Betrunken im Internet

07.06.2013

In sozialen Netzwerken treten nicht nur User miteinander in Kontakt, auch Unternehmen nutzen die Mitmach-Portale à la Facebook, Twitter & Co. Auf der Jagd nach „Likes“ und „Followern“ werden ausgeklügelte Methoden angewendet, um einer Marke ein positives Image zu verpassen.

Blauer Bauzaun mit aufgesprühtem Schriftzug

Bild: jcarillet / istockphoto.com

Sie sehen gut aus, haben Spaß und tanzen mit der Bierflasche in der Hand zum coolen Clubsound. Werbespots mit fröhlichen jungen Menschen dienen in der Regel dazu, ein positives Image zu erzeugen, um den Absatz der beworbenen alkoholischen Getränke zu erhöhen. Im Kampf um Marktanteile hat die Werbeindustrie längst auch die sozialen Netzwerke entdeckt und wendet dabei immer raffiniertere Marketing-Strategien an.

Der britische Forscher James Nicholls von der Bath Spa Universität hat die Werbemaßnahmen der Alkoholindustrie genauer unter die Lupe genommen. Seiner Ansicht nach habe sich das Marketing in den digitalen Medien fundamental verändert, seit die Alkoholindustrie verstärkt auf Plattformen wie Facebook oder Twitter setzt.

Kreativer Marketingmix

Für seine Studie hat Nicholls einen Monat lang sämtliche Facebook-Seiten und Twittermeldungen der zwölf führenden britischen Alkohol-Marken dokumentiert und ausgewertet. Das Ergebnis: Mit Hilfe eines kreativen Mix verschiedener Werbe-Strategien setzen die Marken vor allem auf eine aktive Einbeziehung der User. Dadurch gelinge es der Alkoholindustrie nicht nur, mehr über die Konsumgewohnheiten der Nutzerinnen und Nutzer zu erfahren, sondern auch tiefer in ihre Lebenswelt vorzudringen.

Besondere Bedeutung komme den gesponserten Veranstaltungen wie Clubnächte oder Sportevents zu. Der Trick dahinter: Die User wurden aufgefordert, ihre Fotos und Erlebnisse, die sie auf den Veranstaltungen gemacht haben, auf der entsprechenden Facebook-Seite zu posten. Ziel des Marketings ist die Verflechtung zwischen den Produzenten und den Konsumentinnen und Konsumenten. Werbung ist somit keine Einbahnstraße mehr, bei der die Adressaten passiv konsumieren.

Dabei komme es auch gar nicht immer darauf an, dass konkret über Alkohol oder die Marke gesprochen werde. Nicholls argumentiert, dass es den Marketingexperten vielmehr darum gehe, eine positive Atmosphäre zu schaffen und die Kommunikation in einer von der jeweiligen Marke dominierten Umfeld anzuregen. Oder anders gesagt: Je mehr sich die User auf den Facebook-Profilen der Konzerne tummeln, umso besser.

Alkoholkonsum als soziale Norm

Die Industrie wolle damit Teil der Erlebniswelt der User werden. Denn Ziel sei es, dass Alkoholkonsum und auch Rauschtrinken als normal wahrgenommen werde. Zwar werde das Rauschtrinken nicht direkt beworben, es werde aber billigend in Kauf genommen, argumentiert Nicholls, wenn User-Fotos offenkundig betrunkene junge Menschen zeigen.

Die Marketingstrategien der Alkoholindustrie würden damit das genaue Gegenteil dessen anzielen, was Aufgabe der Alkoholprävention ist: der Normalisierung des Alkoholkonsums entgegen zu wirken. Zwar würden die meisten Alkoholhersteller Programme unterstützen, die an das Verantwortungsbewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten appellieren. Nicholls resümiert, dass es angesichts der millionenschweren Marketingaktionen jedoch fraglich sei, ob derartige Kampagnen überhaupt eine Chance haben.

Quellen:
Nicholls, J. (2012). Everyday, everywhere: alcohol marketing and social media - current trends. Alcohol and Alcoholism, 47(4), 486-493.


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