Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, in die sich Außenstehende nur schwer einfühlen können. Dem heutigen Verständnis nach ist die Schizophrenie eine grundlegende Störung des Denkens, der Wahrnehmung und des Erlebens.
Der Begriff Schizophrenie geht zurück auf den Schweizer Arzt Paul Eugen Bleuler. 1908 hat Bleuler den Begriff eingeführt, um die bis dahin gebräuchliche Bezeichnung „Dementia praecox“ abzulösen. Er betonte, dass weder die Demenz noch der frühe Beginn typische Kennzeichen der Krankheit seien. Charakteristisch seien vielmehr die innere Zerrissenheit und die Spaltung verschiedener psychischer Funktionen. Das Wort Schizophrenie hat Bleuler aus dem Griechischen entlehnt und kann in etwa mit „Spaltung der Seele“ übersetzt werden.
Es handelt sich jedoch nicht um eine Spaltung in zwei Persönlichkeiten. Vielmehr bezieht sich die Spaltung auf das Nebeneinander von zwei Wirklichkeiten, der realen und einer zweiten individuellen Wirklichkeit: Schizophrene nehmen Dinge wahr, die andere Menschen nicht nachvollziehen können.
Anfangs sind sich die Betroffenen der zwei Realitäten durchaus bewusst. Mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung werden sie jedoch immer mehr von ihren krankhaften Vorstellungen beherrscht und nehmen den Widerspruch zur realen Wirklichkeit nicht mehr wahr. Im Vollbild der Psychose - Schizophrenie ist eine Form davon - sind die Betroffenen von einer starken inneren Gewissheit erfüllt, die unverrückbar zu sein scheint. Man spricht von der „absoluten Wahngewissheit“.
Die Schizophrenie bezeichnet genau genommen nicht eine eng umrissene Krankheit, sondern eine Gruppe von Krankheitsbildern, die sehr unterschiedlich sein können. Bleuler selbst hat von der „Gruppe der Schizophrenien“ gesprochen. Je nach Form der Schizophrenie können so genannte Plus- und Minus-Symptome mehr oder weniger stark ausgeprägt sein.
Bei Plus-Symptomen zeigen Betroffene Auffälligkeiten, die über das gesunde Erleben hinausgehen. Das können Halluzinationen oder Wahnvorstellungen sein. Minus-Symptome hingen zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Vergleich zum gesunden Erleben als Defizit wahrgenommen werden. Dies können ein mangelnder Antrieb sein oder ein Affektmangel, bei dem Betroffene kaum noch eigene Gefühle spüren.
Charakteristisch für Schizophrenie ist die Zerrissenheit der inneren Welt, die sich in verschiedenen Bereichen des Bewusstseins bemerkbar macht:
Der Beginn der Erkrankung verläuft meist schleichend. Die ersten Anzeichen sind von wechselnden Zuständen des normalen Erlebens oftmals nicht leicht zu unterscheiden. Sie beginnen mit kleinen Veränderungen und alltäglichen Befindlichkeitsstörungen wie Nervosität, Unruhe, Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, gedrückte Stimmung, Grübeln oder Vernachlässigung der persönlichen Erscheinung.
Das Vorstadium, die so genannte Prodromalphase, in der unspezifische Veränderungen vorherrschen, dauert in den meisten Fällen bis zu fünf Jahre. Oftmals ist ein deutlicher Leistungsabfall in Schule oder Beruf zu spüren. Rückblickend berichten Erkrankte, dass insbesondere der Rückzug aus sozialen Kontakten als erstes Anzeichen erinnert wird, was bereits in dieser Phase einen hohen Leidensdruck zur Folge hat.
In der akuten Phase treten die beschriebenen Symptome in unterschiedlicher Ausprägung zu Tage. Bei einem Viertel der Betroffenen tritt nur eine Krankheitsepisode auf. Der größere Teil der Betroffenen erlebt mehrmals psychotische Episoden, teils mit Abständen von mehreren Jahren. Bei einem Drittel der Erkrankten bleiben nach konsequenter Behandlung der ersten Episode keine Restsymptome zurück. Bei vielen der Betroffenen bleibt allerdings eine gewisse Restsymptomatik. Mit zunehmendem Alter kann mit einer Abschwächung der Symptomatik gerechnet werden.
