Student berichtet, dass ihm die Welt manchmal seltsam fremd erscheint. Ihm komme es so vor, als wenn es unsichtbare Barrieren zwischen ihm und der Umgebung gibt oder als wenn er die Welt durch ein umgedrehtes Fernglas sieht. Das Gefühl, als wenn die Welt nicht mehr echt ist, erlebte auch ein 16-Jähriger Patient. Wenn er am Computer saß, sah er seine Finger manchmal noch über die Tastatur huschen, obwohl er schon längst nicht mehr darauf tippte, so als wenn es die Finger eines Fremden seien.
Dies sind zwei von insgesamt sechs Fällen, die von Franziska Hürlimann und zwei Kollegen in einer kürzlich veröffentlichten Studie vorgestellt wurden. Alle Fälle haben zwei Dinge gemeinsam: Sie haben in ihrer Jugend gekifft und allen wurde eine so genannte Depersonalisationsstörung attestiert. Dahinter verbirgt sich eine seltene Krankheit, bei der das eigene Denken und Erleben als verändert, fremd und unwirklich erlebt wird. Die Betroffenen fühlen sich von den eigenen geistigen Prozessen oder vom eigenen Körper losgelöst. Eine 16-jährige schilderte den Ärzten, dass sie sich teilweise so sehr von der Realität entfernt fühlte, dass sie für einige Minuten dachte, nicht mehr am Leben zu sein.
Hürlimann und ihre Kollegen möchten mit ihrer Veröffentlichung auf den möglichen Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum von Jugendlichen und der Entstehung einer Depersonalisationsstörung hinweisen. Denn bei den von ihnen beschriebenen Fällen lag weder eine neurologische Erkrankung noch lagen Anzeichen einer Psychose vor, die als Ursache in Frage kommen könnten. Für die Patienten selbst stand die Entstehung der Krankheit in einem engen Zusammenhang mit ihrem Cannabiskonsum. Alle stellten den Konsum ein, und bei den meisten hatten sich die Symptome schließlich im Laufe der Zeit deutlich reduziert.
Hürlimann und ihr Team vermuten, dass die gravierenden Auswirkungen des Cannabiskonsums auf den Eingriff in das körpereigene Endocannabinoidsystem zurückzuführen ist. THC beeinflusse jene Hirnregionen, die für die Steuerung der Emotionen und eben auch der Realitätswahrnehmung zuständig sind. Insbesondere bei Jugendlichen gelten diese Regionen als besonders verletzlich, da sich ihre Gehirn in einer wichtigen Phase der Reifung befindet. Auffällig sei, schreibt das Autorenteam, dass bei fünf der sechs Jugendlichen vor dem Ausbruch der Krankheit bereits eine soziale Angst vorlag. Die entsprechenden neuronalen Systeme zur Emotionssteuerung waren also womöglich bei ihnen besonders anfällig.
Quelle:
Hürlimann, F., Kupferschmid, S. & Simon, A. (2012). Cannabis-Induced Depersonalization Disorder in Adolescence. Neuropsychobiology, 65, 141-146.
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