Home > News > Aktuelle Meldungen > Bestimmte Gene erhöhen gleichzeitig Risiko für Sucht und psychische Erkrankungen
11.12.2024
Warum sind manche Menschen anfälliger für Sucht als andere? Wieso haben suchterkrankte Personen oft noch weitere psychische Probleme? Eine aktuelle Studie aus den USA legt nahe, dass fast die gleichen Gene daran beteiligt sind.
Bild: vitstudio / stock.adobe.com
Unser Erbgut steckt in der DNA. Das DNA-Molekül, das an eine verdrehte Strickleiter erinnert, bestimmt nicht nur maßgeblich wie groß wir werden oder welche Augenfarbe wir haben. Auch das Risiko für bestimmte Erkrankungen steckt in den Genen. Selten sind es einzelne Gene. Vielmehr wirkt sich die Kombination einer Vielzahl von Genen auf das Risiko einer bestimmten Erkrankung aus. Die Medizin spricht vom polygenen Risikoscore. Der Score ist ein Wert, der darüber Auskunft gibt, wie wahrscheinlich eine Person eine bestimmte Erkrankung bekommt.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Rachel Kember hat ein Phänomen untersucht, demzufolge ein bestimmter polygener Risikoscore sich nicht nur auf eine Erkrankung, sondern gleich auf mehrere Erkrankungen auswirken kann. Das Fachwort lautet: pleiotroper Effekt. Die Forschenden sind dem Verdacht nachgegangen, dass bestimmte Genkombinationen sowohl mit psychischen und organischen Erkrankungen als auch mit Suchtstörungen zusammenhängen.
Grundlage der Studie war ein Datensatz von über 10.000 Personen, von denen genetische Informationen vorlagen. Darunter waren auch Menschen, die wegen einer Suchterkrankung in Behandlung waren. Alle Personen wurden zusätzlich dazu befragt, welche weiteren Erkrankungen sie haben oder hatten.
In ihrer Analyse konnten die Forschenden tatsächlich einen pleiotropen Effekt nachweisen. Bestimmte genetische Muster waren nicht nur mit Sucht, sondern auch mit anderen psychischen und körperlichen Erkrankungen verbunden. Das bedeutet, bestimmte Gensequenzen machen nicht nur anfälliger für eine Sucht, auch das Risiko für psychische Erkrankungen ist erhöht, und zwar für Depression, für die bipolare Störung, für Angststörungen, für die Posttraumatische Belastungsstörung und für Schizophrenie. Unter den körperlichen Erkrankungen fanden die Forschenden einen Zusammenhang zwischen Sucht auf der einen Seite und Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen und Typ-2-Diabetes auf der anderen Seite.
Wichtig zu wissen ist aber auch, dass es keine Eins-zu-eins-Verbindung zwischen Genen, Sucht und weiteren Erkrankungen gibt. So haben die untersuchten Gene nur einen vergleichsweise kleinen Anteil des jeweiligen Erkrankungsrisikos erklären können. Das bedeutet: Auch wenn die genetische Veranlagung eine Rolle spielt, die betroffenen Personen sind ihr nicht ausgeliefert. Andere Faktoren wie die Erziehung, das soziale Umfeld oder der Zugang zu Substanzen beeinflussen ebenfalls, ob und wie sich eine genetische Neigung auswirkt.
Es handelt sich um ein komplexes Zusammenspiel, bei dem die Gene nur ein Puzzleteil des Ganzen sind und mit weiteren Faktoren interagieren. Die Forschenden erklären, dass die Bestimmung des polygenen Risikoscores in Zukunft aber vielleicht helfen kann, individualisierte Behandlungsmaßnahmen zu entwickeln.
Für Menschen mit einer Suchterkrankung kann es hilfreich sein zu verstehen, dass sie womöglich auch für weitere psychische Probleme oder auch bestimmte körperliche Erkrankungen gefährdet sind. Es ist daher immer sinnvoll, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen, wenn man merkt, dass zum Beispiel der Konsum von Cannabis oder Alkohol überhandgenommen hat. Dabei ist die Suchtberatung eine erste Anlaufstelle. Das kann online sein oder in einer Suchtberatungsstelle vor Ort.
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