Zwei Drittel der Erkrankungen treten vor dem 30. Lebensjahr auf, selten jedoch vor dem 15. Lebensjahr. Im Schnitt erkranken Männer drei bis vier Jahre früher als Frauen und sind nach neuestem Kenntnistand etwas häufiger betroffen. Frauen haben in der Regel eine günstigere Verlaufsprognose. Eine Ausnahme bildet der Zeitraum nach der Menopause, wo das Auftreten von Schizophrenie bei Frauen mit einem schlechteren Verlauf einhergeht als bei Männern.
Weltweit erkranken etwa ein Prozent der Menschen im Alter zwischen 15 und 60 Jahren mindestens einmal in ihrem Leben an der Schizophrenie. In Deutschland werden jährlich etwa 19 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner diagnostiziert. Das sind schätzungsweise 15.600 neu diagnostizierte Fälle von Schizophrenie pro Jahr.
Auf der Suche nach den Ursachen der Schizophrenie sind Forscher aus nahezu allen Bereichen der Humanwissenschaften beteiligt. Das Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodell gilt als weithin akzeptierter Erklärungsansatz. Der Ansatz versucht die unterschiedlichen Faktoren der Erkrankung zu berücksichtigen.
Die individuelle Empfänglichkeit für die Krankheit wird als Vulnerabilität bezeichnet. Hierzu gehören vor allem genetische Faktoren, die zu etwa 80 Prozent zur Erkrankung beitragen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass eine genetische Anfälligkeit allein nicht ausreicht. Dafür spricht, dass bei eineiigen Zwillingen das Risiko etwa um 50 Prozent und nicht um 100 Prozent erhöht ist, wenn ein Zwilling erkrankt ist.
Kritische Lebensereignisse, traumatische Erfahrungen oder Konflikte im persönlichen Umfeld werden als erworbene Stressoren bezeichnet. Drogenkonsum wird in diesem Zusammenhang ebenfalls als Stressor verstanden. Chronischer oder akuter Stress kann bei biologisch vorbelasteten Personen gewissermaßen das Fass zum Überlaufen bringen, sofern die Person über keine geeigneten Bewältigungsstrategien verfügt. Schützende Bewältigungsstrategien können ein unterstützendes persönliches Umfeld sein oder andere individuelle Kompetenzen, die helfen, den erlebten Stress zu verarbeiten.
Weiterentwicklungen des Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodells gehen davon aus, dass der Ausbruch einer Psychose durch eine verringerte Fähigkeit des Gehirns, Informationen zu filtern, ausgelöst wird. Im Wachzustand dringen permanent äußere Reize auf uns ein, die von unserem Gehirn in wichtige und unwichtige Informationen sortiert werden. Psychose ist in diesem Modell die Folge einer Überforderung des Gehirns.
Bislang lässt sich die Schizophrenie nicht ursächlich behandeln und insofern auch nicht „heilen“. Bei der überwiegenden Mehrheit der Betroffenen können die Symptome aber zumindest unterdrückt werden.
In der Akuttherapie der Schizophrenie werden vorwiegend so genannte Neuroleptika eingesetzt, das sind Medikamente, die vor allem die Plus-Symptome lindern, also Wahnzustände, Halluzinationen und Zustände der Erregung oder Aggressivität. Nach Unterdrückung der Akutsymptome gilt die Therapie jedoch nicht als beendet. In der Regel erfolgt eine über Jahre oder Jahrzehnte währende Behandlung.
Nach heutiger Auffassung umfasst eine erfolgreiche Therapie neben der medikamentösen Behandlung auch Psychotherapie und weitere Angebote wie Kunsttherapie, Tanztherapie, Ergotherapie oder Soziotherapie. Die Zusammensetzung dieser Maßnahmen ergibt sich aus den jeweiligen Fähigkeiten und Fortschritten der Patientinnen und Patienten. Behandlungsziel ist neben der Symptomkontrolle vor allem die (Re-)Integration des Patienten bzw. der Patientin. Dabei soll vor allem die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen verbessert werden.
Quellen:
Stand der Information: Dezember 2013